Solche Momente liebte der Kapitän der Kabukis. Kaum hatten die Worte seinen Mund verlassen wurden ihm die unterschiedlichsten Reaktionen geschenkt – ein Bild für die Götter. Dwain schien begeistert, Noa etwas enttäuscht, Eol sah aus als habe ihn der Blitz getroffen, Timothy legte eine kühle Sachlichkeit an den Tag und Sona, nachdem er es sich - wie auch immer er es geschafft hatte, sich überhaupt in diese Situation zu bringen - geräuschvoll aus einer mehr als unangenehmen Position auf seiner Liege bequem gemacht hatte, meldete sich ebenso mehr lebendig als tot wieder zurück.
"Welche Prinzessin, fragt ihr? Eine hervorragende Frage, hervorragend, ja! Auch wenn ihr eigentlich alle...", und dabei schaute Shien ausgiebig jede einzelnen Kabuki an,
"ein wenig mehr Wissen bezüglich der momentanen Lage unseres Heimatozeans an den Tag legen solltet. Liest hier denn niemand Zeitung? Nun, wie auch immer, welche Prinzessin fragt ihr? Nun, lasst mich euch am besten eine kleine Geschichte erzählen..."
~ Vor einigen Stunden ~
(
http://www.one-piece-rollenspiel.de/showthread.php?2199-Der-Hafen-von-Sunny&p=19496&viewfull=1#post19496)
Während Shien den beidem Männern einige Augenblicke später beim gehen nachsah seufzte er noch einmal.
*'Lenke deine Schritte gen Küche'? Kuroi, was ist nur los mit dir... wann wird mir endlich eine erholsame Pause vergönnt sein!* Ein rascher Blick nach rechts, dann einer nach links... niemand war zu sehen.
*Doch nicht etwa jetzt? Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Das ganze Deck für mich allein...*
"Wer ist hier der Käpt'n?"
Überrascht sah sich Shien nach der fremden Stimme um.
*Doch nicht allein, was für ein seltsames Wunder... doch woher..?* Gemessenen Schrittes trat Shien über das Deck der Dragon zur Reling. Dort unten, auf den Brettern des Hafenstegs...
Mit einem geschickteren Hüpfer als zuvor verließ Shien die Dragon und baute sich vor dem mutmaßlichen Urheber der Stimme auf.
"Ich bin der Kapitän. Wer will das wissen?"
Shien sah zwar eindeutig auf den etwas kleineren Mann vor sich herab, dieser ließ sich allerdings nicht anmerken, dass ihn die Drohgebärden des Schauspielers einschüchterten. Stattdessen musterte der Mann mittleren Alters sein Gegenüber, und Shien tat es ihm gleich: Vor dem Kapitän stand ein nicht besonders hoch gewachsener Mann mit gebräunter Haut und gegerbtem Gesicht. Seinen Körper bedeckten neben einem feinen, weißen Wams aus teurem Stoff und einer Hose aus etwas gröberem Material, aber von derselben Farbe, ein golden schimmernder Brustpanzer mit passenden Schulterklappen. Unter einem ähnlichen Topfhelm wuchsen ein paar schwarze Haare hervor, die, soweit man erkennen konnte, noch nicht von grauen Strähnen durchzogen waren. Alles in allem machte der Krieger an sich trotz seiner Größe eine recht eindrucksvolle Erscheinung, allerdings gab es zwei Dinge, die diesen Eindruck maßgeblich unterstützten: Zum einen der zwei Meter lange Speer mit goldener Spitze, den der Mann in der Hand hielt, zum anderen die rund zehn Mann, die in Formation hinter dem vermutlichen Hauptmann Stellung bezogen hatten. Das kleine, rundliche Männchen direkt neben dem Krieger fiel da kaum noch ins Gewicht.
Mit neutraler Miene betrachtete er Shien und sagte:
„Gregory Thayne, Unteroffizier der Sonnengarde, die hier in Sunny als Stadtwache fungiert.“
Shien zog eine Braue hoch.
*Stadtwache? Hat einer von den anderen…* Unbewusst krampfte sich Shiens rechte Hand zur Faust.
*Da passt man einmal nicht auf seine Kameraden auf, und schon steht die Wache vor der Tür! Zum Teufel, können die sich nicht ein einziges Mal…*
Mit möglichst unschuldiger Miene blickte Shien dem Unteroffizier in die Augen und fragte:
„Stadtwache? Tut mir Leid, Sir, Mister, ähm, ich, ähm, wusste nicht… warum sind sie, ihr, ähm… was gibt es denn?“
„Sie müssen Hafengebühr bezahlen!“
Kurz entglitt Shien seine Rolle als Unschuldslamm als diese Worte, ausgesprochen von einer knatschigen Stimme, das Gespräch der beiden Männer auf unhöflichste Weise unterbrach. Geschwind funkelte der Schwarze den gedrungenen Kerl an, der seiner Crew schon seit ihrer Ankunft ihren Besuch vermiesen zu wollen schien, dann wandte er sich wieder Thayne zu, als dieser die Worte des Kerlchens wiederholte.
„Das stimmt, eine Hafengebühr von 5000 Berry ist bei Ankunft zu entrichten. Solltet ihr euch weigern, so ist es meine Pflicht…“
Schnell winkte Shien ab und unterbrach damit die Drohung des Kriegers. Das hatte ihnen gerade noch gefehlt: Die Stadtwache am Hals, und das wegen 5000 Berry! Seit wann machte man wegen derartigen Peanuts einen solchen Aufstand?!
„Nein nein, Mister Thayne, Sir, Meister. Ihr müsst nicht weitersprechen, ich… ich habe das Geld… einen Augenblick… habe das Geld gleich hier… das Geld… wo zum…“
Hastig glitten de Finger des Kapitäns durch die Falten seines Kimonos, doch trotz der Geschwindigkeit dauerte es einige Augenblicke angefüllt mit peinlichem Schweigen, in denen der große Shien 5000 Berry aus seinen Kleidern zusammenklauben musste. Um die Stille zu durchbrechen murmelte Shien weiter:
„Das Geld… ich hab’s gleich… ähm… warum… 5000 Berry, das ist nicht gerade viel, warum also… dieses verdammte Geld… ähm, ich meine, die Stadtwache… gibt es nichts wichtigeres? Das da… verdammt wo hab ich es nur… das da sind doch… zehn Mann… eine solche Truppe für… ach verflucht… solche Truppe für einen solchen Betrag?“
Wie Shien mit den Händen in seinem Kimono vergraben und leise vor sich hin fluchend aussehen musste wollte er persönlich gar nicht wissen. Glücklicherweise ließ sich keine der Wachen anmerken, dass sie in irgendeiner Weise von dem vergesslichen Kapitän gestört wären. Nur das Pummelchen grummelte missmutig herum. Zum Glück schien Thayne geneigt, Shiens Frage zu beantworten, als dieser den dritten Tausender aus seiner Robe zückte.
„Nun, da euer Schiff, so wurde es mir zumindest berichtet, erst vor kurzem hier angelegt hat wisst ihr es vielleicht nicht. Sunny befindet sich gerade in einer Art Notstand. Die Tochter der königlichen Familie, die verehrte Amaterasu-sama, ist vor wenigen Tagen spurlos aus dem Palast verschwunden.“
Gleichzeitig zur Entdeckung des vierten Tausenders warf Shien dem Hauptmann einen kurzen Blick aus großen Augen zu.
„Verschwunden? Einfach so?“
Thayne nickte.
„Keiner weiß, unter welchen Umständen die Tragödie passiert ist, doch seit mehr als drei Tagen wird sie nun schon vermisst. Da Amaterasu-sama die Thronfolgerin der Sonneninsel ist stehen sämtliche Städte verständlicherweise Kopf. Wir von der Garde versuchen zwar, das größte Chaos zu verhindern, allerdings fehlen uns im Moment schlicht und ergreifend die Männer, um mehr zu tun als die Häfen unter strenger Kontrolle zu halten um somit sicherzustellen, dass die Prinzessin die Insel nicht verlässt. Die Königsfamilie ist dermaßen in Sorge, dass sie sogar eine Belohnung in Höhe von 10 Millionen Berry demjenigen versprochen haben, der ihre Tochter findet.“
Ab und zu nickte Shien, während er sich selbst nach einem letzten Tausender absuchte, und als er schließlich alle nötigen fünf Scheine zur Hand hatte übergab er sie rasch dem Hauptmann.
„Das ist ja alles ganz, ganz schrecklich, schrecklich, ja!“
Gespannt wartete der Kapitän anschließend darauf, dass der muskulöse Krieger die Scheine jeden für sich auf Echtheit prüfte (als ob der große Shien wie ein hinterhältiger Betrüger aussah…) und schließlich nickte. Er übergab die Scheine dem gedrungenen Mann neben sich, der sofort mit seinen Grummeleien aufhörte und stattdessen ein zufriedenes Gackern verlauten ließ. Thayne wandte sich unterdessen wieder Shien zu, der nicht anderes tat als nervös darauf zu warten, die kleine Streitmacht vor sich wieder loszuwerden.
„Nun, wie es scheint, ist hier nun alle geklärt. Ich wünsche euch noch einen angenehmen Aufenthalt auf der Sonneninsel.“
*Den werde ich haben, hehe…*
Lächelnd beobachtete Shien seinen Ex-Gesprächspartner dabei, wie er sich seinem Gefolge zuwandte, es von der Anlegestelle der Dragon abzog und mit den Kriegern und dem kichernden Würstchen abzog. Als Shien schließlich einen erste Schritt in die entgegen gesetzte Richtung machte, um sein eigentliches Vorhaben – auf dem Deck der Dragon zu entspannen und vielleicht ein Nickerchen zu machen – in die Tat umzusetzen, blieb er mit einem Mal stocksteif stehen.
*Moment mal…*
Die ganze Zeit, in der er verzweifelt nach mickrigen 5000 Berry gesucht hatte, konnte er die Worte des Kriegers schlichtweg nicht realisieren. Jetzt jedoch, wo sich seine Anspannung langsam löste, stürzten die Worte des Hauptmanns und die Erkenntnis, dass er soeben das perfekte erste Abenteuer gefunden hatte, wie eine Flutwelle gnadenlos über ihm zusammen.
*Prinzessin verschwunden… Belohnung… 10 Millionen… Belohnung… Ruhm, Ehre… Prinzessin…*
Hastig wandte sich Shien von seinem Schiff ab und begann, in Richtung Stadt zu stürmen…
„… und in der Stadt habe ich schließlich versucht, einige weitere Informationen aufzutreiben, doch offenbar schien meine eindrucksvolle Gestalt und meine überwältigende Aura die meisten dieser Städter hier abzuschrecken. Deswegen…“
Rasch stand Shien von seinem Stuhl auf, breitete die Arme aus, blickte jedes seiner Crewmitglieder an und sagte…
„Gehen wir jetzt alle ins Bett!“
Egal, was die durch diesen befehl verstörte Crew antworten würde, Shien würde jeden Einwand abschmettern. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden, und da die Crew morgen ihr erstes Abenteuer durchstehe würden musste sie ausgeruht sein. Sie musste ganz einfach, und dafür gab es auch keine Widerworte.
Wer sicht dennoch entschloss, noch ein wenig die Nacht zu genießen, der würde am nächsten Morgen sicherlich eine unangenehme Überraschung erleben…
„Das hierhin… das dorthin… hmm, sieht doch gar nicht mal so schlecht aus. Mit ein wenig Übung…“
Stolz betrachtete Shien sein Werk. Eine Stunde hatte er an dem Aufbau herumgewerkelt, hatte Tische und Stühle verschoben, seinen neusten Neuerwerb aufgebaut und ihn fein säuberlich eingeweiht.
Als sich langsam ein Gähner ankündigte drehte sich der Schwarze genügsam um und tat, während er seine Arme Richtung Decke streckte, einige Schritte hinüber zur hinteren Glasfläche des Esszimmers. Die Sonne schlich vorsichtig immer höher, ganz als ob sie Angst davor hätte, sich aus dem blauen Meer alleine in den Himmel zu erheben. Als die ersten Strahlen der flammenden Kugel über die Reling der Dragon strichen drehte sich Shien erneut um und betrachtete sein Werk aus einigen Metern Entfernung. Man konnte eine grobe Struktur erkennen, viel mehr jedoch nicht. Auf der anderen Seite war diese kleine Überraschung auch nicht dazu da, aus weiter Entfernung bestaunt zu werden.
Als Shien zur Vordertüre des Zimmers hinaus schritt streichelte er das neue Stück im Vorbeigehen.
*Du und ich, wir werden noch viel Spass haben…* Lächelnd nahm er die Treppen hinunter auf das Deck der Zimmer seiner Crew, wo er all seine Gefolgsleute noch in tiefem Schlummer friedlich ruhend wähnte. Diese Ruhe sollte allerdings nicht mehr lange währen…
Breitbeinig im Gang stehend stemmte Shien die Hände in die Hüften und rief:
„Aufstehen, alle Mann! Und Frauen auch, Jen, Noa! In fünf Minuten im Essraum, wer nicht pünktlich ist…“
Als er das erste Rumpeln hörte wandte sich Shien, obwohl er noch eine kleine Drohung hatte anhängen wollen, lachend ab. Offenbar reichte die Stimme des Kapitäns, um die Kabuki-Piraten auf Vordermann zu bringen – ein wunderbares Gefühl, das Shien kichernd mit sich zurück in den Essraum nahm.
Dort betrachtete er noch einmal seinen Aufbau: Sieben Stühle standen in einem leichten Halbkreis vor der wenn man hereinkommt rechten Wand, an der an einem dünnen Nagel (der von vielen Löchern umzingelt war – das kam davon, wenn man auch den Zimmermann überraschen wollte und sich selbst um alles kümmerte) eine große Schiefertafel hing. Auf jedem der Stühle saß ein kleines Platzkärtchen mit jeweils einem Namen der Crew, und zwar in folgender Reihenfolge, von links nach rechts (von der Tafel aus gesehen): Jennifer Black, Nora-Lauréane Lamour, Sougon N. Nasshingu, Eol P. Anglachel, Dwain Kusaka, Timothy J. Prince und Takeo Itamae. Dieser Sitzplan verblasste jedoch im Angesicht der komplizierten Kritzelei, die auf der breiten Tafel prangte; wild durcheinander standen dort die Namen der Crew, verschiedene Anweisungen, weitere Namen und noch mehr Anweisungen. Hier und da konnte man auch eine Art Haus und die angedeuteten Umrisse zweier Inseln entdecken, doch um diese Bilder vom Rest der wilden Skizze im Kopf trennen zu können musste man sich wahrlich anstrengen.
Während Shien sein Werk selbstzufrieden betrachtete lehnte er sich an den Rand eines der Tische, die er beiseite geschoben hatte, um den Halbkreis möglich zu machen. In dieser Pose, mit vor der Brust verschränkten Armen und einem schmalen Grinsen, erwartete der Kapitän seine treue Crew.