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III. Gambit

Igraine

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Igraine fühlte sich wohl. Ihre Kartoffeln schmeckten ganz vorzüglich und Lucian hatte das Restaurant nicht in Schutt und Asche gelegt, obwohl er als Seil missbraucht worden war. Fröhlich wackelten ihre Zehen in den braunen Lederstiefeln und ein breites Lächeln überzog ihren kauenden Mund. Essen war immer eine gute Idee, wenn man sie fragte und wer hätte erwartet, dass diese Symmetriefanatiker genauso gut kochen konnten wie Marlon, der scheinbar auf den gleichen Schluss kam - oder er versteckte sein Nichtgefallen relativ gut. Igraine ging dennoch davon aus, dass es ihm schmeckte, denn obwohl der Blonde kein schlechter Schauspieler war, bildete sie sich ein, ihn doch größtenteils zu durchschauen, auch wenn sie das nicht immer wollte. Manchmal war Unwissen ein Segen, da tat es gut, einfach die Fassaden der Leute zu sehen und sich daran zu erfreuen, in einer so heilen Welt zu leben... doch sich selbst diesem Irrtum hinzugeben war schwer, oft viel zu schwer für die junge Frau, die ganz genau wusste, dass Marlon ebenso viel bei einer übergebenen Rose empfand, wie bei dem Durchschneiden einer schutzlosen Kehle. Nichts davon existierte gerade allerdings in ihrem Kopf, weil sie viel zu sehr damit beschäftigt war, ihre Kartoffeln zu genießen. Einen kurzen Seitenblick auf Lucians Spiegeleier konnte sie sich nicht verkneifen, zumal er gleich zwei Portionen bekam, denn sie dufteten ebenso verführerisch, wie der Parallelspeck. Dieser war immerhin entsprechend angeordnet und doch fragte sie sich, warum er so heißen mochte - diese Leute konnten zwar vieles, aber doch wohl kaum das Muskelwachstum eines Tieres bestimmen! Die Glocke bimmelte und wurde ignoriert, doch immerhin drehte sich Lucian zur Tür, als die Begrüßung, welche sie schon willkommen geheißen hatte, verstummte. Igraine nutzte diesen Augenblick dazu, sich eine Scheibe Speck von dem nicht angerührten Teller zu stibitzen, die sie voller Genuss zusammen mit einem Stück Kartoffel zerkaute, während sie dem Blick des Weißhaarigen folgte.

Irgendetwas - und bei näherem Überlegen war es wohl Logik - sagte Igraine, dass sie hier auf eine Meute Kannibalen gestoßen waren. Zugegebenerweise hatte sie nicht mit solchen Gestalten gerechnet, nicht auf einer so friedlichen und vor allem einmal aufgeräumten Insel, aber man lernte ja nie aus. Die Schwarzhaarige zerkleinerte, ohne den Blick von ihnen abzuwenden, eine weitere Kartoffel und schob sich das Stück in den Mund. Sie hatte Kannibalen ja nie verstanden. Wenn es nichts anderes zu essen gab, mochte es passieren, dass man seine eigene Art aß, weil man selbst sonst verhungerte, aber wenn es reichlich andere Nahrung gab, dann war es doch viel schmackhafter, sich einfach an dieser zu vergehen. Menschenfleisch schmeckte nicht einmal besonders gut, aber offenbar sahen diese Leute das anders. Es wunderte sie nicht, denn einen wirklich hellen Eindruck machten sie nun auch nicht auf die Schwarzhaarige. Vielleicht gab es ihnen auch einfach nur einen Kick, denn wenn man sie betrachtete, fragte man sich, ob sie nicht ab und an auch an sich selbst naschten. Momentan schienen sie es wohl eher auf das Personal des oder der Wirtshäuser abgesehen zu haben, was ihr persönlich irgendwie nur recht war - sie würden das Begleichen einer Rechnung sparen. Lucian schien nicht so sehr von den abgeschnittenen Händen, den fehlenden Augenlidern oder den gelbsuchtstechenden Augen angetan zu sein oder zumindest empfand sein Magen sie als nicht allzu schön. Igraine fragte sich eher, ob diese Leute Hände sammelten und keine Skalps, weil die meisten Menschen zwei davon hatten und man so schneller auf eine große Anzahl kommen konnte. "Dann möchtest du deinen Speck nicht mehr haben, nehme ich an?", fragte sie und zog sich das Objekt ihrer Begierde ohne zu warten auf ihren eigenen Teller. Mit einem zufriedenen Summen wickelte sie sich eine Scheibe um eine halbe Kartoffel und schob sie sich in den Mund, bevor sie dem scheinbaren Anführer ins Gesicht blickte und sich fragte, ob seine Augen nicht irgendwann trocken werden mussten. Sie hatte gehört, dass es Echsen gab, die sich über ihre eigenen Augäpfel lecken konnten... ob der einen ähnlichen Trick beherrschte.

Igraines Antwort auf Lucians Frage war eindeutig, aber Marlon kam ihr zuvor. Leider hatte er eine etwas andere Vorstellung als sie selbst, denn während sie gegangen wäre und diesen Leuten wenigstens die Chance gegeben hätte, ihre Schulden gleich mit dem Personal zu vertilgen, setzte der Mafioso die Zeichen auf Kampf. Die stählernen Augen schlossen sich kurz, ein Seufzen entglitt ihren Lippen und eine weitere Kartoffel fand ihr Ende. Vielleicht sollte sie mal etwas von den Spiegeleiern probieren, wo sie gerade dabei war. "Ist es das, was dich antreibt oder hast du einfach ein zu gutes Herz, Brandon?", fragte sie leise, ohne von ihrem Essen aufzugucken. Sie fürchtete sich weder vor den finsteren Gestalten, noch vor einem möglichen Kampf mit ihnen, aber sie würde wirklich lieber in Ruhe weiteressen. Menschliche Hände am Gürtel mochten eine barbarische Zierde sein, doch sie hatte schon schlimmeres als das gesehen. Insgeheim vermutete sie, dass sich diese Leute außerdem wahnsinnig cool, hart oder sonstwie bewundernswert damit vorkamen, was sie nicht verstehen konnte. Menschen die Hände abzuhacken war nicht gerade schwer. Sie lächelte, als Marlon versuchte, die krankheitsdurchzogenen Wilden einzuschüchtern, wischte sich den Mund mit ihrer Serviette ab drehte sich wieder zu den drei Eindringlingen um. Ihre Worte galten dennoch dem Blondschopf. "Es gibt zwei Arten von funktionierenden Einschüchterungsversuchen: Entweder dein Gegner ist klug genug, deinen Worten Glauben zu schenken oder du strahlst eine so urtümliche Gefahr aus, dass selbst ein Tier verstünde, dass es in den Tod rennt. Spar dir deine Worte, sie sind hier verschwendet."
 
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Lucian

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Mit einem gleichgültigen Schulterzucken reagierte Lucian auf die Meinung seines Kochs und den Kommentar seiner Waffenmeisterin. "Wer kann schon sagen, wie lange sie mit den beiden Fettsäcken zu kauen haben?" Auch wenn er sich ziemlich sicher war, dass diese Begegnung nicht friedlich beendet werden konnte und in sofern mit Marlon übereinstimmte, konnte er sich diesen Spruch dennoch nicht verkneifen. Eigentlich hätte sich der Vicomte nicht länger mit den drei schrägen Gestalten beschäftigt und sicherlich nicht dazu herabgelassen den beiden identischen Wirtspaaren geholfen. Aber nach der kleinen Drohung, die Marlon am Ende ausgestoßen hatte, besaßen sie ohnehin die volle Aufmerksamkeit der drei Wahnsinnigen. Außerdem hatten sie ihm den Appetit verdorben, dadurch wurde das ganze persönlich! Die Hand hatte er ohnehin schon am Griff seiner Waffe, seit der Anführer der Kannibalen seinen Absichten klar gemacht hatte, einen besonderen Leckerbissen zu verzehren. Wirklich beeindruckt war der Weißhaarige ohnehin nicht von den Dreien. Sie sahen widerlich aus, soviel war sicher, aber dieses Aussehen, dass auf normale Bürger so abschreckend und einschüchternd wirkte, hatte keine Wirkung auf jemanden, der jahrelang in den Gruben von Lalivero gelebt und gekämpft hatte. Im Grunde waren diejenigen, die sich die meiste Mühe machten, tough zu wirken, die geringsten Bedrohungen.

Das ihre grausige Aufmachung nur die Wirte verunsicherte, aber die drei anderen Gäste fast vollkommen kalt lies, schien keiner der Kannibalen realisiert zu haben. Die Drohung von Marlon hatte nicht viel mehr bewirkt, als den mit den Händen am Gürtel zu einer durchgeknallten Lachtirade zu verleiten. Das und die allgemeine Aufmerksamkeit von den Gasthofbetreibern abzulenken. Der liedlose Anführer zog mit schleimigen Röcheln Luft ein, während er sich langsam dem Tisch im Zentrum des Raums näherte, seine Spießgesellen direkt im Nacken. „Es gibt nur einen Grund zu töten und der ist für das Fleisch! Das Fleisch macht uns stark, stärker!“ Er zischte leise und leckte sich mit der unnatürlich langen Zunge über die Narben, an denen früher einmal die Lippen hingen. Im Hintergrund gackerte die dritte und geistig labilste immer wieder „Fleisch ist Macht.“ Irgendwie nagte diese Aussage an Lucians Hinterkopf. Irgendwo hatte er diesen Mist schon einmal gehört, er kam aber nicht näher drauf, wo genau! Aber bevor er sich näher mit dieser Frage beschäftigte, wurde er durch etwas anderes abgelenkt. "Hast du mir gerade mein Essen gestohlen?" Aus den Augenwinkeln hatte er eine Bewegung aus Igrains Richtung gesehen und aus irgendeinem Grund war sein Teller nun so gut wie leer. Dabei hatte er kaum etwas selber gegessen. Er hatte zwar eigentlich keinen Hunger mehr, aber hier ging es ums Prinzip!

Das der Anführer der Fleischfresser soeben das Interesse seiner vermeintlichen Beute verloren hatte, schien ihm überhaupt nicht zuzusagen. Teiles des vernarbten Gesichts begannen zu zucken, aber mit der Menge an fehlenden oder verstümmelten Gesichtspartien, war seine Mimik in einem dauerhaften Zustand eingefroren. „Ich will den Schwätzer“ meinte er mit einem Grollen seiner Kehle und schob sich ein Paar Stachelschlagringe über die Finger. Darauf antwortete der Gliedmaßensammler sofort mit „Die Frau hat soooo schöne Hände, ich will sie ihr von den Armen kauen!“ Zur Untermauerung seiner Absichten biss er mehrmals kräftig in die Luft, während er ein kurzes Messer mit gezackter Klinge zog. Der dritte hatte folglich fast schon keine andere Wahl mehr als Marlon, aber das schien ihn nicht weiter weiter zu stören. Stattdessen löste er eine Eisenkette von seinem Gürtel und lies das Ende mehrfach durch die Luft sirren, während er zwischen Kicheranfällen immer wieder „Fleisch“ in einer anderen Sing-Sang-Form sagte. Sie fächerten leicht auf, so dass jeder das Ziel seiner Begierde von hinten angreifen konnte, ohne die anderen zu beeinträchtigen.

"Du hättest ja wenigsten Fragen können, dass ist einfach eine Sache der Hö..." Da er sich in dem Augenblick voll auf Igraine konzentrierte, bemerkte er nicht, was in seinem Rücken abgesprochen wurde. Der Lidlose begrüßte die Unachtsamkeit seines Gegners und holte von hinten zum Schlag aus. Der letzte Blick der jungen Frau irritierte Lucian zwar kurz, war aber nicht genug Warnung für den Adeligen. Eine Sekunde später kam der Aufprall. Die Stacheln bohrten sich in Lucians rücken und die Wucht des Hiebes lies ihn fast auf die Tischplatte knallen. Der Kannibale mit dem verstümmelten Gesicht hätte gegrinst, wenn er es gekonnt hätte, aber mit dem was danach passierte, hätte es ihm das Grinsen eh verschlagen. Nachdem die Überraschung vorüber war, drehte Lucian sich langsam um, dabei umklammerte er das Handgelenk des Arms, dessen Hand noch immer seinen Rücken berührte. "Ich war gerade mitten in einer Unterhaltung," sagte er leise und viel zu ruhig für seine temperamentvolle Art. Das konnte nichts gutes bedeuten ...
 
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Marlon musste ein Augenrollen unterdrücken, als die drei Fleischfresser, so nannte er die Bande innerlich, begannen, die Luster unter sich aufzuteilen wie Beute. Nicht dass er mit der Geschmacklosigkeit dieses Unterfangens ein Problem gehabt hätte, aber es war einfach so ineffizient. Nicht reden - angreifen! Aber immerhin nahmen die drei Marlon und den Lustern damit die Arbeit ab, sich umständlich zu koordinieren. Mit der Mine eines Mannes, der eine ungeliebte Aufgabe so schnell wie möglich erledigt haben wollte, zog Marlon seine Wurfklinge und fixierte denjenigen der Fleischfresser, der ihn zu seinem Opfer bestimmt hatte. Er kämpfte anscheinend mit der Kette, die er von seinem Gürtel löste, sie erinnerte den Mafiosi ein wenig an einen Fleischerhaken. Metzger und Köche benutzten solche Möglichkeiten zur Aufbewahrung von Fleisch manchmal und daher war Marlon durchaus mit ihnen vertraut. Wenn auch nicht unbedingt in der Form, in der dieser hässliche Geselle sie benutzte.

"Fleisch. Fleisch. Fleisch~" krächzte Marlons Gegner, während er seine Kette wild kreisen ließ was ein helles, sirrendes Geräusch erzeugte. Der Koch verengte die Augen und knickte leicht die Beine ein, um rechtzeitig reagieren zu können. Keine Sekunde zu früh. Mit einem lauten "KRACH" schlug der Fleischerhaken im Boden ein, genau da, wo eine Sekunde zuvor noch Marlon gestanden hatte. Gerade noch rechtzeitig hatte sich der Ex-Mafiosi mit einer gewagten Hechtrolle zur Seite retten können. Jetzt stand er bereits wieder aufrecht und ließ seine Wurfklinge einmal in der Hand kreisen. Er mochte ruhig aussehen, doch innerlich arbeitete sein Verstand auf Hochtouren. Er hatte genau einen Wurf, um es zu beenden, denn ohne seine Waffe würde er diesem Typen schutzlos ausgeliefert sein wie ein Ferkel auf einer Schlachtbank. Eine Metapher, die durch den Fleischerhaken und das Getue seines Gegners noch mehr an Brenzligkeit gewann. "Fleisch, Fleisch, gib mir dein Fleisch, Fleisch das macht mich staaaaark~" Obwohl sein Gegner so aussah registrierte Marlon, dass er nicht dumm war. Er nutzte die Reichweite seiner Waffe, um den Koch auf Distanz zu halten und griff nicht einfach nur wild an. Ihn in die richtige Position für einen günstigen Wurf zu bekommen würde schwierig werden.. aber nicht unmöglich. Zuerst einmal musste Marlon ihn jedoch dazu kriegen, einen Fehler zu machen. Und er hatte bereits eine Idee. "Na komm schon, hol' dir dein Fleisch. Oder bist du sogar dazu zu dumm?" Sein Gegner setzte kurz aus, kratzte sich sogar am Kopf. Solche Gegenwehr war er von seinen Opfern nicht gewohnt. Normalerweise schrien sie immer nur so etwas wie "nein, bitte nicht" oder "Oh Gott, ich will nicht sterben!", aber Beleidigungen waren bisher noch nicht vorgekommen. "...hö?" Marlon knirschte mit den Zähnen. Das würde ein hartes Stück Arbeit werden.

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Igraine

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Igraine mochte es halt nicht, wenn man Nahrungsmittel verschwendete, also sah sie sich nicht in der Schuld, was den Mundraub anging. Hätte sie diesen vielleicht ein wenig drastischen Schritt nicht getan, wäre das leckere Essen vergammelt, denn sie hätten bestimmt keinen ruhigen Augenblick mehr gehabt, ihre Mahlzeit zu vollenden, hätte sie das bei der ihren nicht forciert. Zum Fragen war Lucian zu abgelenkt gewesen, fand sie, außerdem hatte er seine Anspruch kurz zuvor aufgegeben, also hatte sie ganz eindeutig nichts Falsches getan. Mal ganz davon abgesehen hatte sie irgendwie gehofft, dass das Weißhaar den spontanen Diebstahl gar nicht bemerken würde, weil diese Neuankömmlinge doch Aufsehen erregend genug waren, damit man sich mit ihnen beschäftigte, oder? Leider hatte das nicht ganz hingehauen, aber was sollte es... der Speck war in ihrem Magen und damit weitestgehend sicher. Außerdem hatte Lucian überhaupt keine Zeit, sich großartig zu ärgern, weil ihn nämlich eine Eisenkeule in der Mitte seines Satzes unangenehm unterbrach. Igraines Miene verzog sich wahrscheinlich mehr als diejenige des Getroffenen, so sehr, dass die Theatralik überdeutlich wurde. "Autsch...", meinte sie mit geradezu mitleidiger Stimme - ehe sie sich zur Seite fallen ließ und den Stuhl zwischen ihren Beinen klemmend mitriss. Bis drei konnte man auch mit einem halben Auge noch zählen und da einer gefehlt hatte, gab es nur einen Ort, wo er gewesen sein konnte - wenn man die Toilette als Alternative ausschloss.

Ein dumpfer Aufprall wenige Augenblicke später kündete von einer sich in die Tischplatte bohrenden Klinge, doch Igraine vergewisserte sich dessen nicht. Statt weitere Zeit zu verschwenden, nutzte sie den Sekundenbruchteil, den der Handlanger zur Wiederbeschaffung seiner Waffe benötigte, um ihre Beine anzuziehen und ihm den Stuhl - Beine voraus - entgegen zu treten. Wegen des für sie vorteilhaften Winkels traf dieser zwar nicht im Kopf-, aber immerhin im Schrittbereich und gab ihr Zeit, sich mit einer Rückwärtsrolle wieder auf die Füße zu bewegen. Leider blieb die von ihr erwartete Wirkung aus, was entweder bedeuten konnte, dass sie schlecht getroffen hatte oder, dass dieser Mann gar kein solcher mehr war. Beides war durchaus möglich, da sie keine Zeit zum Zielen gehabt hatte und der Kerl wahrscheinlich vollständig wahnsinnig war. Dafür gab es immerhin handfeste Beweise. Igraine blies sich eine Strähne schwarzen Haars aus dem Gesicht und ließ die Arme locker an ihrem Körper herabhängen. Im Gegensatz zu dem Kerl, der wahrscheinlich demnächst von Lucian gehäutet werden würde (wobei, unter Umständen würde ihm das ja gefallen...), hatte ihr Gegner leider eine handlichere Waffe in seiner Pranke. Kurz kam Igraine nicht umhin, sich ein wenig darüber zu ärgern, wie verschmiert das Messer war, doch sie riss sich sofort wieder los, denn sonst würde der Kerl freie Hand haben, sie anzugreifen. Er mochte nicht besonders clever sein und wahrscheinlich nicht fähig, eine von langer Hand geplante Strategie auszuführen, aber es war nicht von der Hand zu weisen, dass reflexartige Spontanität manchmal viel tödlicher als das war.

"Gib mir deine Hände~ Komm schon, ich werde mich gut um sie kümmern...!" Der gelbliche Augenhintergrund des Mannes wirkte wirklich ziemlich krankhaft, diesen Schluss wagte Igraine auch, ohne einen Arzt zur Hand zu haben. Sie musterte ihn kurz, das beinahe angegammelt wirkende Gesicht, die vernarbte, unreine Haut und die aufgeplatzten und aufgebissenen Lippen. "Du solltest besser im Handumdrehen zum nächsten Arzt, mein Lieber.", erwiderte sie mit zuckersüßem Unterton, "Und sei doch so gut und putz' beim Warten deine Waffe, ja?" Ihre eigene baumelte nur eine Hand breit von ihrer Brust entfernt in ihrer Jacke, sollte sie auf die Idee kommen, sich auf einen Messerkampf mit dem Stinkstiefel einzulassen - was sie nicht tun würde, immerhin gab es ja noch eine Hand voll anderer Waffen in ihren Taschen, die sich nur nach einem Praxistest sehnten. Der Kannibale jedenfalls schien nicht so ganz zu registrieren, was sie da gerade gesagt hatte oder er ignorierte es gekonnt. Ein Grinsen spaltete seine Lippen, das mehr wie ein Läfzenheben wirkte - und dann stürzte er vor.
 

Lucian

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Noch immer das Handgelenk seines Gegners festhaltend, rückte Lucian seinen Stuhl zurück und stand langsam auf. Das Narbengesicht sah nur sprachlos zu, viel zu überrascht, dass sein Schlag nicht nur nicht gereicht hatte, den Gegner auszuschalten, sondern nicht einmal Eindruck geschunden zu haben schien. Für einen Augenblick fragte der Anführer der Kannibalen sich sogar, ob der Weißhaarige eine Rüstung oder Körperpanzerung unter seiner weiten, weißen Robe trug. Dem war natürlich nicht so. Der Fausthieb mit den Stachelschlagringen hatte gesessen und die Metalspitzen hatten sich durch den dünnen Kimono direkt in die Haut gebohrt. Vier dünne, blutige Linien liefen den Rücken des Adeligen herunter und ruinierten den weißen Seidenstoff – mal wieder. Auch an der Waffe hafteten einige Tropfen, die den Treffer bestätigten. Die Sache war nur einfach, nach dem, was Lucian auf Monte Gomero und Steam erlebt hatte, war so ein einfacher Fausthieb von jemanden, der offenbar nicht besonders viel drauf hatte, nichts beeindruckendes mehr. Es tat weh, aber mit Schmerzen kannte er sich seit Jahrzehnten aus. Wofür der Überraschungsangriff jedoch gesorgt hatte, war eine drastische Verschlechterung von Lucians Laune. Oder um es genauer zu sagen; Der Adelige war angepisst!

Gerade als Lucian endlich aufrecht stand und seinen Gegner in die Augen sah, überwand dieser seine Starre und versuchte mit der anderen Faust zuzuschlagen. Doch bevor die Stacheln sich in sein Gesicht bohren konnten, ergriff der Vicomte auch den anderen Arm des Kannibalen. Beide Hände wie Eisenschellen um die Handgelenke seines Feindes klammernd, starrte Lucian einen Moment lang nur starr in die pissgelben Augen des Lidlosen, der mit aller Macht versuchte, seine Arme zu befreien und mit der Situation vollkommen überfordert zu sein schien. Wenn er sich im Raum umgesehen hätte, wäre ihm aufgefallen, dass es seinen Kameraden nicht anders ging. Dass man sich ihnen dermaßen entgegensetzte, waren die Fleischräuber absolut nicht gewöhnt. Schließlich hatte Lucian genug und legte den Kopf in den Nacken. Dann lies er ihn rasant nach vorne schnellen und mit einem dumpfen Aufprall traf Stirn auf Stirn. Während der Kannibale leicht nach hinten taumelte, lies Lucian ihn los und verpasste dem vom Täter zum Opfer gewordenen Monster einen Tritt in die Magengegend. "Schwache Vorstellung von einem kranken Bastard," kommentierte Lucian die bisherige Leistung herablassend und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Er schätzte den Kerl mit dem verstümmelten Gesicht kaum stärker ein, als einen typischen Marinesoldaten und von denen hatte er inzwischen mehr als genug ausgeschalten.

Mit zorniger Miene – soweit man dieses Gefühl ohne Lippen und Augenlidern darstellen konnte – zwang der Anführer der Kannibalen sich wieder auf die Beine. „Schwächlinge wie dich FRESSE ich zum Frühstück!“ Dieser Wutausbruch wurde von einer gehörigen Menge Speichel begleitet, was Lucian tatsächlich ein wenig zurückweichen lies. Jedoch nicht aus Angst vor dem Individuum an sich, sondern davor, sich irgend etwas einzufangen, wenn er zuviel Blut oder Sabber abbekam. Eines musste man dem Lidlosen immerhin zugestehen, er gab sich nicht einfach geschlagen. Stattdessen warf er sich sofort wieder auf seinen Gegner und schlug mit beiden Fäusten zu. Lucian machte einen weiteren Schritt zurück um der ersten Attacke auszuweichen und zog anschließend Mangetsu blank. Eine Hand am Griff, die andere um die stumpfe Seite des Klingenendes geklammert, nutzte er den Stahl um die plumpen, aber mehr als kraftvollen Fausthiebe abzulenken, die immer schneller und heftiger auf ihn zuflogen. 'Vielleicht war der Kerl doch etwas stärker als ein normaler Marinesoldat,' dachte er stumm, als der Kannibale sich mit weit aufgerissenem Maul auf ihn stürzte. Aber auf so eine Blöße hatte der Vicomte nur gewartet. In einer fließenden Bewegung wich er dem Biss aus und wirbelte das Shirasaya in einem weiten Bogen über den den eigenen Kopf und mit viel Schwung wieder nach unten. Die Klinge traf den verdutzten Fleischräuber direkt ins Schlüsselbein und bohrte sich tief in den Oberkörper. Blut spritzte aus der grässlichen Wunde und aus dem kurzen Schmerzensschrei wurde schnell ein gurgeln. „Meat ... Rai ... Mons ...,“ war alles, was er noch hervor bekam, ehe er schließlich tot da lag.

Ohne Mitleid wischte Lucian das Blut an seiner Klinge an der schmutzigen Kleidung des toten ab. Der Mistkerl mit dem abartig verstümmelten Gesicht war vielleicht stärker als ein normaler Soldat gewesen, aber immerhin hatte Lucian inzwischen schon gegen mehrere Kapitäne gekämpft. Dagegen war so jemand eine Entspannungsübung. Dummerweise nagte das, was der Bastard alles gequatscht hatte, noch immer an seinem Gedächtnis. Besonders das letzte, was er versucht hatte zu murmeln. Ein wenig wünschte der Vicomte sich tatsächlich, dass er den Kerl am Leben gelassen hätte, zumindest fürs erste. Aber da konnte man nicht mehr viel machen. Stattdessen wandte er seine Aufmerksamkeit seinen beiden Kumpanen zu. "Hat einer von euch seinen Gegner zufällig am Leben gelassen?" Das war das schöne daran, mehr als einen Gegner zu haben. Man hatte immer Ersatz, wenn einer starb.
 
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"He, Großer, ich rede mit dir! Hat dein Kapitän dich auf 'ner Farm aufgelesen oder warum siehst du aus wie ein Schwein?" Normalerweise zog Marlon etwas.. gewähltere Beleidigungen vor, doch mittlerweile hatte er begriffen, dass solche für den Quadratschädel, gegen den er kämpfte, eine Nummer zu groß waren. Eine Beleidigung war nur dann eine, wenn das Gegenüber sie verstand und das war in diesem Fall eindeutig nicht gegeben. Doch so langsam schien dem grobschlächtigen Kämpfer zumindest klar zu werden, dass der geschniegelte Koch ihn beleidigte und das nahezu unausgesetzt. "Das Fleisch ist aber nicht sehr nett", grummelte er, eine leichte Zornesader pulsierte auf seiner Stirn. Marlon erkannte seine Chance. Die letzten paar Minuten hatte er nur damit zugebracht, den Attacken seines Gegners auszuweichen, um ihn herum zu tänzeln und ihn zu beleidigen und er spürte, wie sein Atem langsam nachließ. Und, was noch schlimmer war, seine Konzentration. Im Gentle Throw Kampfstil waren oftmals nur wenige Augenblicke der richtige Zeitpunkt, um zu handeln, und wenn Marlon diese wenigen kritischen Sekunden versäumte, dann war es um ihn geschehen. Zwei Mal schon waren Haken und Kette seines Gegners nur haarscharf an dem ehemaligen Mafiosi vorbei gerasselt, einmal hatte die plötzlich umherpeitschende Kette ihn sogar hart an der Wange getroffen, wo sich nun ein rötlicher Fleck bildete. Obwohl er noch keinen einzigen Angriff getätigt hatte, rann Marlon der Schweiß aus den Poren und er musste regelmäßig seine Wurfklinge von der einen in die andere Hand wechseln, damit der Griff nicht zu verschwitzt wurde. Keine günstige Ausganssituation. Doch er gab nicht auf. Damals auf Monte Gomero hatte er Lucian geschworen, ihm bis zum Tode die Treue zu halten und wie könnte er solch einen Schwur ernstlich in die Tat umsetzen, wenn er hier an einem etwas zu groß geratenen Fleischergesellen scheiterte?

"Komm schon, Großer, hol' mich endlich! Ich warte nur drauf dass du mich schlachtest und verspeist! Oder willst du lieber einen knackigen Salat? Ich könnte dir einen vorbereiten. Salat ist auch gut für's Hirn und das könntest du wirklich brauchen, du hässlicher, blöder..." "RRRAAAAARGH!" Jetzt schien Marlons Gegner endlich begriffen zu haben, was hier gespielt wurde. Die Zornesader auf seiner Stirn hatte zahlreiche Gefolgsleute bekommen, jede einzelne davon so dick wie einer von Marlons Fingern. Weißer Schaum stand vor dem Mund des Fleischergesellen und mit zornigem Gesichtsausdruck schwang er den Haken quer durch den halben Raum, genau auf Marlon zu... der triumphierend lächelte.
Denn ohne es zu wissen griff ihn der Fleischer genau da an, wo Marlon es die ganze Zeit gewollt hatte. Bisher allerdings hatte der Mafiosi damit gewartet, um den Überraschungsmoment genau so lange zu halten, wie er ihn brauchte. Als Marlon nämlich ein weiteres Mal auswich, wickelte sich die Kette des Flleischerhakens um einen der Stützbalken des Gasthauses und bohrte sich hinein. Genau gleichzeitig warf Marlon seine Klinge und sah zu, wie der Wurfstahl einen wunderschönen Bogen beschrieb, mitten auf das verdutzte Gesicht seines Gegners zu. "Hä? Aber...", brachte dieser grade noch hervor, ehe Marlons Waffe mit einem unappetitlichen Knirschen ihr Ziel traf, genau zwischen seine Augen. Der unförmige Klumpen hässlichen Fleisches schwankte kurz, dann kippte er nach hinten um, wobei er den Tisch auf den er fiel mit seinem bloßen Gewicht zerschmetterte. Marlon unterdessen richtete seine Krawatte, dann ging er zu der Leiche, packte den hervorstehenden Griff seiner Klinge und zog sie mit einem weiteren Schmatzen aus dem Kopf seines Gegners heraus. Er musste dabei seinen rechten Fuß in dessen Schulter rammen, um den notwendigen Halt zu finden, so tief hatte sich die Klinge in Schädel und Hirn gebohrt. "Bis ich das wieder abkriege...", dachte Marlon bei sich, ehe er auf einen weiteren Gedanken kam. "Ich sollte meine Angriffe in Zukunft vielleicht benennen..." Ja, das war etwas, an das er sich einmal setzen musste. Doch fürs Erste sollte er sichergehen, dass sonst niemandem etwas passiert war. Die notdürftig gesäuberte Klinge wieder in das Holster auf seinem Rücken steckend sah Marlon sich in der Kneipe um, um die SItuation abzuschätzen und notfalls einem seiner Crewmitglieder zur Hilfe zu eilen.
 

Igraine

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Je weniger clever ein Gegner war, desto weniger raffiniert musste der eigene Plan sein - das hatte vor allem dann Vorteile, wenn man selbst eigentlich nicht als Kämpfer zu klassifizieren war. Sicherlich hatte Igraine auch schon die eine oder andere Kneipenschlägerei überstanden, aber meist aus dem einfachen Grunde, dass man inmitten eines Krieges aufwachsend lernte, dass die ersten Leichen die mutigsten waren. Es brachte nichts, den Helden zu spielen und unnötiges Herumgefuchtel war wohl eher Energieverschwendung als Hilfe. Wenn man wegrennen oder sich anders einem Konflikt entziehen konnte, war das immer vorzuziehen - und vor allem durfte man keine falsche Scheu haben, im Falle einer unausweichlichen Konfrontation mit unlauteren Mitteln zu kämpfen. Zuerst zuschlagen war wichtig, wenn man es vorhatte und dann am besten gleich dahin, wo es weh tat und so fest man es vermag. Wenn man zum Schlagen zu schwach war, dann tat es auch ein Tritt, ein Fingernagel im Auge oder das Auffahren unverhältnismäßig schwerer Waffen. Manche nannten es mit Kanonen auf Spatzen schießen, aber so ging man immerhin auf Nummer sicher. Ein schlechtes Gewissen durfte man sich erst gar nicht machen, denn wenn die Alternative tödlich für einen selbst ausgehen könnte, war ziemlich alles gerechtfertigt.

Vielleicht hätte sich Igraine also sogar auf eine Schlammschlacht mit dem Kannibalen eingelassen, aber dafür traute sie sich schlicht und ergreifend nicht genug zu. Sie wusste genau, was sie konnte und ihr Gegner machte es ihr wahrlich nicht schwer, ihn zu durchschauen. Normalerweise brauchte sie eine Weile, bis sie die Bewegungsdynamik eines anderen verstanden hatte und ob sie dieser dann auch sofort folgen konnte, war eine ganz andere Geschichte, aber der Mann, der mit weit aufgerissenem Mund und vorgestrecktem Messer auf sie zusetzte, war nicht gerade kompliziert. Igraine tauchte nach links unter der gezackten Klinge hinweg und griff in der leichten Abwärtsbewegung mit sicherer Hand nach einer der Stachelbomben, die sie mit an Land gebracht hatte. Ihre Rechte stemmte sich im Hochfedern gegen den ausgestreckten Ellbogen ihres Angreifers, ehe sie ihm mit der um die Bombe geschlossenen Linken in die Seite schlug. Noch während er zu dem erwarteten wütenden Rückhandschwinger ansetzte, machte sie sich zum Ducken bereit und spürte wenig später seinen Arm knapp über ihrem Kopf hinweg sausen. Nun direkt vor ihm stehend holte sie erneut zum Schlag direkt auf sein Gesicht aus, die Finger der rechten Hand so fest geballt, dass die Knöchel weiß wurden. Der Kannibale sah den Schlag kommen, grinste halb, die Schweinsäuglein direkt auf die herannahende Hand gerichtet, öffnete den Mund, die Zähne gebleckt, ruckte leicht mit dem Kopf zur Seite, um ihre Hand zu erwischen... Igraines linker Daumen fuhr über den kleinen metallenen Haken und ihre Linke schoss vor. Es war wirklich faszinierend, wie weit dieser Kerl den Mund aufbekam, sodass er sogar noch ein wenig Druck aufbauen konnte, ehe er auf die Bombe biss.

Kaum hatte sie ihren Sprengsatz losgelassen, stemmte die Schwarzhaarige beide Fersen in den Boden und sprang nach hinten weg, in Richtung eines der Tische. Zu dem eigentlich geplanten Warnruf kam sie nicht mehr, denn kaum hatte sie sich hinter das Möbelstück geworfen, die Arme über den Kopf gelegt, explodierte die Stachelmine mitten zwischen den Kiefern des Wüstlings. Es war sicherlich kein schöner Anblick, aber Igraine bekam sowieso nur das Rummsen mit, das auf den Aufprall des kopflosen Körpers auf den Boden folgte. Sich ein wenig Staub von der Kleidung streichend, stand die Dunkelhaarige auf und schlenderte zu der leicht lädierten Leiche hinüber. Sie ging in die Hocke und inspizierte, was der Mann alles bei sich gehabt hatte, wobei die eine oder andere Sache in ihrem eigenen Inventar verschwand. Es wäre Verschwendung, das hier einfach liegen zu lassen! "Ich fürchte der hier ist jetzt überhaupt nicht mehr zu sinnvoller Artikulation fähig.", antwortete sie auf Lucians Frage. Sie konnte es sich nicht leisten, Feinde am Leben zu lassen - ihre Fähigkeiten waren nicht darauf ausgelegt. Sie baute Waffen, die töteten, nicht solche, deren Träger diesen Job übernahm.
 

Lucian

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Kaum war die Frage raus, ertönte eine kleine Explosion im Raum, nicht laut genug um die Ohren klingeln zu lassen, aber stark genug, um ihn kurz zusammenzucken zulassen. Eine Sekunde später ging ein feiner, roter Niesel runter, dankenswerterweise aber weit genug entfernt, dass seine weiße Kleidung nicht noch mehr rot erhielt. Der Ursprung war schnell gefunden, ein kopfloser Leichnam. Vom Schädel war weit und breit nichts zusehen. Mit einem Stirnrunzeln sah sich Lucien im Raum um. Da hatten wir den Schädellosen, der den Boden und die Decke unter und über sich mit den Überresten seines Schädelinhalts besprenkelt hatte, einen Angreifer mit halb gespaltenen Schädel, der in einem Trümmerhaufen aus zerstörtem Mobiliar lag und natürlich der Anführer der Kannibalen, der einen gewaltigen Spalt in seinem Oberkörper hatte. Vorsichtig machte der Vicomte ein paar Schritte zurück, um nicht direkt in einer der vielen Blutpfützen zustehen, was vor allem dadurch unangenehm wurde, dass er keine Schuhe trug, dafür aber Bandagen, die sich schnell voll saugten. Er räusperte sich leise und sah von Marlon zu Igraine, die beide unverletzt schienen. "Eindeutig nicht." Er zuckte mit den Schultern und schob sein Schwert wieder in die Hülle. "Was soll’s." Obwohl er sich locker gab, machte er ein paar Schritte um die größten Blutpfuhle herum und ging neben dem Lidlosen in die Hocke. Durch die Verstümmelung seines Gesichts war es unmöglich zu sagen, wie der Kannibale früher einmal ausgesehen hatte, aber trotzdem war sich Lucian sicher, dass er ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Mit einer Hand drehte er den Kopf leicht herum, um sich das ausmaß der Verstümmellungen besser ansehen zu können. Auch wenn er diesen Mann nicht kannte, so war ihm seine Art und vor allem was er sagte, doch äußerst bekannt vorgekommen. Nur das erinnern an WEN fiel ihm schwer. "Was soll’s," sagte er noch mal und lies von der Leiche ab.

Mit einem abwesenden Ausdruck sah Lucian zu den Wirtsleuten, die sich alle vier in einer Ecke des Raums zusammengekauert hatten. Interessanterweise wirkten die Männer verstörter als die Frauen, aber zumindest waren die Gesichter nun wieder vollkommen synchron. Fast hätte er sie bemitleidet. Große Teile der Einrichtung zerstört, Blut und andere Körperreste überall und natürlich drei Leichen im Wirtsraum. Das zu säubern wäre eine wirklich unangenehme Arbeit. Aber im Grunde war sich der Vicomte nicht einmal sicher, ob er nach dem, was soeben passiert war, noch Zeugen leben lassen wollte. Im besten Fall würde er dadurch einen Ruf als Antiheld kriegen, etwas das er zutiefst verachtete. Im schlimmsten Fall würden noch mehr Augen auf ihn aufmerksam werden, als es bisher der Fall war und darauf konnte er ebenfalls verzichten. Aber wenn die vier sterben würden, dann wären sie nur Kollateralschäden ... Mit einem Seufzer ging Lucian zu den Wirten, die zusammenzuckten, als die Aufmerksamkeit plötzlich auf sie schwenkte. Einen Augenblick lang sah es aus, als würde er sie tatsächlich umbringen wollen, doch dann hob er nur einen Finger vor die Lippen und machte „pssst“. "Die Spiegelspiegeleier waren sehr schmackhaft. Seht euer Leben als Zeche mit Trinkgeld. Wenn ihr jedoch von dieser kleinen Eskapade sprechen solltet ... " Jetzt fuhr er sich mit dem Finger über den Hals.

Ohne ein weiteres Wort wandte er sich von den armen Augenzeugen ab und richtete mit einem Ruck seinen Kimono, der in dem kleinen Geplänkel verrutscht war. "Wir gehen," sagte er in Richtung seiner Gefolgsleute und verließ dann mit großen Schritten den Schankraum. Kaum war er draußen an der frischen Luft, wurde ihm bewusst wie unangenehm es inzwischen im inneren Roch. Erst als die Tür wieder ins Schloss fiel, begann er zu reden. "Würdet ihr sagen, ich war zu gütig?" fragte er kalt und war sich sicher, das zumindest Marlon wenig Skrupel hätte, noch einmal reinzugehen. Mit geschlossenen Augen strich sich der junge Mann durch die langen, weißen Haare. Auf diese Episode hätte er durchaus verzichten können. Dabei wollte er doch nur etwas essen. Wieso wollte das Universum nicht, dass er unerkannt blieb? Oder das ein Teil seines Masterplans ohne Umstände aufging? "Ich schwöre es euch, wenn ich in der nächsten Siedlung keine Soldaten kriege, dann werde ich sie eigenhändig niederbrennen, nur um meinen Frust abzubauen." Selbstverständlich meinte er das nicht ernst, aber es war beruhigend die Worte zu sagen. Damit machte er sich dann aber auch auf den Weg, weg von diesem verdammten Wirtshaus. Wenn es so weiter ging, würden sie immerhin in einer Stunde oder so im nächsten Dorf sein.
 
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Lucian reagierte schnell, gefasst und vor allem vollkommen nachvollziehbar. So sehr Marlon auch die Besitzer dieses Gasthauses bemitleidete, so sehr konnte er doch verstehen, warum der weißhaarige Vicomte diese Herangehensweise wählte. Jede Geschichte über sie, egal wie exaggeriert sie später auch weitererzählt wurde, gab Aufschluss über ihre Fähigkeiten, ihren Kampfstil und vor allem ihre Dynamik untereinander, wenn man es verstand, Wahrheit von Übertreibung und Schönfärberei von Tatsachen zu trennen. Und sie würden sich mit ihrem Vorgehen sicherlich noch mehr als genug Feinde machen, da galt es, ein niedriges Profil zu wahren. Jedenfalls im Moment. Wie hatte sein Don einmal gesagt? "Wenn wir zuschlagen, dann tun wir es genau so, wie wir es wollen. Die Geschichten, die über uns erzählt werden, sollen von uns gemacht werden und niemandem sonst. Nur das, was wir unseren Gegner wissen lassen wollen, darf an die Öffentlichkeit kommen. Alles andere wäre auf lange Sicht unser sicherer Tod."

Klare Worte, fand Marlon, und vor allem angemessen für die aktuelle Situation. Insofern schüttelte er nur bedächtig den Kopf, als Lucian fragte, ob seine Reaktion gerade zu gütig gewesen war. "Ich denke, du hast richtig gehandelt. Leichen sind Beweisstücke und erzählen oft mehr, als Lebende, die einfach zu viel Angst haben, um es zu tun. Selbst wenn wir sie beseitigen." Der Koch klang wie immer vollkommen sachlich, während er diese durchaus schrecklichen DInge von sich gab und vielleicht wegen der Tatsache, dass die Luster gerade gegen solche Monster gekämpft hatten, wurde es ihm selber zum ersten Mal seit längerer Zeit wirklich bewusst. Aber es gab einen Unterschied zwischen ihm und diesen toten Mistkerlen: Er war ein Profi. Er hatte Standards. Manieren zum Beispiel. Höflich bleiben. Professionell sein. Einen Plan dafür zu haben, jeden den man traf notfalls zu töten. Das waren die Maximen, nach denen er lebte. Menschen zu töten war manchmal vielleicht eine Notwendigkeit, doch nie eine Quelle des Vergnügens oder der Freude. Oder gar anderer Dinge. Es war wie das Schlachten von Tieren: Es diente letzten Endes nur einem wichtigen Zweck und dieser Zweck rechtfertigte eben manchmal auch äußerst rabiate Mittel.

"Ich schwöre es euch, wenn ich in der nächsten Siedlung keine Soldaten kriege, dann werde ich sie eigenhändig niederbrennen, nur um meinen Frust abzubauen", schnaubte Lucian, er klang wütend und frustriert zugleich. Marlon überlegte kurz, dann aber rückte er seine Krawatte gerade und strich sich durch die Haare. Manchmal musste ein Ratgeber und Leibwächter eben auch unbequeme Wahrheiten äußern. "Sag das bloß niemandem dort, den du anheuern wollen würdest. Wenn du deine Gefühle so offen ausspielst, machst du dich nur angreifbar. Ich war zwar nie Söldner, aber ich kenne mich damit aus, meine Talente an starke Männer zu verkaufen und glaub mir, wenn du ihnen zeigst wie verzweifelt du sie brauchst, treibt das den Preis ungeheuer in die Höhe." Natürlich, Marlon wusste, wovon er sprach. Er war immerhin Profi.
 

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Einen Moment stand die schwarzhaarige Frau einfach neben den beiden Herren und blickte ein wenig glasig in die Ferne. Es war schwer festzustellen, ob sie überhaupt zugehört hatte, och als Marlon endete, blinzelte sie zweimal und schien sich wieder auf das Geschehen zu fokussieren. Ja... nein, Igraine konnte Marlon nicht zustimmen. Sicherlich würde sie sich nicht für die Tötung dieser Leute aussprechen, aber sie bezweifelte, dass es sicherer war, sie am Leben zu lassen. Sie selbst hätte es nicht darauf ankommen lassen und den Kannibalen einfach das Personal der Wirtshäuser überlassen, um die Kurve zu kratzen, insofern hätte sich ihr diese Frage nicht gestellt. Ihre Prioritäten waren allerdings auch auf ganz andere Weise verteilt als zum Beispiel Lucians. Selbst wenn der junge Mann momentan noch relativ unter der Hand handelte, so würde sich das bestimmt noch ändern, weil er durchaus ein gewisses Ego zu besitzen schien. Ein solches war sicherlich in manchen Augenblicken angenehm, aber sie selbst empfand es mehr als störend. Sicherlich definierte es einen Menschen und war somit mitverantwortlich für die Formung eines besonderen Charakters, aber es hatte auch große Nachteile. Sie selbst brauchte niemanden, der sie anerkannte, also hätte sie sich weggeschlichen, sodass es nichts gab, worüber man erzählen konnte. Sie strich sich eine Strähne pechschwarzen Haars aus dem Gesicht und blickte Marlon ein wenig abwesend an, ehe sie die Hände in die Taschen steckte und sich in Richtung Horizont wandte. "Dem Ängstlichen ist es egal, wer die Klinge führt.", meinte sie schließlich und zuckte mit den Schultern. *Du wärst ein Narr anzunehmen, dass Menschen schweigen würden, wenn man sie nur eindringlich genug fragt. Jeder Mensch kann nur ein gewisses Pensum Druck aushalten und wenn er keine vernünftige Motivation hat, das zu tun, wird er es sich nicht antun.* Die einzige Vergewisserung wäre, sicherzustellen, dass keine Nachricht von dem Kampf im Wirtshaus nach außen drang, nicht einmal die Tatsache, dass es dort zu Verwüstungen gekommen war. Irgendjemand würde das reparieren müssen und da es sich bei Symmetria um keine besonders große Insel handelte, würde es nicht lange dauern, bis zumindest Gerüchte im Umlauf waren. Waren diese erst einmal gesät, würde ein nach ihnen Suchender einfach nur anfragen müssen und die Sache hätte sich erledigt.

Allerdings hatte sie damit weniger Probleme, als man annehmen könnte. Die Erfahrung sagte ihr, dass sie die letzte sein würde, an die man sich erinnerte, selbst wenn sie den Kopf ihres Gegners in die Luft gejagt hatte. Es war viel wahrscheinlicher, dass man Marlon im Gedächtnis behalten würde, wie er den dreien gedroht hatte oder Lucian, der seinen Gegner mit roher Körperkraft gespalten und anschließend sicherlich alptraumhaften Eindruck auf die Belegschaft gemacht hatte. Außerdem war sie nicht allzu böswillig, also sparte sie den Part mit den schweigenden Toten aus. Ihr Blick huschte kurz zu Lucian hinüber und ein zartes Lächeln kräuselte ihre Lippen. Das war eine sehr kindliche Einstellung, die er da an den Tag legte, doch das würde sie ihm jetzt nicht unter die Nase reiben. Um einen anderen Punkt würde sie jedoch nicht drum herum kommen, fürchtete sie. "Wirf besser nicht so inflationär mit Schwüren herum, sonst verlieren sie ihren Wert." Sie ging tatsächlich nicht davon aus, dass Lucian wirklich das Dorf anzünden würde, wenn er nicht bekam, was er wollte, denn das wäre vollkommen bescheuert. Es wäre vor allem schade um die Natur, aber das wäre wohl zu verkraften. Es war mehr die Tatsache, dass das nun wirklich jeder davon Wind bekam, was sie hier taten und momentan waren sie immerhin nur zu dritt, dass musste man sich ständig vorhalten. Lucian war zu verletzlich für solche Aktionen und Igraine hielt ihn eigentlich für clever genug, das zu wissen. Sie selbst drohte allerdings auch nicht leer, was effektiv dazu führte, dass sie es selten genug überhaupt tat.
 

Lucian

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Zähneknirschend blieb Lucian stehen und drehte sich noch einmal zu Marlon herum. Zuerst war er sich nicht sicher, ob der Blondschopf seine letzten Sätze ernst gemeint hatte oder sich einen Spaß mit ihm erlaubte. Er öffnete den Mund um etwas zu erwidern, in der Richtung ’Was, ist Sarkasmus ein Fremdwort für dich?’, hielt dann jedoch inne. Die Art, auf der Marlon ernst drein blickte und dabei trotzdem eine respektvolle Haltung inne hatte ... der Kerl meinte es nicht nur ernst, sondern auch noch gut. Das war ja fast schon widerlich. Mit einem Abschätzigen Blick leckte der Vicomte sich über die Lippen. "Es ist ja nicht so, als ob ich sie im Endeffekt überhaupt bezahlen würde," meinte er stattdessen und drehte sich wieder um. Wenn man ganz genau war, dann wäre er dazu nicht einmal in der Lage, denn er besaß kaum noch Reserven aus dem Safe der Yacht. Und was seine Begleiter anging, so bezweifelte er bei beiden, dass sie besonders viel Bargeld hatten. Immerhin war Marlon mit ihm zusammen eingesperrt gewesen und Igraine ... "Wirf besser nicht so inflationär mit Schwüren herum, sonst verlieren sie ihren Wert." ... wählte genau diesen Augenblick, um weiter in der Wunde zubohren, die Marlon eben geschlagen hatte. Erneut blieb er stehen, drehte sich dieses mal allerdings nicht um. Seine Kiefer waren nun schmerzhaft hart aufeinander gepresst. Benötigte er tatsächlich ein Sarkasmus-Schild? War es so schwer, seine ernstgemeinten Worte und sein Wutablassen auseinander zu halten!? Dann jedoch drangen die Worte der Bombenbastlerin etwas tiefer. Was genau war ein Schwur denn wert? In seinem Leben hat man ihm schon soviel geschworen und das meiste davon sehr schnell gebrochen. Und er selbst? Er hatte in seinem Leben nur ein einziges mal wirklich etwas geschworen. Vor seinem geistigen Auge entstand das Bild eines neunjährigen Jungen, der vor einer hübschen Frau mit violettem, fast schwarzen, Haaren kniete und ihr und ihrer Tochter einen Treueeid schwor. Ich schwöre Monte Gomero vor allen Gefahren von außen zu beschützen und mit meinem Leben die Prinzessin zu bewachen. Die Worte hallten in seinen Ohren wieder. Mit einem seufzen entspannte sich Lucian. Er kannte nur einen Mann, der immer sein Wort hielt und das war nicht er selbst. "Ein Schwur hat nicht den geringsten Wert. Ich hätte gedacht, das du das weißt." Für seine Verhältnisse sagte Lucian das ungewöhnlich ruhig, viel zu sachlich für die Reaktion die er hatte, nachdem er das Gasthaus verlassen hatte. Damit lief er weiter, zu tief in Gedanken versunken, um sich noch um Marlon oder Igraine zu kümmern.

Der Weg nach Dorf 2 war vom Gasthaus aus gesehen, genau so lang wie der, den sie von Dorf 3 bis dorthin zurück gelegt hatten. Trotzdem kam es Lucian viel schneller vor als zuvor, vielleicht weil er innerlich zu abgelenkt war. Es wurde Zeit, dass sie ankamen und er seine Konzentration auf etwas anderes richtigen konnte! Als der symmetrische Wald sich aber endlich lichtete und die ersten Gebäude am Horizont zu erkennen waren, blieb Lucian stehen. "Das Gefällt mir nicht." Dicke Rauchwolken stiegen aus dem Dorf auf, für einen einfachen Brand waren die Rauchwolken aber zu weit auseinander. Mit einem mal machten die drei seltsamen Kannibalen viel mehr Sinn. Wenn er raten müsste, würde Lucian mit großer Sicherheit darauf tippen, dass die Drei teil einer großen Mannschaft waren und vielleicht als Späher ausgesendet wurden oder Hunger bekamen und auf eigene Faust los zogen. "Einen Tag nach unserer Ankunft bricht in Dorf 2 die Hölle los. Soviel Glück kann nur ich haben." Der Vicomte setzte sich wieder in Bewegung und wies die anderen beiden mit einer Handgeste an, ihm zu folgen. "Wenn das noch mehr Kannibalen sind und sie meine Söldner gefressen haben, werde ich echt wütend!" Auf der anderen Seite war das vielleicht sogar eine ganz hilfreiche Situation. Wenn die Söldner aus diesem Dorf die Angreifer besiegt hatte, dann war das nichts anderes als ein gratis Feldtest.

Wenn man beim Bild des Feldtests blieb, dann war dieser wohl gescheitert. Das was früher einmal der Dorfplatz gewesen war (ziemlich leicht zu finden, da an der selben Stelle wie in dem anderen Dorf), ähnelte nun eher einem Schlachthaus. Überall lagen Leichen. Einige davon hatten große Ähnlichkeit mit den drei Pennern aus dem Gasthaus. Die meisten sahen jedoch deutlich mehr aus wie Marlon, nur dass sie alle rote, statt schwarzen Anzügen trugen. Eines hatten jedoch alle gemein, ihnen fehlte etwas. Wortwörtlich. Jedem Kadaver fehlte zumindest ein Gliedmaß, manchmal waren auch die Oberkörper aufgebrochen worden und der gesamte Marktplatz war voller Blut. Von den Überlebenden war weit und breit nichts zusehen. Der Wind kam aus Richtung Küste und brachte einen pikanten Duft mit sich. Ein paar mal holte Lucian tief Luft, ehe er angewidert auf den Boden spuckte. "Sieht so aus, als wären die drei von vorhin nur das Begrüßungskommando gewesen. Und der Rest sitzt jetzt beim Festessen für den Sieg über diese Versager. Damit erreicht meine Laune ihren Tiefpunkt." Aus den Augenwinkeln bemerkte Lucian Bewegungen, aber über die machte er sich keine Sorgen. Er bemerkte einige Frauen, die zwischen Vorhängen aus ihren Häusern raus spähten und einen älteren Knacker hinter einem Baum. "Ich hoffe die erwarten nicht, dass wir sie retten ..."
 
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Dass Lucians Stimmung nach diesem kleinen Zwischenfall nicht die Beste sein würde, damit hatte Marlon gerechnet. Um ehrlich zu sein überraschte es den Koch, wie gefasst sein Kapitän auf diese missliche Situation reagierte, noch verstärkt durch Igraines Bemerkungen. Irgendwie hatte er den leichten Verdacht, dass sich die Schwarzhaarige nur all zu bewusst war, wie ihre Bemerkungen ankamen, es ihr aber schlicht und ergreifend egal war. Nun, das war ihr Bier, wie man so schön sagte, damit brauchte er sich nicht rumplagen.

Als die Rauchschwaden am Horizont Lucians Aufmerksamkeit erregten, griff Marlon bereits nach seiner Wurfklinge. Gut möglich dass sie nicht würden kämpfen müssen, aber der Koch zog es vor, auf eine solche Situation vorbereitet zu sein. Man konnte ja nie wissen, was einem blühte, schon gar nicht auf einer Insel wie dieser. Um ehrlich zu sein hätte es ihn nicht einmal gewundert wenn drüben in der anderen Stadt ein Feuer ausgebrochen wäre und die Einwohner dieser Insel jetzt Maßnahmen ergriffen, um ihre Symmetrie zu wahren, doch als die Luster im Dorf ankamen, revidierte Marlon diese These. Hier war ein Überfall verübt worden. Oder viel eher ein Massaker. Soweit er das sehen konnte, war hier kein taktisches Planen oder gründliches Überlegen beteiligt gewesen, sondern einfach nur die pure Lust zu Morden. Barbarisch, sinnlos und genau die Handschrift der drei Kannibalen, die die Luster vorhin in der Kneipe erledigt hatten. Lucian mochte Recht haben, dass sie quasi nur die Vorhut besiegt hatten. Naja, eigentlich war das Marlon auch ziemlich egal. Wenn Lucian es nicht für nötig befand, die Einwohner dieses Dorfes zu retten, nun dann würden sie sich eben selbst helfen müssen. Sie waren immerhin eine Piratenbande und kein Wohlfahrtsverein, jeder musste sehen wo er blieb.

"Ich frage mich ja, ob sie jetzt auch die andere Stadt abbrennen wollen, aber nun ja, das ist nicht..." Marlon wurde von einem hohen, verzweifelten Schrei unterbrochen. "MAMIIII!" Eine Kinderstimme, kein Zweifel. Marlons Augen glitten kurz über die blutrünstige Szenerie, bis er schließlich die Quelle dieser Stimme fand: Ein kleines Mädchen, noch keine zehn Jahre alt, das anscheinend in panischer Flucht hier zurückgelassen worden war. Sie klemmte unter einem umgestürzten Gerüst, das Feuer gefangen hatte, die Flammen fraßen sich sehr langsam auf das Mädchen zu. Marlons Hand glitt vom Griff seiner Klinge und er sprintete los. Sicher, sie würden hier nicht die Helden spielen und er hatte das auch nicht vor - dieses Kind allerdings schrie wie am Spieß und auch Marlon war kein vollkommen gnadenloser Mensch. Und außerdem, wer wusste schon, wer die Eltern dieses Kindes waren. Gut möglich dass diese kleine Geste schon Tür und Tor öffnete, die Fremden sonst eher verschlossen geblieben wären.
 

Igraine

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Das mit den Schwüren war so eine Sache. Sicherlich war Igraine nicht so blöd, ihnen zu glauben, aber jemand, der einen ernst gemeinten Schwur gebrochen hatte, konnte sie auch nicht mehr ausreichend respektieren. Wenn man clever war, dann legte man einfach nie einen ab. Sie hielt das so und immerhin kam sie so nicht dazu, ihrem eigenen Wort zuwider zu handeln. Sicherlich gab es Gründe, Versprechen zu brechen oder welche abzulegen, die man niemals zu halten beabsichtigte, aber das waren dann auch meist die Situationen, in denen man nicht einmal auf dem Klo sicher war. Einfach nur so solche Worte zu benutzen, zeugte ihrer Meinung nach von der Unfähigkeit oder dem Unwillen, bessere zu finden. Sie verzichtete jedoch darauf, noch weiter auf dem Thema herumzuhacken, denn selbst wenn sie Lucian das nun erläutert hätte, so wäre der sicherlich bei seiner Meinung geblieben. Die Energie, die es also kosten würde, eine Chance zu haben, ihn von ihrer Meinung zu überzeugen, war viel zu hoch, als dass sie sie geopfert hätte. Stattdessen hoben sich ihre Mundwinkel kurz und sie stiefelte dem Weißen hinterher. Vielleicht sollte sie Namensschilder basteln und ihm eines davon auf den Rücken kleben, dann würde sich zumindest eines ihrer Probleme in Luft auflösen.

Wo die Symmetrie der Insel bisher fremd gewirkt hatte, hatte der Leichenhaufen auf dem Marktplatz von Dorf 2 geradezu etwas Familiäres. Es war vielleicht ein wenig zynisch, eine Ansammlung von Toten als etwas anderes als widerlich zu bezeichnen, aber tatsächlich wunderte Igraine dieser Anblick nur noch wenig. Es mochte an der eingetrockneten Hand in ihrer Tasche liegen oder vielleicht einfach daran, dass sie heute bereits drei Kannibalen über den Weg gelaufen war, aber mehr als ein missbilligendes Naserümpfen zeigte sie nicht als Reaktion. *Ach jee... war das nun wirklich nötig?* Langsam, aber sicher bekam sie den Eindruck, dass sie vielleicht besser von der Insel verduften sollten. Sicherlich würden sie damit wahrscheinlich den Großteil der Zivilbevölkerung ihrem Ende in die Arme schieben, aber wenn die sich nicht selbst retten konnten, dann war ihnen wohl auch nicht mehr zu helfen. Bestimmt war Symmetria mit Ausnahme der wenigen letzten Tage ein wunderbar friedliches Eiland gewesen, doch sich in der Illusion des Friedens treiben zu lassen, war leider nie von langer Dauer. Menschen waren erstaunlich zäh, wenn sie an die Grenzen der Belastbarkeit getrieben wurden, also würden sie sich schon zu helfen wissen, selbst, wenn offenbar noch mehr dieser Schauergestalten unterwegs waren. Igraine sah die Sache daher ähnlich wie Lucian, da sie ihre eigene Sicherheit doch noch ein wenig höher stellte, als die der Bewohner der Insel. Es war sicherlich eine Tragödie, die sich hier abgespielt hatte, aber so war die Welt nun einmal - grausam und dunkel. Die Aggressoren schienen viele an der Zahl gewesen zu sein, zu viele, um sie ohne Risiko erledigen zu können. Würde sie hier sterben, konnte sie ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen - und das war das Leben dieser Leute einfach nicht Wert.

Der Schrei klingelte dennoch in ihren Ohren wider, eine hohe Kinderstimme, so von Panik verzerrt, dass sie im ersten Moment nicht sagen konnte, ob sie wohl männlich oder weiblich sein mochte. Die graue, anonyme Masse der Symmetrianer zurück zu lassen, war eine Sache, doch den Hilferuf eines Kindes konnte sie nicht ignorieren. Das ging einfach nicht. Ihre Augen suchten automatisch nach der Quelle des Lärms und entdeckten das eingeklemmte Mädchen, dessen Augen hinter den durcheinander fallenden, blonden Locken kaum zu sehen waren. Sie war so jung... ihr Körper hatte sich in Bewegung gesetzt, noch bevor sie das Kind genau geortet hatte, sodass Marlon sie erst nach wenigen Metern überholte, auch wenn er zugegebenerweise schneller lief als sie. Kurz ging sie im Geiste ihr Inventar durch und blickte sich anschließend im Laufen um. Es war anzunehmen, dass die Kannibalen noch in direkter Nähe waren, nicht aber direkt neben dem Mädchen. Sollten sie eine Verteidigungsposition errichten müssen, so würde diese vor allem im Fernkampf brillieren müssen - sie wiederum hatte nur zwei Schuss auf Lager. Marlon war inzwischen bei der Kleinen angekommen und begann, sie unter dem Gerüst hervorzuziehen. Sobald sie zu ihm aufgeschlossen hatte, stemmte sie sich mit aller Kraft gegen das Holz, um ihm die Arbeit zu erleichtern, blickte sich dabei allerdings weiterhin nach Feinden um. Keine drei Sekunden später war das Mädchen frei und sie ließ das Gerüst los. "Pass auf, dass uns niemand überrumpelt!", wies sie Marlon an und kniete sich danach vor das immer noch auf dem Boden sitzende Kind. Es war zwar scheinbar mit einem Schrecken davongekommen, aber dieser schien sie im Moment fertiger als das Feuer zu machen, das in ihrem Rücken brannte. Kein Wunder, wenn man nicht an so etwas gewöhnt war, musste einem dieses Szenario wie die Fleisch gewordene Hölle vorkommen - und kein Kind sollte sich jemals an so etwas gewöhnen müssen. "Du bist jetzt in Sicherheit... psst..." Sie strich durch die blonden Locken und bemühte sich, trotz dem Geruch nach Feuer und Blut vollkommen gelassen zu wirken, was ihr seltsamerweise sehr einfach gelang. Ein blaues, vom Weinen verquollenes Auge lunzte durch den Haarvorhang. "Wie heißt du, hm?" Sie musste sie wenigstens ein bisschen beruhigen, ehe sie sie zu den anderen sich Versteckenden bringen konnte - sonst würde sie noch deren Tod sein. Auf die paar Minuten durfte es nicht ankommen.
 
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Lucian

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Mit einem leichten Stirnrunzeln verfolgte Lucian die Bewegungen seiner beiden Kameraden, als diese sich aufmachten, um das kleine Kind vor dem Feuer und den Trümmern zu schützen. Es war fast schon Ironie, dass ausgerechnet seine Leute es waren, die hier ein Leben retten wollten, anstatt es zunehmen. Andererseits hatten die Angreifer, wer immer sie auch waren, bereits genug Gemetzel angerichtet und nicht einmal er selbst war so Kaltblütig, ein junges Mädchen einfach so grundlos zu ignorieren. Nur dass der Vicomte es nicht für nötig hielt, gleich loszurennen. Igraine und Marlon hatten ohnehin scheinbar alles unter Kontrolle, sie hob die Trümmer an, während er das Kind darunter hervorzog. Irgendwie hatte Lucian damit gerechnet, die beiden würden das jeweils andere machen, aber wer war er, sich über typische Geschlechterrollen einen Kopf zumachen? Wobei, im Grunde war es ja auch Marlon, der sich mehr wie eine Frau benahm ... Für den Bruchteil einer Sekunde schmunzelte Lucian über diesen Gedanken, als er neben seinen Gefolgsleuten ankam und sich das Kind ansah, Wie klein und schwach sie wirkte, die langen, blonden Haare von Ruß verschmutzt, kleinere Brandspuren überall auf der Kleidung und das Husten und schlottern war einfach herzerweichend erbärmlich. Im Grunde bewies das Bild, dass er gerade vor sich hatte nur, dass Kinder in dieser Welt nichts zusuchen hatten. Der Gedanke mochte grausam klingen, aber für Lucian war es noch viel grausamer, Kinder in eine Welt voller Piraten, Soldaten und Monster zusetzen. Der Anblick war auf jeden Fall genug für ihn und darum wandte er sich von dem Mädchen ab und behielt stattdessen die Umgebung im Auge. Nicht überrumpelt zu werden hatte höhere Priorität, Igraine hatte recht damit Marlon (und ihn selbst) aufpassen zulassen.

Zwischen mehreren Hustern schaffte die Kleine es schließlich auch, auf Igraines Frage zu antworten. „I-Ich bin ... V-Vici.“ Kaum war das raus begann sie wieder zu husten und zu schluchzen und drückte sich an Igraine. Mit den Augen rollend untersuchte Lucian die nahestehenden Gebäude. Überall konnte man Leute erkennen, die sich hinter Vorhängen oder Häuserecken versteckten. Man beobachtete sie, aber die Bewohner schienen zu friedfertig oder verstört, um sich herauszutrauen. Was in 99% aller Fälle für den Adeligen auch ganz verständlich war, bedachte man die Anzahl an toten. Aber das die Eltern des Balgs sich nicht blicken ließen, dass irritierte ihn doch. Vielleicht hatten die ja zu den Typen in den roten Anzügen gehört und waren einfach längst tot? Ein Vogellaut von Oben zog Lucians Aufmerksamkeit auf sich. Ein großer Raubvogel zog seine Kreise über das Dorf. "Ist das ein Geier?" fragte er halbinteressiert und deutete auf den großen, hässlichen Vogel. Es erschien irgendwo logisch, solche Tiere würden wohl von so einer Menge Aas angezogen werden, aber gleichzeitig bezweifelte der Vicomte, dass diese Art hier heimisch war. Solche Aasfresser passten doch eher zu Wüsteninseln. Mit einem Schulterzucken drehte er sich wieder Vici und Igraine zu. Hier war eindeutig niemand feindlich gesinntes mehr, sonst wären sie längst angegriffen worden und wenn er das Verhalten der Angreifer auch nur halbwegs erahnen konnte, würden diese sich nicht anschleichen, sondern lange vorher zusehen sein. „K-kannst ihr mich zu meiner großen Schwester bringen?“ Die Kleine rieb sich die großen Augen, während sie die Frage an Igraine richtete, der sie wohl mehr vertraute, als dem Graf oder dem Attentäter. Das nannte man Menschenkenntnis. Gleichzeitig deutete sie auf das, was wohl ein Wirtshaus war. "Und warum kann deine Schwester dich nicht holen!?" fragte Lucian scharf, woraufhin Vici zusammenzuckte. Nicht das er dem Kind wirklich misstraute, dafür war ihre Lage zu gefährlich gewesen, aber das hieß noch lange nicht, dass er seine Waffenmeisterin als Babysitterin abstellte. „Sie ist -uhm- ... blind?“ Mit einem knurren griff Lucian sich an die Stirn. Natürlich war sie das. Irgendetwas war ja immer.

Schließlich lies der Vicomte die Schultern etwas entspannter sinken. "Mach mit der Kurzen was du willst. Marlon, wir sehen uns das dort an." Damit deutete er auf eines der größten Gebäude, dass von den Feuern zwar verschont geblieben war, bei dem sich jedoch besonders viele Leichen türmten. Aufgrund der identischen Stadtpläne konnte zumindest der Koch sagen, dass es sich dabei um das Hauptquartier der hiesigen Söldner handelte. Erneut schrie der Geier über ihnen und verschwand dann in Richtung Wald aus dem Sichtfeld. Ohne weitere umschweife marschierte Lucian also zum Söldnersitz und drückte gegen die schwere Tür. Sie ließ sich erstaunlich leicht öffnen und führte in einen schwach beleuchteten Raum. Kaum das der Vicomte einen Schritt hinein machte, kam ihm ein gewaltiger Schwall Ratten entgegen, die zwischen seinen Füßen ins freie rannten, sich nach links und rechts teilten, um an Marlon vorbei zu kommen und schließlich wieder zusammenflossen und in Richtung Hafen abdrifteten. "Die Aasfresser auf dieser Insel sind schnell," murmelte Lucian mehr zu sich selbst als zu seinem Leibwächter. Dann trat er ins Innere, wo er wie zu erwarten von noch mehr leblosen Anzugträgern begrüßt wurde. Außerdem gab es hier einen Kreis aus besiegten Plünderin, die rund um einen blassen Kerl lagen, der anstatt eines roten, einen grauen Anzug trug. "Das hier scheint der Anführer der Söldner gewesen zu sein. Sieh dich mal um, ob du irgendetwas interessantes findest, Marlon.“ Als er keine Antwort erhielt, drehte er sich zu seinem Koch um, der noch immer wie eine Statue an der Tür stand. "Alles okay Marlon?"
 
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Marlon war so leicht durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Er konnte Tote sehen, egal wie widerlich enstellt sie auch sein mochten, Gewalttaten beobachten oder sogar Exekutionen ohne weitere äußere Gefühlsregungen mit verfolgen. Dass er solche Dinge nicht immer gut hieß, stand auf einem anderen Blatt, aber sie machten ihm zumindest nichts aus, wenn er sie sah. Ratten waren da allerdings schon eine ganz andere Geschichte.

Das Mädchen, welches sich als Vici vorstellte, suchte also ihre große Schwester.. ein blindes Mädchen. Nun, sie einfach hier zu lassen kam nicht in Frage und sogar Lucian schien dieser Meinung zu sein, sodass er sich von Vici zu einem augenscheinlich leer stehenden Gebäude führen ließ. Als aus diesem jedoch ein Schwall Ratten kam, verlor Marlon jedwede Ruhe, die er bisher nach außen hin gezeigt hatte. Dicke Schweißperlen standen mit einem Mal auf seiner Stirn, er griff erst nach seiner Krawatte, dann seiner Wurfklinge, unentschlossen, welches von beidem er jetzt besser in die Hand nehmen sollte. Sein Atem ging schwerer, tiefer, es hörte sich an als hätte er Asthma, und schließlich wankte er einen einzigen, kleinen Schritt zurück und fiel rücklings zu Boden, wo er mit starrem Blick und regungsloser Mimik liegen blieb. "Ratten!", presste er gerade noch heraus, ehe seine Augenlider zu flattern begannen und er, so klischeehaft es auch sein mochte, das Bewusstsein verlor. Lucians Befehl und alle anderen Umweltfaktoren waren ausgeblendet, der Schreck war einfach zu tief und überlastete Marlons System dermaßen, dass der Koch nichts weiter tun konnte als ab zu schalten.
 

Igraine

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Hätte Igraine nicht auf dem Boden gekniet und das kleine blonde Mädchen angesehen, das sich immer noch die Tränen aus dem Gesicht rieb, hätte sie Lucian vielleicht einen giftigen Blick zugeworfen, als der es für nötig hielt, das arme Ding auch noch anzufahren. Es war unschwer zu erkennen, dass Vici, so hatte sie sich gerade vorgestellt, vor Angst zitterte und immerhin war sie gerade einer lebensbedrohlichen Situation entkommen. Gerade, weil sie noch so jung war, hatte sie wohl jedes Recht der Welt, nicht von schlecht gelaunten weißhaarigen Riesen angefaucht zu werden, egal wie viele potenzielle Soldaten dieses gerade umgebracht worden waren. Da ihre Position sich aber gerade nicht für einen bösen Blick eignete und Vici gerade so wirkte, als ob sie entspanntere Gesichter eher brauchte, entschied sie sich dagegen und tätschelte dem Mädchen stattdessen das Köpfchen. Lucian war eben ein wenig aggressiv, was würde es bringen, sich darüber aufzuregen? Sie würde Vici natürlich zu ihrer Schwester bringen, das war gewiss. Momentan waren noch keine Kannibalen zu sehen, also hatte sie gerade sowieso nichts Besseres zu tun – auch wenn sie bezweifelte, wie sehr eine blinde Schwester dazu geeignet war, ein kleines Mädchen zu beschützen. Am cleversten wäre es allerdings, wenn sie das Ganze schnell hinter sich brachten, denn wie lange noch keine Feinde zu sehen waren, war mehr als ungewiss. „Na dann komm mal mit, Vici.“, meinte sie mit einem Lächeln und zog sie auf ihre Füße, nachdem sie selbst aufgestanden war. Ihre Linke griff in ihre Jacke und kam wieder hervor, die Finger um den Griff einer Pistole geschlungen. Falls sie angegriffen werden würde, sollte sie immerhin in der Lage sein, sich schnell zu verteidigen. „Nimm es Fabian nicht übel, dass er so unfreundlich ist, er kann nicht anders.“, flüsterte sie der Kleinen verschwörerisch zu, als sie sich von den beiden Männern getrennt hatten. Ein stilles, sehr schüchternes Lächeln wurde zu ihrer Antwort, als die beiden auf das Wirtshaus zuhielten, Igraines Blick immer wieder auf die umliegenden Häuser gerichtet. Würde sie einen Hinterhalt planen, dann würde dieser garantiert von einem der Dächer starten, denn im Gegensatz zur Mondinsel oder gar Steam, gab es hier weitaus weniger dunkle Gassen, selbst mit den herumliegenden Trümmerteilen.

Sie erreichten das Wirtshaus allerdings ohne Zwischenfall. Kein blutrünstiger Wilder warf sich ihnen in den Weg, kein krankheitsgeplagter Körperteilsammler brach aus den Trümmern hervor. Zum Glück waren von hier aus nicht mehr allzu viele zugerichtete Leichen zu sehen, doch die wenigen, die sie passierten, veranlassten Vici dazu, ihren Kopf in Igraines Seite zu verbergen und wieder leicht zu schluchzen. Vielleicht hatte sie ein paar dieser Menschen gekannt und sei es auch nur vom Sehen… sie konnte sich vorstellen, dass die plötzliche Konfrontation mit ihren geschändeten Leichen kein leichtes Unterfangen sein musste. Einer ihrer wenigen Freunde in Kindestagen war von einer Gruppe Satanisten als Übungsgelände missbraucht worden, das hatte sie auch nicht besonders gut gefunden… zumal diese Toten auch alles andere als ansehnlich waren. Mit gleichgültigem Blick musterte sie die auseinander gebogenen Rippen eines brünetten Mannes, bevor ihre Augen zu dem schief hängenden Schild glitten, das über dem Eingang des Hauses baumelte, welches Vici ihr angezeigt hatte. "Zu den Quadratlatschen", war über dem Abbild zweier überschlagener Füße zu lesen, denen man praktisch ansah, dass sie stinken mussten. Sie schnaubte kurz und drückte danach gegen die Tür, welche leise aufschwang. Das Innere des Raumes war in Dunkelheit getaucht. Wer oder was das Licht gelöscht haben mochte, war nicht erkennbar, nicht einmal, ob Freund oder Feind am Werke gewesen waren. Sie spürte, wie sich Vicis Hand noch ein wenig fester um die ihre klammerte und hörte das Mädchen tief Luft holen.

"L-Lia?", brachte sie schließlich hervor, ein merkliches Zittern in der Stimme. Igraine hörte ein Rascheln in der Finsternis und ihre Hand schloss sich automatisch fester um die Pistole. "Vici?" Die Stimme war ohne Zweifel weiblich und wenig später flammte eine Laterne im hinteren Teil des Raumes auf. Das Licht erklärte die unnatürliche Dunkelheit, denn die Fenster waren von innen geschlossen, sodass keine Sonnenstrahlen herein dringen konnten. Die Laterne war wohl reine Höflichkeit, denn die Frau, die sie entzündet hatte, schien sie nicht zu brauchen. Lange, blonde Haare, die von ihrer Schwester hätten geklaut sein können, fielen über ihre von schwarzem Stoff umhüllten Schultern. Sie war schlank, vielleicht ein wenig kleiner als Igraine und trug neben einem weißen Blindenstock eine Sonnenbrille, die ihre Augen vor Igraines neugierigen Blicken abschirmten. Die Augen blinder Menschen waren interessant - manche davon waren einfach weiß, andere trübe, milchig oder starr, doch die Schwarzhaarige würde wohl nicht herausfinden, was auf Lia zutraf. "Wer ist da bei dir, Vici?", fragte sie mit misstrauischer Stimme. Offenbar hatte sie Igraines Atem gehört, immerhin hatte sie sich auch keine Mühe gegeben, besonders leise zu sein. "Das... eine Frau, die mich vom Feuer gerettet hat! Sie tut uns nichts, ganz bestimmt nicht, keine Sorge!" Man konnte Vicis Stimme anhören, dass sie erleichtert war, ihre Schwester gefunden zu haben. Sie machte sich von Igraine los und lief auf die Frau zu, um sie zu umarmen. Lia allerdings umfasste ihre Schultern, brachte sie erst einmal auf Abstand und einen Moment hatte die Bombenbauerin durchaus das Gefühl, sie würde ihre kleine Schwester anblicken. Was für eine merkwürdige Anwandlung... "Wie konntest du mich so erschrecken! Vici!" Ihre Hand schnellte vor und sie verpasste dem Mädchen eine Ohrfeige, die es ebenso sprachlos zurückließ, wie Igraine. Hatte die da gerade ihre kleine Schwester geschlagen? "Ich hab dir doch gesagt, du sollst bei mir bleiben! Dir hätte sonst was passieren können! Diese Leute sind wahnsinnig, verdammt!" Sie holte tief Luft und Igraine dachte darüber nach, ob sie Vici vielleicht wieder mitnehmen sollte, doch im nächsten Moment änderte sie ihre Meinung und schloss ihre kleine Schwester fest in die Arme. "Ich bin so froh, dass es dir gut geht!" Igraine spitzte die Lippen und legte den Kopf schief, blinzelte zweimal und zuckte danach mit den Schultern. Menschen waren schon seltsame Wesen, irgendwie. "Guck mal, wen ich retten konnte...", flüsterte Lia gerade so laut, dass Igraine sie noch verstehen konnte und zog einen Teddybären aus ihrer Tasche. Er wirkte schon ein wenig älter, war ein bisschen fleckig und hatte einen etwas seltsamen Hut auf. "Bartholomäus Bärchen!", jauchzte Vici, die sich scheinbar sehr schnell von der Ohrfeige erholt hatte und drückte ihr Kuscheltier an ihre Brust.

Igraine machte still und heimlich die Fliege.
 

Lucian

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Vor seinen Augen sackte Marlon zusammen, nachdem er ein einzelnes Wort raus gekriegt hatte, was wohl die Reaktion erklären sollte. Mit einem dumpfen Laut fiel er zu Boden und blieb dort regungslos liegen. Für einen Augenblick stand Lucian nur wortlos da und starrte auf die ohnmächtige Gestallt seines Kochs herab, dann streckte er sich und sah dem Rattenschwarm hinterher. Auch er hatte gerade nur ein Wort im Kopf, allerdings ein gänzlich anderes als Marlon; "Wirklich?" Mit leicht gerunzelter Stirn ging er zurück zum Eingang und kniete sich neben seinem Leibwächter nieder. Zwei mal klopfte er ihm leicht gegen die Wange, das dritte mal ein wenig fester. Vielleicht ein wenig zu feste, dem dunklen, roten Handabdruck nach, der daraufhin im Gesicht des Kochs prangte. Mit einem Seufzer griff er schließlich den Ohnmächtigen unter die Arme und wuchtete ihn sich über die Schulter. Mit einem raschen Blick suchte er das Innere des ehemaligen Söldnerhauptquartiers ab, das nun eher einem Schlachtfeld ähnelte. Irgendwie gefiel ihm der Gedanke nicht, einen seiner Leute hier alleine zu lassen, aber das wäre wohl immer noch besser, als ihn draußen liegen zu lassen. Schließlich entdeckte Lucian eine Couch im hinteren Teil des großen Raumes, in dem sich auch nicht ganz so viele töte Körper befanden. Kurzentschlossen trug der Vicomte den Ohnmächtigen dort hin und ließ ihn auf die alten Kissen sinken. Unmöglich zusagen, wann der arme Kerl wieder aufwachen würde, aber Lucian würde sicher nicht bis dahin warten. Das Problem war nur, wie verhindern, dass Marlon irgendwo hin ging, sobald er aufwachte? Ruckartig sah der Weißhaarige sich die nähere Umgebung an und grinste dann kurz. Eine Minute später verließ er das Söldnerlager wieder und ließ den bewusstlosen Marlon zurück, der nun einen Zettel mit den Worten „Warte mit Gretchen hier, bis ich wieder da bin“ auf der Stirn kleben hatte.

Auch wenn es Lucian schwer fiel, Igraine einzuschätzen, dafür kannten die beiden sich einfach noch nicht lange genug, so war er doch relativ sicher, dass die Bombenbastlerin ebenfalls zum Heim der Söldner gehen würde, sobald sie das Gör zu ihrer Schwester gebracht hatte. Und wenn sie mit Marlon dort blieb, dann wäre es deutlich einfacher, später beide wieder zufinden. Er selbst wollte unterdessen einen Blick auf den Hafen werfen, um zu sehen, wie schlimm die Situation wirklich war. Vielleicht war ja nur noch eine kleine Gegnertruppe übrig. Wenn ja, dann würden sich die Söldner aus den anderen Dörfern vielleicht kooperativer zeigen, wenn er und seine beiden Gefolgsleute die restlichen Angreifer ausschalteten. Wenn es hingegen wirklich unschön aussah, dann würde er sich ganz einfach zurück ziehen und diese Insel verlassen. Auf irgendwelche Risiken hatte Lucian wirklich keine Lust. Im leichten trab eilte er eine der Straßen zum Hafen entlang, erneut war der symmetrische Aufbau sehr hilfreich, um sich zurecht zufinden. Als er sich dem Meer näherte, verlangsamte er sein Tempo und ging zwischen einigen Gebäuden in Deckung.

Nein, der Anblick war nicht besonders berauschend. Das Schiff, das dort vor Anker lag, war gewaltig, wirkte aber so krank und mitgenommen wie die Kannibalen, die er bisher gesehen hatte. Das und wild. Den Rumpf zierten sehr viele Löcher, dafür waren überall Stacheln und Speere angebracht, an denen ... verschiedenes befestigt war. Über einigen Löchern prangte, was aussah wie blutige Leinwände und über die Lucian nicht weiter nachdenken wollte. Die Flagge, die sanft im Wind pendelte, war schwarz, von einem weißen Gebiss mit Reißzähnen abgesehen. Treffend. Am Dock wimmelte es nur so von Fleischfressern, die allesamt rund um mehrere, kleine Lagerfeuer saßen. Die Zahl der Kannibalen war erschreckend hoch. Nein, mit denen würde er sich nicht freiwillig anlegen, dass war zu riskant. Der unangenehmste Aspekt waren aber nicht die Piraten oder was auch immer das waren, zumindest nicht die menschlichen. Ziemlich nah bei ihm befand sich ein Raubtier, eine gewaltige Hyäne, die sich an einem großen Haufen rohen Fleisches genüsslich tat. Das Tier hatte sogar teilweise Leder und Stoff um seinen Körper und die meisten Kannibalen hielten respektvoll abstand, auch wenn viele mit hungrigen Augen das Fleisch betrachteten. Diese Hyäne war auch der Grund, warum Lucian sich nicht bewegen konnte. Er wollte es, aber sein Körper gehorchte ihm nicht. Der Anblick des Tieres weckte unangenehme Erinnerungen. Das Das ist unmöglich! Er hoffte wirklich, dass sein Verstand ihm einen Streich spielte. Das Monster war TOT! Er selbst hatte ihm das Genick gebrochen, verflucht noch mal.

Als hätte sie seine Gedanken gehört, beendete die Hyäne ihr Festmahl und sah in Richtung der Gebäude, zwischen denen Lucian in Deckung war. Das Biest holte mehrmals tief Luft und gab dann dieses lachende Bellen von sich, dass diese Tiere ausmachte. Dann wurde es größer. Viel größer! Der Körper streckte sich, die Schnauze wurde kürzer, die Vorderpfoten wurden länger und zu muskulösen Armen. Es war kein richtiges Tier mehr, aber ein Mensch war es auch nicht. Das war, es war ... "Das Monster ..." Er kannte den Namen dieses Mannes nicht, soweit er wusste kannte den niemand! Aber die Person selbst, die kannte er. Er hatte sogar schon gegen ihn gekämpft. Das war vor Jahren, in den Gruben von Lelivero gewesen. Er – ES lebte noch!? Das Monster trag eine Mischung aus Leder und Metallrüstung über seinem kurzen, struppigen und dreckigem Fell, ein Metallkragen umschloss den gesamten Hals. „ICH RIECH DICH, BASTARD!“ Die Stimme des Monsters donnerte durch den gesamten Hafen und erweckte die Aufmerksamkeit von so ziemlich jedem Kannibalen in Hörweite. Lucian zuckte erschrocken zusammen. Das war eindeutig nicht fair! Wer konnte schon damit rechnen, dass der Anführer ein Teufelsfruchtnutzer war und Witterung aufnehmen konnte? Und wer konnte dann noch damit rechnen, dass dieser spezielle Teufelsfruchtnutzer ihn Erkannte!? Aber mit einem mal wurde alles klar. „Es gibt nur einen Grund zu töten und der ist für das Fleisch! Das Fleisch macht uns stark, stärker!“ Die Worte des Anführers der kleinen Gruppe, die sie im Gasthaus getroffen hatten, jetzt wusste er wieder, wo er sie schon mal gehört hatte. Verflucht. Jetzt sah er genau in Lucians Richtung und streckte den klauenbesetzten Arm aus. „BRINGT MIR DEN WEIßHAARIGEN! LEBENDIG UND UNVERSEHRT!!“ Doppel-Verflucht.

Auf den gebrüllten Befehl hin setzte sich so ziemlich jeder Mann im Hafen in Bewegung, einschließlich des Vicomte. So etwas konnte man nicht einplane, gottverdammt. Wer rechnete mit DIESER Situation!! So schnell er konnte lief er die Straße zurück, aber er konnte schon jetzt erkennen, dass es nutzlos war. Hinter ihm holten die schnellsten Sprinter immer mehr auf und Lucian war nun einmal mehr auf Stärke und Ausdauer ausgelegt, anstatt Geschwindigkeit. Dieses Rennen konnte er nicht gewinnen. Eine Hand griff ihn am Kragen seines Kimonos. Sofort verpasste der Vicomte dem unbekannten Angreifer einen Ellenbogenhieb und konnte sich befreien, aber mehr und mehr Hände krallten sich nun an ihm fest. Schließlich zog ihm irgendetwas die Beine weg und er fiel nach vorne auf die Straße. Sein Kopf knallte gegen die Steine und für den Augenblick wurde alles schwarz.

Irgendetwas rollte über den Boden, immer wieder hin und her, ganz in Marlons nähe. Dieses etwas war eine kleine Kugel mit einer unregelmäßigen, von Kratern gezeichneten Oberfläche und der Grund, warum sie hin und her rollte, war eine kleine Ratte, die nicht viel größer war, als ihr Spielzeug. Das seltsame an dieser Maus war nur, dass sie anscheinend komplett in Leder eingehüllt war und eine winzige Gasmaske trug. Immer wieder kamen auch andere, normale Ratten zu dem Kugelschieber, aber zogen dann schnell wieder ab. Schließlich rollte die besondere Ratte ihre Last in Richtung der Couch. Es brauchte einige Anläufe aber schließlich krabbelte sie den Stoff hinauf und auf Marlons Brust. Von dort aus krabbelte sie zu seinem Gesicht und stupste mit der umlederten Pfote gegen die Nase des Kochs, einmal, zweimal, dreimal. Sie fiepte ein paar mal, ein hoher und schriller Ton, durchaus angenehm, aber nicht genug, um Marlon aufzuwecken. Schließlich schüttelte sie sich, es sah aus wie vor Wut und abermals glitt eine Pfote zur Nase. Anstatt diese anzustupsen, glitten die kleinen Krallen hinein und schlossen sich um einige Nasenhaare, die mit Gewalt herausgezogen wurden. Mit einem erschrockenen Grunzen wurde Marlon wach und das erste, was ihn begrüßte, war eine rattenartige Figur, die auf seiner Brust saß und ihm mit einer Pfote zuwinkte. Erneut gab der Koch einen erschrockenen Laut von sich und schlug die Ratte mit dem Oberarm von sich runter. Das Tierchen knallte gegen die gegenüberliegende Wand und rutschte an dieser herunter. Dabei wurde sie jedoch immer großer, bis sie fast so hoch war wie Marlon. Der Ratten-Mensch-Hybrid rieb sich seinen Schädel, der von einer Gasmaske mit leuchtenden, gelben Augen bedeckt war und fiepte leise. „A-alter, voll u-u-un .. u-un … U-u-uncool!“ Der lange Rattenschwanz glitt an seinem Oberkörper entlang und in eine seiner Brusttaschen, wo er nach einem kleinen Metallstift angelte. Fast schon beiläufig warf der Rattenmensch den Stift gegen die Kugel, die noch immer vor der Couch lag. Der Stift war ein kleiner Magnet, der einen Zünder in der Kugel aktivierte. Es piepste drei mal, dann explodierte eine dichte Rauchwolke im Raum. „T-t-typen die prob-, die prob- ... Typen die probleeehehe ... Typen die Probleme mit Ratten haben nehme ich als persönliche Beleidigung!“

Gerade als Igraine das Gasthaus, in dem Vici und ihre Schwester zuflucht gefunden hatten, verließ, landete der Geier auf der Straße. Es war ein großes Tier, mit einem hässlichen, glatzköpfigen Schädel, der auf einem sehr langen Hals saß. Die großen Augen beobachteten die Bombenbastlerin ruhig, während er mehrmals schnell hintereinander seine Brustfeder aufplusterte. Als Igraine einen Schritt nach links machte, um den Vogel auszuweichen, sprang dieser mit einem kleinen Satz erneut vor sie, um ihr weiterhin den direkten Weg zu versperren. Erneut plusterte er sich auf. Die Flügel rieben ein paar mal hin und her, aber sonst wirkte der Vogel sehr gelassen, ganz und gar nicht wie ein wildes Tier. Man musste auch mehrmals hinschauen um zu erkennen, dass etwas mit dem Vieh nicht stimmte. Das braungraue Gefieder hatte genau die selbe Farbe wie das kuttenartige Stoffstück, dass es trug und wenn da nicht die Reflektion wäre, hätte man das im Flügel versteckte Messer, dass im Begriff war Igraine aufzuschlitzen, für eine Feder halten können. Apropos ... Im letzten Augenblick schaffte die Waffenmeisterin es noch, dem Messer auszuweichen, gleichzeitig erhob der Geier sich in die Luft und machte ein Schraube, um weiter von ihr weg zu kommen. Vollkommen gelassen landete er auf dem Dach des nächsten Gebäudes und starrte von dort herunter. „Du hast mir mein Mittagessen weggenommen. Ich habe so sehnsüchtig darauf gewartet, dass das kleine Mädchen stirbt. Natürlich verbrannt schmeckt einfach am besten ...“ Abermals plusterte der Geier sich auf und streckte seine Flügel aus. Nun konnte man ziemlich gut erkennen, dass in jedem Flügel vier Messer versteckt waren. Mit einem Satz glitt der Vogel vom Dach und landete ein paar Meter von Igraine entfernt. In dem Moment, da er sich aufrichtete, veränderten sich seine Züge und er wurde zu einem dürren, glatzköpfigen Mann mit langer Geiernase, der eine zerschlissene, braune Robe trug und der in jeder Hand vier Messer zwischen den Fingern trug. „Jetzt werde ich dich töten und danach das Mädchen essen ...“
 
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Früher, wenn Marlon in Ohnmacht gefallen war, hatte ihn immer ein kalter Eimer Wasser ins Gesicht geweckt. Jedenfalls an guten Tagen. An nicht so guten Tagen hatte sein tempramentvoller Kochlehrer ihn ganz einfach liegen gelassen bis er von selber wieder hochkam, nur um ihm dann die doppelte Menge an Arbeit aufzubürden, die er in dieser Zeit "verschlafen" hatte. Nicht die humanste Methode, mit einem Phobiker um zu gehen, aber sie hatte Marlon eine effiziente Arbeitsweise beschert. Und gegen das, was ihn dieses Mal weckte, war sie immer noch angenehm zu nennen.

"RATTE!" Mit einem erschrockenen Aufschrei fegte Marlon das seltsam gewandete Tier von seiner Brust, sodass es gegen einen halb verbrannten Pfeiler klatschte.. und zu seinem Schrecken wuchs! Vor ihm stand binnen weniger Herzschläge keine Ratte mehr, sondern eine Art Ratte-Mensch Hybrid, gekleidet in Leder und Gasmaske, fast genug um den hygienebewussten Koch schon wieder in Ohnmacht fallen zu lassen. Doch sein Überlebensinstinkt hinderte ihn daran und verwandelte diesen Drang in ein kaltes Schaudern, während Marlon mit vorgetäuschter Ruhe nach seiner Wurfklinge griff. "T-t-typen die prob-, die prob- ... Typen die probleeehehe ... Typen die Probleme mit Ratten haben nehme ich als persönliche Beleidigung!“ Ein Stotterer also auch noch. Wunderbar! Doch noch bevor Marlon seine Situation genau einschätzen konnte, hörte er drei helle Piepser und bevor er auf diese angemessen reagieren konnte, füllte sich der ganze Raum mit Rauch.

"Tut mir sehr leid, dich beleidigt zu haben", meinte Marlon mit vorgetäuschter Ruhe, wobei seine Stimme eindeutig verriet, dass er das Gegenteil meinte. "Aber ich denke, für Entschuldigungne ist es jetzt schon ein klein wenig zu spät, oder?" Er konnte die Augen seines Gegenübers zwar nicht sehen, aber er wusste dass wenn er es täte darin nur kalte Mordlust sehen würde. Jahre als Attentäter hatten ihn gelehrt, die Körpersprache von Menschen ziemlich präzise zu lesen und was von diesem Rattenwesen ausging, Marlon schauderte immer noch wenn er es musterte, war pure Mordlust, das sah er selbst an der dunklen Silhouette im Rauch. Nicht einmal unbedingt wegen der Beleidigung des Kochs an ihm oder seinen Schoßtierchen, dieser Typ mochte es anscheinend einfach, zu töten und fraß vermutlich mit seinen kleinen Schützlingen, die hier überall herumwuselten, die Leichen seiner Feinde. Marlons Stirn glänzte von Schweiß, seine Hand zitterte und er fühlte, wie sein Mund so trocken wurde dass jeder Tropfen Speichel den er produzierte sofort aufgesaugt zu werden schien. Das hier würde kein einfacher Kampf werden. Vielleicht sogar ein unmöglicher. Aber Flucht war keine Option. Allein schon, weil er durch diesen Rauch nicht sehen konnte, wohin er lief. "Es g-g-geht d-dich zwa-a-ahaha-ar nichts a-a-an", stotterte der Rattenmensch durch den von ihm erzeugten Nebel, "A-aber ich m-m-mamama-mag es n-nicht, wenn meine Opfer nicht wissen, wer ich b-b-bin. I-ich b-b-bin M-m-m-m-m-MARROW Gn-Gnawer! U-und wer bist du?" Marlon würdigte seinen Gegner keiner Antwort. Stattdessen spuckte er in seine Richtung aus und das hohe, panische Fiepen verriet ihm, dass er eine Ratte getroffen hatte. Seine Nackenhaare standen zu Berge bei diesem Laut. "H-h-h-HEY! D-das war g-ge-gemein! K-keiner spuckt meine k-kleinen L-l-llieblinge an, du sch-sch-sch..." "HALT DIE KLAPPE!", brüllte Marlon dazwischen. Es war selten, dass er so extrem die Fassung verlor, aber alles an diesem Typen regte ihn auf. Dieses Outfit. Die Tatsache, dass er Ratten als "Lieblinge" bezeichnete, sogar selber eine war. Und dann natürlich dieses verdammte Gestottere. "Wenn du keinen ganzen Satz herausbringen kannst ohne dich zu verhaspeln, dann sei lieber gleich still!" Marrow Gnawer stieß ein wütendes Zischen aus. "F-fü-für j-jemanden der gleich t-t-tttttot ist, riskierst du ne ga-ganz schön dicke Lippe!" Dann ertönte ein heller Pfiff. Sämtliche von Marlons Sinnen schlugen Alarm, doch es war bereits zu spät. Die Explosion, die hinter ihm stattfand, reichte zwar nicht aus um ihn zu töten, aber sie riss einige tiefe Löcher in seinen Anzug, versengte ihm den Rücken und ließ einen hohen Pfeifton in seinem Ohr ertönen, der sich schmerzhaft in seine Gehirnwindungen grub. Von der Tatsache, dass der Koch nach vorne und mitten in ein Nest voller Ratten flog ganz zu schweigen.

"G-g-gut, was? D-das war meine E-e-e-ERFINDUNG! Die Hameln Bomb!" Marlon verstand. Dieser Typ mochte Ratten nicht nur, er dressierte sie. Hunderte, vielleicht tausende kleine Attentäter, die ihr eigenes Leben für eine Art Gott gaben, nur damit dieser seine Feinde erledigen konnte. Feige, aber äußerst effizient. Dieser Typ war kein Idiot. Er war buchstäblich mordsgefährlich. "W-w-wenn ich mit dir fertig bin, e-esse ich vie--vielleicht deine L-leiche. Oder auch n-n-n-n-icht. D-du bist glaube ich z-zu g-g-g-gepflegt, das s-schmeckt mir nicht." Der Koch kämpfte sich langsam wieder hoch, wobei er mit den Zähnen knirschte. Doch kaum stand er, bekam er bereits eine volle Breitseite ab, in Form rasiermesserscharfer Krallen, die drei tiefe Wunden in seine Wange schlugen. Marlon taumelte, prallte gegen eine Wand und fiel zu Boden, sein gesamter Rücken schrie vor Schmerz. "K-keine A-a-angst, ich m-machs k-k-kurz und schmerzlos. O-o-o-oder zumindest kurz."
 

Igraine

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Eigentlich hatte Igraine ja zum Hauptquartier der verblichenen Söldner laufen wollen, um dort hoffentlich Marlon und Lucian aufzufinden, aber sie kam nicht einmal wirklich weit vom Gasthaus weg, in das sie das kleine Mädchen gebracht hatte. Kaum hatte sie nämlich das Gebäude verlassen, versperrte ihr etwas den Weg, was sie in anderem Zusammenhang erwartet hatte. Es war ein Geier, dunkelbraunes, ein wenig schäbiges Gefieder, ein langer, nackter Hals und ein scharfer, gebogener Schnabel, der gefährlich klickerte. Sie wusste, was das für ein Vogel war, weil man ihr davon erzählt hatte, obgleich sie noch nie einen in natura gesehen hatte. Auf der Mondinsel war es zu kalt für diese Tiere gewesen und Steam hätte wohl nicht genug Nahrung für sie bereitgestellt. Auch diese Insel wirkte nicht, als sei sie ein gutes Habitat für die Wüstenvogelart... aber andererseits trugen Geier normalerweise auch keine Kutten oder gar Messer. Was bitte sollte das für ein Tier sein? Richtig - Igraine kam nicht auf die Idee, dass dies ganz eindeutig ein Teufelsmensch sein musste, der die Geierfrucht verspeist hatte. Das lag daran, dass sie, obgleich die Gerüchte über die Früchte des Teufels zwar durch die Blues geisterten, noch nie einen echten Teufelsmenschen gesehen hatte. In Kombination mit ihrem nicht unbedingt leichtgläubigen Naturell hatte das dafür gesorgt, dass sie sich nicht so ganz sicher war, ob es überhaupt Teufelsfrüchte gab und Menschen, die von ihnen genascht hatten - weswegen sie bei diesem Geier zuerst an einen besonders guten Fall von Tierzähmung dachte. Es gab immerhin Menschen, die so gut mit Tieren umgehen konnten, dass sie ihnen die verrücktesten Tricks beibrachten... warum also nicht auch, Messer in den Flügeln zu halten und dabei eine schicke Kutte zu tragen? Das bedeutete nicht, dass sie nicht trotzdem auswich, als der Geier sie plötzlich angriff - auch wenn sie nach dem Meister der Kreatur Ausschau hielt, den sie hier irgendwo vermutete. Diese Annahme löste sich jedoch schlagartig in Luft auf, als der Vogel, inzwischen auf der Kante eines Daches sitzend, plötzlich zu sprechen begann - und das nicht mit einer Stimme, wie sie diese vielleicht von einem Papagei erwartet hätte, sondern mit einer ziemlich menschlichen.

Der erste Satz aus dem Schnabel, der bei jedem zusammengehen der Kiefer leicht klackerte, ging in ihren rasenden Gedanken unter, die jedoch ziemlich schnell darauf zurückgingen, dass die Fabel von den Teufelsfrüchten wohl doch nicht so fiktiv wie angenommen war. Wie faszinierend! Und wie schade gleichsam, dass jemand, der darauf kam, arme kleine Mädchen zu essen, so etwas Großartiges abbekam. Nicht, dass sie sich gerne in einen so hässlichen Vogel würde verwandeln können, aber dieser Kerl hatte es garantiert auch nicht verdient. Ihre Augenbraue hob sich ein wenig, als er vor ihren Augen eine Verwandlung hinlegte und sich dennoch kaum veränderte: Sie hatte noch nie einen Mann gesehen, der einem Geier mehr ähnelte, als dieser dürre Glatzkopf. Hatte sie gerade noch den Vogel hässlich genannt, so relativierte sie den Gedanken in diesem Moment, denn ansehnlich war dieser Kannibale ganz eindeutig noch weniger. Sein größter Fehler war allerdings, dass er nochmals erklärte, dass er das Mädchen, deren Namen Igraine bereits wieder vergessen hatte, essen würde, sobald er sie getötet hatte - denn damit hatte er bereits festgelegt, dass sie hier nicht sterben würde.
Diese zeitliche Reihenfolge ließ der Bombenbastlerin keine Wahl, aber warum hätte Cook-Cook darüber auch nachdenken sollen. Das hier war beinahe Alltag und nichts, das sich zwischen ihn und seine Beute stellte, überlebte das im Allgemeinen lange. Die paar Minuten würden sein Mittagessen schon nicht ruinieren...
"Es ist deutlich vorteilhafter, sich kleinere Ziele zu setzen, die man einfacher erreichen kann...", antwortete sie mit einem freundlichen Lächeln, das nur eine winzige Spur Schärfe enthielt. Er sagte das so leichthin, als sei es überhaupt kein Problem für ihn... und auch keines für sie. Unterdessen hatte sie sich zwei Stachelbomben aus ihren Taschen genommen und hielt diese in der Hand, während sie auf eine Bewegung des Mannes wartete. Diese kam auch tatsächlich schneller als erwartet, doch dem messerbewährten Vorstoß konnte sie mit einem Sprung ausweichen, in dessen Verlauf sie eine der beiden inzwischen scharf gemachten Bomben in seine Richtung warf, gefolgt mit minimalem Versatz von der zweiten. Mehr schlitternd als elegant fing sie sich ab und blickte über ihre Schulter, um gerade noch eine federnstiebende, krallenbewährte Wolke auf sich zurasen zu sehen. Irgendwo im Hintergrund explodierten die Sprengsätze und sie ließ sich im letzten Moment fallen, sodass die scharfen Krallen ihr Gesicht nur streiften, anstatt ihr die Augen auszukratzen. Ohne Zeit zu verlieren, rollte sie sich mehrmals zur Seite und griff im Aufstehen nach ihrer noch geladenen Pistole. Fein. Dieser Kerl schien ihren Wurfwaffen ausweichen zu können, aber wie stand es mit... um ein Haar hätte eine Messerklinge ihre Hand sauber am Stumpf abgekappt, wenn sie nicht einen ziemlich albern aussehenden Satz rückwärts vollzogen hätte. Sie zielte auf den inzwischen wieder in Menschengestalt befindlichen Cook-Cook und drückte ab - doch kaum vernahm dieser das Geräusch, schrumpfte er wieder zum Vogel zusammen und entging damit der Kugel. Was war das denn für ein Schummler!
Sie riskierte keinen Blick in Richtung des Gasthauses, aber eine Sache war klar: Wenn sie hier blieb, hatte sie wahrscheinlich wirklich keine Chance gegen den Glatzkopf. Wahrscheinlich hatte sie auch an anderer Stelle wenig, aber wenn sie ihn von diesem Haus weglockte, hätten das Mädchen und die Blinde vielleicht noch Zeit, zu fliehen, ehe er sie fand. "Ist das alles, was du kannst, Aasfresser?", rief Igraine mit unangebracht spöttischer Stimme und bemerkte zu ihrer Zufriedenheit, wie sich die Falte zwischen den Augenbrauen des Mannes zu vertiefen begann. "Alles, was ich kann, Wurm? Vielleicht sollte ich dich zuerst essen, damit du siehst, zu was ich alles in der Lage bin!" "Vielleicht sollte ich dich essen, wenn wir hier fertig sind...", überlegte sie laut weiter, "Aber halt. Nein... du bist sicher vollkommen verseucht und schmeckst bestimmt widerlich..." Während sie sprach, entfernte sie sich langsam vom Gasthaus, ohne die Augen dabei von ihrem Gegner zu nehmen und ohne zu wirken, als wolle sie flüchten. Das war ja auch gar nicht der Fall, sie wollte nur einen Szenenwechsel. "Na los, Bazillenschleuder, dann zeig mal wirklich, was du kannst!" Jetzt rannte sie allerdings doch.
 

Lucian

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Das erste, was Lucian um sich herum mitbekam, war der Geruch. Es stank nach Schweiß, Blut, Dreck und verbranntem Fleisch und Haaren. Glücklicherweise blieb der Würgereflex aus, aber viel fehlte nicht. Dafür riss ihn der Gestank aus seiner Bewusstlosigkeit – Marlon durfte niemals erfahren, dass sie beide am selben Tag Ohnmächtig geworden waren! Als nächstes kam der Lärm. Um ihn herum johlten sehr viele unterschiedliche Stimmen, es war das reine Chaos und es bestand keine Möglichkeit, einzelne Gesprächsfetzen zu verstehen. Die einzige Ausnahme war eine Vielzahl an Gelächter, dessen Ursprung direkt vor ihm lag. Lucians Augen flatterten leicht und sofort erhielt er eine Ohrfeige. Mehr aus Überraschung, als vor Schmerzen, zuckte er zusammen und Biss sich auf die Wange. Metallischer Geschmack füllte seinem Mund und er spuckte einen kleinen Blutklumpen aus. Das entlockte noch mehr Johlen und Gelächter und eine hohe, schrille Stimme jubelte direkt vor ihm.

Schließlich öffnete der Vicomte die Augen und fand sich in der Hölle wieder. Um ihn herum befanden sich Dutzende, womöglich weit über hundert Piraten. Er selbst war an den Mast des gewaltigen Albtraumschiffs gefesselt, welcher wiederum von einer Tribüne umgeben war. Die Männer und Frauen, letztere waren verschwindend gering vorhanden, befanden sich alle an Deck, aber nur ein einziger von der wahnsinnigen Meute befand sich auf der Erhöhung. Und erst als Lucian diesen Affen sah, der ihm wohl die Ohrfeige verpasst hatte und der nun mit siegeserhobenen Händen dastand, bemerkte er, dass sein Oberkörper nackt war. Denn seinen Kimono trug dieser kleine Bastard! „Ist wach, ist wach, juche, der kleine Prinz ist wach, hehehehehe!!“ Vielleicht war das ein Hofnarr oder etwas in der Art, auf jeden Fall ging er dem Weißhaarigen, der ohnehin unter Kopfschmerzen litt, tierisch auf die Nerven! Gerade als der kleine Kerl vor ihm herumtanzte und seine gesamte Aufmerksamkeit der Menge schenkte, ruckte Lucians rechtes Bein vor und erwischte den Komiker genau in den Rücken. Der Treffer lies ihn aufheulen und katapultierte ihn von der Tribüne und in die Zuschauer, was aber nur noch mehr Lacher absahnte. Diese Leute waren einfach Krank und erfreuten sich am Leid anderer. Ob nun Fremde oder einer aus den eigenen Reihen das Opfer war, schien niemanden zu interessieren. Irgendwo machte sie das fast schon wieder sympathisch.

Aber dann trat Stille ein, eine so intensive Stille, wie man sie bei einer so großen Menge an Bekloppten gar nicht erwartet hätte. Das einzige, was zu hören war, waren schwere Schritte und das rascheln in der Menge, wenn die Kannibalen zur Seite traten, um demjenigen einen Weg zu eröffnen, der sie verursachte. Schon von weitem war er zu erkennen, denn das Monster überragte jeden der Anwesenden, einschließlich Lucian, um mehr als einen Kopf. Irgendwie konnte der Adelige im Augenblick nicht anders, als den Hünen dafür zu bewundern, wie er diese Masse unter Kontrolle hielt. Aber wenn man es genau nahm, dann waren diese Menschen nichts anderes als wilde Tiere und das Monster war sicherlich das stärkste unter ihnen, das geborene Alphatier. Als der Hyänenmann die Hälfte geschafft hatte, begannen einige seiner Leute auf dem Boden zu stampfen, dann wurden es immer mehr und schließlich wurde jeder Schritt von einem dumpfen Grollen begleitet. Lucian machte sich keine Illusionen. Seine Lage sah mehr als schlecht aus. Schließlich erreichte das Monster die Tribüne und begnügte sich nicht mit der Treppe, sondern erklomm die Erhöhung mit einem einzigen Schritt. Das Stampfen erreichte seinen Hochpunkt, doch als der Anführer mit seiner Krallenhand über seine Kehle fuhr, verstummte die Horde schlagartig wieder.

“FLEISCH!!“ Sein Brüllen erntete ’Fleisch, Fleisch, Fleisch’-Rufe der ganzen Masse aber mit einer simplen Bewegung kehrte wieder Ruhe ein. Dafür näherte das Monster nun seine Schnauze an Lucians Gesicht, bis die beiden nur noch wenige Millimeter getrennt waren. Der faulige Mundgeruch stach dem Vicomte in die Nase, aber er drehte sich nicht weg. Ganz egal was, er durfte sich dem Alphatier nicht unterwerfen! Eine Krallenbesetzte Hand tätschelte ihm die Wange, aber Lucians Blick blieb starr. „Erinnerst du dich noch an mich?“ Es war das erste mal, dass die Bestier vor ihm nicht brüllte, stattdessen sprach er so leise, dass keiner seiner Männer sie verstand. Lucian nickte nur. Was hätte er auch sagen sollen, ’Natürlich, du bist doch der Kerl dem ich das Genick gebrochen habe?’ Wobei er inzwischen nicht einmal mehr so sicher war, dass das stimmte. „Wunderst dich sicher, mich zu sehen, nicht war, kleiner Bastard?“ Es war fast schon ein liebevolles Säuseln, aber er hatte den Kern getroffen. Mehrfach klopfte er sich mit einer Kralle gegen den schweren Metallkragen, jedes mal ertönte ein dunkles Ping. „Hast mich fast umgebracht, damals in den Gruben. Aber weißt du, dein Papi hat dich immer im Auge behalten und ihm gefiel, wie ich mit dir umgesprungen bin. Hat mich nach Kaba gebracht und zusammenflicken lassen. Jetzt muss ich diesen beschissenen Schutzkragen tragen, aber so schlimm ist das gar nicht ...“

Kaba also. Das erklärte einiges. Diese Insel war medizinisch gesehen ein Hort der Wunder, aber bisher hatte sie Lucian mehr Kummer bereitet. Zuerst dieser Marinesoldat mit der Zylinderlunge, jetzt das Monster mit dem Metallhals. Diese künstliche Insel brachte nichts als schlechtes hervor. „Nicht nur das. Er hat mir Geld geben, dieses hübsche Bötchen, und die ersten meiner Männer, meiner Meat Raider. Ich schulde ihm also etwas. Und wie es der Teufel will, so kriege ich sogar noch mehr Geld, wenn ich dich zu ihm zurück bringe. Leider will er dich lebendig. Aber das bezieht sich nicht auf deine beiden kleinen Freunde. Um die kümmern sich bestimmt schon meine beiden Betas. Und bis wir wieder auf Monte Gomero sind, habe ich noch meinen Spaß mit dir ...“ Das Monster knurrte leise und begann dann sein lachendes Bellen. Und obwohl niemand genau verstanden hatte, was der Anführer der Meat Raider soeben alles erzählt hatte, so stimmten doch Dutzenden lachende Stimmen mit ein.
 
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