Während des Rahensumos hatte Rin zusammen mit den anderen gebannt das Spektakel verfolgt. Zusammen mit den anderen diesen Rattentypen ausgebuht, gejubelt, als er ins Wasser fiel und entnervt die Hand gegen die Stirn geklatscht, da der Kapitän der Hamster-Piraten auch Rei getroffen hatte. Es war, als hätte der „Beitritt“ ihr die Fähigkeit gegeben, genauso wie ein Hamster zu reagieren. Es machte fast schon Spaß, sein Team anzufeuern und so einen gewöhnlichen Tag mit ungewöhnlichen Fremden zu verbringen, auch wenn es Piraten waren. Gäbe es da nicht auch noch den Gedanken an den dritten Wettkampf, der wohl bald vor der imaginären Tür stehen würde. Schon das Rahensumo hatte sie jeder Hoffnung beraubt, ihr war schwindelig geworden und die Pessimistin in ihr zeigte sich auch plötzlich unpassenderweise. Das war mal wieder so klar gewesen, die konnten alle sooooo gut kämpfen. Das waren Profis, gegen die war sie ein nichts. Der erste Wettkampf war bald vorbei, er war aufregend gewesen, zumindest der Teil, den sie nicht damit verbracht hatte, sich selbst zu bemitleiden. Unfassbar, dass Mika so cool sein konnte. Sie nahm es ihm nicht Übel, dass er verloren hatte. Was sie ihm allerdings Übel nahm, war, dass er ein perverser Lüstling, Spanner und zu dem auch noch reichlich leer im Kopf sein konnte. Die arme Kage! Apropos Kage... War die Schwarzhaarige eigentlich die einzige, die bemerkte, dass die einzige Frau der Jojos Erin verblüffend ähnelte? Gut, man musste die rothaarige Musikerin nicht unbedingt kennen. Wahrscheinlich war sie selbst die einzige aus diesem Haufen Menschen, die ihr schon mal begegnet ist, aber wäre dies nicht der Fall, dann würde man ihr bestimmt zustimmen. Die Augen, die Haare, das konnte kein Zufall sein! War das hier etwas die coolste Person der Welt alias Kaja, Erins Schwester? Das Brüllen eines gewissen Kommentators holte sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Nein, nein, nein, unmöglich. Kaja war zwar auch Piratin, aber Falcone konnte schlecht ihr Vater sein, mal abgesehen davon, dass er schon tot war, war der Blondschopf viel zu...doof für die Rolle eines Elternteils. Zweitens hieß Kaja ja nicht Kage, sondern Kaja. Wobei sie selbst ja eigentlich kaum Leute mit diesem Namen kannte, es könnte auch ein Deckname oder ein Spitzname oder ein was-auch-immer-Name sein. Aber Rin kam ja auch aus Humming-Town. Wen sollte sie da schon großartig kennen? Nein, das war falsch formuliert. Wen – jetzt mal alle Bewohner dieser Insel nicht mitgerechnet – sollte sie da schon großartig kennen? Und überhaupt: Kaum war Erin weg, tauchte ihre große Schwester auf, die die Violinistin so gerne wiedersehen wollte? Nun, das Schicksal hätte wieder bewiesen, dass es die Sache mit der Ironie wirklich drauf hatte. Sie konnte die Rothaarige ja später fragen. „BORIS wählt Kage!“Vielleicht früher, als sie ahnte. Dieser Satz riss Rin zurück in die Realität. Der zweite Wettkampf war schon vorbei? Sie hatten gewonnen? Sie war jetzt dran? Rei wurde nach dem Rahensumo in die andere Piratenbande gesteckt? Wie konnte sie das nicht gemerkt haben? „Verstanden? Sie haben Rei, deswegen werden nur Siege akzeptiert!“ Warum sie Rei wohl noch haben, wenn die Hamster-Piraten doch einen Wettstreit gewonnen und einen verloren haben? Hmmmmmm, sehr mysteriös. Was sollte das werden? Zusätzliche Motivation? Sofort übertrug sie diese Unannehmlichkeit auf ihre jetzige Situation. Verlieren war also keine Option und Gewinnen war leicht...unmöglich. Andererseits war Rei die erste Person, die heute wirklich nett zu ihr war, und dieser Reporter hatte es auch irgendwie geschafft, das durchzustehen. „Mein Gott, was sind wir heute wieder optimistisch. Du hast keine Chance, Rinnie.“, sagte die kleine Stimme, welche irgendwo in ihren Hirnwindungen lebte. Jaja, sie hatte ja Recht. Es half auch nicht unbedingt, dass Boris ihr mitteilte, was sie eh schon wusste: „Und als nächstes bist du dran, gegen den Dunklen Jack! BORIS würde alles dafür tun, jetzt an deiner Stelle zu sein!“ Sie sah ihn kurz hoffnungsvoll an. Ja, tu es, wir können tauschen! Hoffe ich.... wollte sie sagen, doch dann fiel der Putzteufelin ein, dass Boris das nicht tun würde, weil sie das Schere-Stein-Papier-Spiel gewonnen hatte und damit diesen Kampf. Als ob sie das je gewollt hätte! „Solange BORIS hinter dir steht und Rei noch gerettet werden muss, kannst du nur gewinnen. Und danach wird BORIS siegen, da BORIS immer gewinnt!“ Hinter ihr stehen? Der war gut! Sie hoffte eher, dem verrückten Kapitän nie den Rücken zudrehen zu müssen. „Ja, ich werde es mir merken.“, sagte die Schwarzhaarige unsicher und nickte vorsichtig, ohne wirklich daran zu glauben. Gab es hier denn niemanden, der auch glaubte, dass ihr Leben mit diesem Kampf unschön zu Ende gehen würde?! ”Mister Boris! Sie meinen doch nicht wirklich ein Kind auf das Kampffeld gegen den Dunklen Jack antreten lassen zu wollen?! DEN Dunklen Jack, über jenen Legenden schon geschrieben werden! Wollen Sie etwa noch ein weibliches Mitglied Ihrer Crew verlieren?!“ Rin ignorierte die Anrede gekonnt und konzentrierte sich auf den Inhalt. Auch wenn sie das Wort „Kind“ ein wenig störte, so hatte Kage doch recht und erntete – hätte sie gerade hingesehen – einen sehr dankbaren Blick. Auch wenn das, was sie über den Dunklen Jack sagte, nicht unbedingt ihr Selbstbewusstsein ankurbelte, war es doch was Wort einer erwachsenen Person. Sie schöpfte wieder Hoffnung und nickte eifrig, um die Bedenken der ehemaligen Jojo-Piratin zu unterstreichen. Doch sie hätte genauso gut eine Wand annicken können. Eine große, hohle Wand. Er schaute das neue Crewmitglied an, als wäre es plötzlich schwerhörig geworden, dann fing er an zu lachen. „Buahahahaha! BORIS sagte doch, dass Rin nicht verlieren kann, schließlich muss sie ja gewinnen!“ Die Musikerin wollte ihren Kopf gegen irgendetwas hauen, sich wahlweise auch selbst etwas dagegen klatschen. Stattdessen ließ sie ihn allerdings enttäuscht hängen, da auch Kage – vielleicht alias Kaja – es aufgab, Boris eines Besseren zu belehren. Stattdessen versuchte sie die Sechzehnjährige aufzumuntern: „Sei stark.” Dass sagte sich so einfach, wenn man selber stark war. Die Mundwinkel des Mädchens zuckten leicht nach oben, doch ein Lächeln kam bei ihm einfach nicht zustande.
Dann war es soweit. Falcone, Jack, Boris und sie selbst traten an die Kanone, die einiges bestimmen sollte. „Wenn die Kugel im Wald landet,“, kam es der Jugendlichen in den Sinn. „Hätte ich schon mal einen großen Heimvorteil. Himmel, bitte lass das Ding dort aufkommen!“ Doch es kam anders. Natürlich kam es anders! Wie konnte sie sich so etwas Dummes wie Hoffnung auch nur erlauben? Falcone drehte einmal schon recht kräftig daran, doch Boris konnte dies natürlich nicht auch noch tun, das entsprach ja den Regeln. Er holte aus und rief: „BORIS kann das besser machen!!!BORIS Krach!“ und ließ seine Faust in Richtung Kanone sausen. Man könnte meinen, dass es weh tun würde, auf so etwas raufzuprügeln. Sollte es das getan haben, so ließ sich der Piratenkapitän nichts anmerken. Stattdessen grinste er triumphierend, als das Geschütz verdächtig und laut quietschte und sich immer schneller drehte. Der Schiedsrichter schien beschlossen zu haben, dass das genug Schwung war und von da an hieß es warten. Rin wurde mit jeder verstrichenen Sekunde nervöser und zappelte wie verrückt herum. Sie wechselte von einem Fuß auf den anderen, hüpfte ein wenig, rieb ihre Hände gegeneinander und drehte sich um ihre eigene Achse, um ja irgendetwas zu tun. Es wurde immer unerträglicher. Der Dunkle Jack stand einfach nur gelangweilt da, ließ seine unheimliche Aura um ihn herumwabern und würdigte seine Gegnerin keines Blickes, während diese unsicher alle paar Sekunden aus den Augenwinkeln zu ihm hinüberlinste, als würde er jeden Moment mit einem Messer auf sie zuspringen. Ja, sie hatte Angst, das war natürlich und sie wurde mit jedem Atemzug größer. Es war nicht so, als hätte sie eine Chance. Selbst wenn die Kugel im Wald landete, hatte sie keine Waffen. Sie war nicht sonderlich stark. Wenn sie zuschlug, brachte es so gut wie gar nichts. Irgendetwas mit einer Klinge wäre schon hilfreich. Ach, die Klinge ist doch Wurst, irgendetwas, was dem Gegner schaden kann, reicht vollkommen aus. Sie hatte die beiden Zwillinge nicht dabei. Natürlich nicht! Beim Steinesammeln auf gleich zwei Piratenbanden zu treffen. Wie hätte man das erwarten können?
BUMM! Die Orangensaftfanatikerin – Jetzt einen O-Saft, das wäre es doch! Da könnte sie wenigstens so etwas wie Drunken Boxing machen – starrte ungläubig und mit großen Augen, auf die eben abgefeuerte Kanone. Verzweiflung, als sie auf der absolut baumlosen Fläche des Strandes landete. Nicht einmal die Steine konnten ihr als wirkliche Deckung dienen, denn diese schossen an dieser Stelle allerhöchstens einen halben Meter in die Höhe. Ihr Schicksal war also besiegelt. Mit einem Gesichtsausdruck, als hätte sie mit Dr. Melancholie zusammen ein Drama angesehen, ließ sie die Schultern hängen, presste die Lippen zusammen und bekam nur am Rande mit, wie der Schiedsrichter die Jojos und die Hamster auf ihr jeweiliges Schiff trieb. Zum Weglaufen war es zu spät. Sie hatte keine Waffen, keine Deckung, keine Kraft, keine Chance und keinen Weg aus dieser Bredouille heraus. Man sagte, dass die Hoffnung zuletzt starb. Aber was war, wenn man keine Hoffnung mehr hatte?
So trat Suzuki Rin ihren letzten Gang an, den Gang zum Spielfeld, den Gang in ihr Verderben...