Agwe
Kopfgeldjäger Boss
Ohne einen Navigator den Weg über die Ozeane zu finden, war schon schwierig genug. Wollte man eine spezielle Insel ansteuern, wurde es noch schwieriger. Und war der einzige Navigatorersatz den man hatte ein betrunkener Voodoopriester, der versuchte, mittels Tarotkarten den Weg vorher zu sagen, wurde es zu einem Ding der Unmöglichkeit.
Seit nunmehr zwei Tagen tat Agwe kaum mehr, als sich in seiner Kajüte einzuschließen, er nannte es „einschließen“, obwohl er einfach nur die kaputte Tür so weit schloss, wie es möglich war, und die Tarotkarten zu ihrem bevorstehenden Kurs zu befragen. Gelegentlich kam er nach draußen und gab Edward, den er kurzerhand zum Steuermann ernannt hatte, die Anweisung, so und so viel Grad Backbord oder Steuerbord zu drehen und verschwand dann sofort wieder für die nächste Sitzung in seiner Kajüte. Er aß noch weniger als sonst, duldete keinen Widerspruch und schien ganz versessen darauf, in jeder Wolke die ersten Anflüge von den „Smokern“ auf seiner Heimatinsel zu erkennen, nur um dann enttäuscht zu seufzen, wenn dem nicht der Fall war. Es schien fast so, als stünde irgendein großes Ereignis auf Black Lung an, von dem Agwe seiner Crew nichts erzählte, und es war von äußerster Wichtigkeit, dass sie rechtzeitig ankamen. Genaueren Fragen seiner Mannschaft allerdings wich der Kapitän jedes Mal gekonnt aus oder gab ihnen postwendend irgendeine Aufgabe, die sie von weiteren Fragen abhielt. So vergingen die Tage und die Vorräte des Mojo Bunches schwanden zusehends, obwohl sie diesmal in weiser Voraussicht für mehrere Wochen gepackt hatten, ihr beinaheverhungern nach ihrem Aufbruch von der Isla De Muerta war ihnen allen noch im Gedächtnis.
Als es langsam wirklich knapp zu werden begann, schien sich eine Gewitterfront am Himmel abzuzeichnen. Vor dem blauen Himmel mit gelegentlichen weißen Wölkchen setzten sich die schwarzen Wolken ab wie ein Rußfleck auf einem weißen Hemd und wurde zusehends größer. Zufällig lag diese Front auch genau auf dem Kurs, den Agwe als letztes bestimmt hatte, doch das Schiff blieb fürs Erste auf Kurs. Momo, die immer noch die Pflichten des Ausgucks erfüllte, rief: “GEWITTER! DA KOMMT WAS GROßES!“, was zur Folge hatte, dass Agwe sofort mit enormem Gepolter aus der Kapitänskajüte gestolpert kam, mit nur einem Hosenbein da, wo es hingehörte. Anscheinend hatte er sich gerade bettfertig machen wollen, was zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches gewesen wäre. Jedenfalls für seine Verhältnisse. ”What? Where? Lemme see, man!” Momo deutete von oben auf die vermeintliche Gewitterfront, was zur Folge hatte, das Agwe zum ersten Mal seitdem sie aufgebrochen waren, lächelte. ”Aaah, dat be no storm, man. Wir sind endlich da, people, ich erkenne den Rauch der Smoker, wenn ich ihn sehe. Wir nähern uns Black Lung!“
Je näher das Schiff der Kopfgeldjäger der vermeintlichen Gewitterfront kam, desto offensichtlicher wurde es, dass Agwe Recht hatte. Die schwarzen Rauchwolken kamen nicht vom Himmel her, sondern setzten sich aus zahlreichen kleinen Strömen zusammen, die wie umgekehrte Tintentropfen ins Wasser auf den Himmel fielen. Auch verhielt sich diese riesige schwarze Front nicht wie eine Gewitterwolke, sondern blieb überwiegend an ihrem Platz, waberte stetig und schien sich immer wieder zu vergrößern oder zu verkleinern. All das waren untrügliche Zeichen, dass man sich in der Nähe von Black Lung befand, wo die Smoker unaufhörlich vulkanische Gase in die Luft pusteten und für den einzigartigen Flair dieser Insel sorgten. Schon von weitem sah man die aus Palmen und Mangroven bestehende Vegetation, nur wenig durchbrochen von den Holz- und Steinhäusern der Unterstadt sowie den dekadenteren, oftmals mehrstöckigen Gebäuden der Oberstadt sowie dem hübschen weißen Marmorgebäude, das unberührt von all dem Schmutz auf einem kleinen Hügel thronte und Reichtum ausstrahlte wie einen Heiligenschein. Je näher das El Pollo Diablo dieser Insel kam, desto schwüler wurde es, bis sich allein durch das Atmen die Kehle mit Wasser zu füllen schien und es so heiß war, dass man unaufhörlich schwitzte, selbst wenn man gar nichts trug. Schon konnte man die alten, aus Wellblech und Stein bestehenden Lagerhäuser sehen, in denen die Schiffe untergebracht oder Waren umgeschlagen wurden, mal auf legalem, mal auf halblegalem Wege. Es roch nach Asche, Schweiß und allen weiteren möglichen Dingen, von süßem Rum über Zigarrenqualm bis hin zu staubigen Hühnerfedern oder schlimmerem. Agwe atmete tief durch, sog diesen Geruch ein wie ein wahrer Kenner ein wirklich gutes Parfüm oder das Bukett eines besonders gut gereiften Weines einsog. Es war schön, wieder zuhause zu sein. Vermutlich ein letztes Mal, bevor er das längste Abenteuer seines Lebens bestreiten würde. ”Alright, people, we dun’ it. Gehen wir an Land und sehen uns ein wenig um, man. Wir treffen uns am Abend dann am Lagerhaus mit der Nummer 14.“ Zufälligerweise war dieses Lagerhaus auch genau das, in dem Agwe damals das El Pollo Diablo gefunden hatte und in das sie nun auch einfuhren, um einen sicheren Anlegeplatz zu haben. Doch diesem vermeintlichen Zufall schenkte Agwe nur wenig Beachtung, er wusste von der Vorliebe der Loa für solche kleinen Spielchen. ”Wer mit mir kommen will, ist herzlich eingeladen, man. Aber zuerst kommt ihr vielleicht am besten mit mir.“ Diese Worte waren an Haydee und Momo gerichtet, weshalb Agwe Edward entschuldigend zulächelte. ”Sorry, man. Ich glaub’ nicht, dass dir gefällt, ws wir vor haben. Geh‘ doch einfach irgendwo einen trinken oder so, aye?“ Damit klopfte er seinem Tüftler aufmunternd auf die Schulter und ging los, sicher, dass zumindest Haydee artig hinter ihm her zockelte.
Der Weg, den Agwe vorlegte, führte ihn und seine beiden Begleiterinnen in die Unterstadt. Hier war es noch dreckiger, als es von der sicheren Warte des Schiffes her ausgesehen hatte und jedes Gebäude hier, selbst wenn es aus Stein erbaut war, wirkte krumm und windschief. Hier und da zogen sich Ausläufer größerer Flüsse durch die Stadt und nicht selten sah man Häuser mit Terassen, welche direkt in diese Flussarme hineinragten und ein angeleintes Boot ihr Eigen nannten, wohl um schnell durch die Stadt zu kommen. Immer wieder wurden Momo und Haydee seltsame oder auch verlangende Blicke zugeworfen, doch Agwes schiere Gegenwart schien sie unantastbar zu machen und immer wieder lächelte oder winkte jemand dem Voodoopriester freundlich zu. ”Good to be back, man. Die Gegend hier hat sich wirklich kaum verändert”, kommentierte der Voodoopriester lächelnd, während er durch eine Rotte aufgeschreckt gackernder Hühner marschierte. Eines der Tiere schien ihm diesen kleinen Angriff übel zu nehmen und begann nach seinem Hosenbein zu picken, doch Agwe schien das überhaupt nicht wahr zu nehmen. Womöglich war er an derartige Angriffe auf seine Persönlichkeit längst gewöhnt. Oder aber er hatte in diesem Viertel schon bedeutend schlimmeres gesehen, was durchaus wahrscheinlich erschien, wenn man sich die Gestalten ansah, die hier herumliefen.
”Here we are, man.” Die Hütte, vor der Agwe stehen geblieben war, sah nach überhaupt nichts besonderem aus, außer vielleicht dass sie noch ein klein wenig heruntergekommener war als der Rest der Unterstadt. In den tragenden Balken der Eingangstür hatte jemand ein Veve geschnitzt, welches sowohl Momo wie auch Haydee als das Veve von Papa Legba erkennen mochten, dem Hüter der Schlüssel und Tore. Aus der mit einem einfachen Stoffvorhang verdeckten Tür drang ein Geruch wie von brennenden Haaren und Zigarrenqualm, irgendjemand schien darin laut zu beten. Ohne auch nur im geringsten zu zögern riss Agwe den Vorhang beiseite und bedeutete Haydee und Momo, ihm zu folgen. ”Grandpa, man! How ya doin’?”
Der Mann, der im Zentrum dieser Hütte saß, war der mit Abstand älteste, den die beiden Frauen in ihrem bisherigen Leben gesehen haben mochten. Sein Gesicht wirkte so verschrumpelt wie ein getrockneter Lederball, sowohl Kopf- als auch Barthaare waren schneeweiß und er hatte die Figur eines einstmals kräftigen Mannes, der mit den Jahren jedoch eher in die Breite gegangen war. Die Haut dieses alten Mannes hatte die tiefschwarze Farbe von Kaffeepulver und seine Kleidung, bestehend aus Fellen, Knochen und Ritualfetischen, sah unglaublich abgetragen aus. AM ältesten und seltsamsten jedoch wirkten seine Augen, von denen eines strahlend hell war, das andere jedoch weiß, als wäre es erblindet. Beide allerdings strahlten ein ungeheures Alter aus, so als erinnere sich ihr Besitzer womöglich ganz verschwommen an die Entstehung der Insel selbst. ”Agwe, man! Enkelsohn! Glad to see ya again! Komm’ rein, man, komm’ rein und bring’ diese beiden bezaubernden Damen gleich mit.” Michelle Laveau lachte munter und löschte das rituelle Feuer in der Mitte des Raumes aus, wobei er eine kurze Fingergeste machte, die den Loa dieses Feuers besänftigen sollte. Dann erhob er sich zu seiner vollen Größe, die nicht ganz der seines Enkels entsprach, und breitete die Arme aus. ”Momo? Haydee? Darf ich vorstellen? Michelle Laveau, man. Mein Großvater und der heiligste Mann im Voodoo.”
Wo auch immer Eddie sein mochte, er bekam von der Szene auf dem Meer ebenso wenig mit wie Agwe, Momo und Haydee, die gerade einen Plausch mit dem heiligsten Mann auf der Insel hielten. Kurz nach dem El Pollo Diablo lief ein zweites Schiff in den Hafen ein, ein Schiff von ausgesuchter Hässlichkeit. Die Galionsfigur zeigte einen von Pestbeulen und –narben übersäten Mann, der qualvoll aufzuschreien schien und obwohl es eindeutig dazu gedacht war, Eindruck zu schinden, so schien dieses Schiff mit seinem schiefen Mast, den ungeraden Proportionen und den zerrissenen Segeln kaum in der Lage, sich vom Fleck zu bewegen. Die über den Segeln wehende Totenkopfflagge indes wies es eindeutig als Piratenschiff aus und die Leute, die gerade von Bord kamen, als Piraten. ”Black Lung, wie?”, krächzte eine hohe, unangenehme Stimme. Ihr Besitzer, ein junger Mann mit einer flachsblonden Haartolle, kam mit selbstbewusst federndem Gang von Bord gestiefelt, jeder Schritt seiner hochhackigen Schuhe ließ ein lautes Knallen ertönen. ”Also gut, Leute, das ist es also! Lagerhaus Nummer dreizehn, merken! Jetzt verteilen wir uns erst einmal ein wenig und jeder hat seinen Spaß. Und pass‘ mir ja einer auf Korra auf!“ Von hinten kam ein tiefes, kehliges Schnauben, das klang als habe jemand ein weildes Tier von der Leine gelassen. ”Und heute Abend hauen wir so richtig auf den Putz. Davon werden sie sogar in diesem verdammten Blue Report schreiben. Und wenn wir dann mit dieser beknackten Insel fertig sind, dann geht’s endlich los auf die Grandline! Tachichichichichichi!“
Seit nunmehr zwei Tagen tat Agwe kaum mehr, als sich in seiner Kajüte einzuschließen, er nannte es „einschließen“, obwohl er einfach nur die kaputte Tür so weit schloss, wie es möglich war, und die Tarotkarten zu ihrem bevorstehenden Kurs zu befragen. Gelegentlich kam er nach draußen und gab Edward, den er kurzerhand zum Steuermann ernannt hatte, die Anweisung, so und so viel Grad Backbord oder Steuerbord zu drehen und verschwand dann sofort wieder für die nächste Sitzung in seiner Kajüte. Er aß noch weniger als sonst, duldete keinen Widerspruch und schien ganz versessen darauf, in jeder Wolke die ersten Anflüge von den „Smokern“ auf seiner Heimatinsel zu erkennen, nur um dann enttäuscht zu seufzen, wenn dem nicht der Fall war. Es schien fast so, als stünde irgendein großes Ereignis auf Black Lung an, von dem Agwe seiner Crew nichts erzählte, und es war von äußerster Wichtigkeit, dass sie rechtzeitig ankamen. Genaueren Fragen seiner Mannschaft allerdings wich der Kapitän jedes Mal gekonnt aus oder gab ihnen postwendend irgendeine Aufgabe, die sie von weiteren Fragen abhielt. So vergingen die Tage und die Vorräte des Mojo Bunches schwanden zusehends, obwohl sie diesmal in weiser Voraussicht für mehrere Wochen gepackt hatten, ihr beinaheverhungern nach ihrem Aufbruch von der Isla De Muerta war ihnen allen noch im Gedächtnis.
Als es langsam wirklich knapp zu werden begann, schien sich eine Gewitterfront am Himmel abzuzeichnen. Vor dem blauen Himmel mit gelegentlichen weißen Wölkchen setzten sich die schwarzen Wolken ab wie ein Rußfleck auf einem weißen Hemd und wurde zusehends größer. Zufällig lag diese Front auch genau auf dem Kurs, den Agwe als letztes bestimmt hatte, doch das Schiff blieb fürs Erste auf Kurs. Momo, die immer noch die Pflichten des Ausgucks erfüllte, rief: “GEWITTER! DA KOMMT WAS GROßES!“, was zur Folge hatte, dass Agwe sofort mit enormem Gepolter aus der Kapitänskajüte gestolpert kam, mit nur einem Hosenbein da, wo es hingehörte. Anscheinend hatte er sich gerade bettfertig machen wollen, was zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches gewesen wäre. Jedenfalls für seine Verhältnisse. ”What? Where? Lemme see, man!” Momo deutete von oben auf die vermeintliche Gewitterfront, was zur Folge hatte, das Agwe zum ersten Mal seitdem sie aufgebrochen waren, lächelte. ”Aaah, dat be no storm, man. Wir sind endlich da, people, ich erkenne den Rauch der Smoker, wenn ich ihn sehe. Wir nähern uns Black Lung!“
Je näher das Schiff der Kopfgeldjäger der vermeintlichen Gewitterfront kam, desto offensichtlicher wurde es, dass Agwe Recht hatte. Die schwarzen Rauchwolken kamen nicht vom Himmel her, sondern setzten sich aus zahlreichen kleinen Strömen zusammen, die wie umgekehrte Tintentropfen ins Wasser auf den Himmel fielen. Auch verhielt sich diese riesige schwarze Front nicht wie eine Gewitterwolke, sondern blieb überwiegend an ihrem Platz, waberte stetig und schien sich immer wieder zu vergrößern oder zu verkleinern. All das waren untrügliche Zeichen, dass man sich in der Nähe von Black Lung befand, wo die Smoker unaufhörlich vulkanische Gase in die Luft pusteten und für den einzigartigen Flair dieser Insel sorgten. Schon von weitem sah man die aus Palmen und Mangroven bestehende Vegetation, nur wenig durchbrochen von den Holz- und Steinhäusern der Unterstadt sowie den dekadenteren, oftmals mehrstöckigen Gebäuden der Oberstadt sowie dem hübschen weißen Marmorgebäude, das unberührt von all dem Schmutz auf einem kleinen Hügel thronte und Reichtum ausstrahlte wie einen Heiligenschein. Je näher das El Pollo Diablo dieser Insel kam, desto schwüler wurde es, bis sich allein durch das Atmen die Kehle mit Wasser zu füllen schien und es so heiß war, dass man unaufhörlich schwitzte, selbst wenn man gar nichts trug. Schon konnte man die alten, aus Wellblech und Stein bestehenden Lagerhäuser sehen, in denen die Schiffe untergebracht oder Waren umgeschlagen wurden, mal auf legalem, mal auf halblegalem Wege. Es roch nach Asche, Schweiß und allen weiteren möglichen Dingen, von süßem Rum über Zigarrenqualm bis hin zu staubigen Hühnerfedern oder schlimmerem. Agwe atmete tief durch, sog diesen Geruch ein wie ein wahrer Kenner ein wirklich gutes Parfüm oder das Bukett eines besonders gut gereiften Weines einsog. Es war schön, wieder zuhause zu sein. Vermutlich ein letztes Mal, bevor er das längste Abenteuer seines Lebens bestreiten würde. ”Alright, people, we dun’ it. Gehen wir an Land und sehen uns ein wenig um, man. Wir treffen uns am Abend dann am Lagerhaus mit der Nummer 14.“ Zufälligerweise war dieses Lagerhaus auch genau das, in dem Agwe damals das El Pollo Diablo gefunden hatte und in das sie nun auch einfuhren, um einen sicheren Anlegeplatz zu haben. Doch diesem vermeintlichen Zufall schenkte Agwe nur wenig Beachtung, er wusste von der Vorliebe der Loa für solche kleinen Spielchen. ”Wer mit mir kommen will, ist herzlich eingeladen, man. Aber zuerst kommt ihr vielleicht am besten mit mir.“ Diese Worte waren an Haydee und Momo gerichtet, weshalb Agwe Edward entschuldigend zulächelte. ”Sorry, man. Ich glaub’ nicht, dass dir gefällt, ws wir vor haben. Geh‘ doch einfach irgendwo einen trinken oder so, aye?“ Damit klopfte er seinem Tüftler aufmunternd auf die Schulter und ging los, sicher, dass zumindest Haydee artig hinter ihm her zockelte.
Der Weg, den Agwe vorlegte, führte ihn und seine beiden Begleiterinnen in die Unterstadt. Hier war es noch dreckiger, als es von der sicheren Warte des Schiffes her ausgesehen hatte und jedes Gebäude hier, selbst wenn es aus Stein erbaut war, wirkte krumm und windschief. Hier und da zogen sich Ausläufer größerer Flüsse durch die Stadt und nicht selten sah man Häuser mit Terassen, welche direkt in diese Flussarme hineinragten und ein angeleintes Boot ihr Eigen nannten, wohl um schnell durch die Stadt zu kommen. Immer wieder wurden Momo und Haydee seltsame oder auch verlangende Blicke zugeworfen, doch Agwes schiere Gegenwart schien sie unantastbar zu machen und immer wieder lächelte oder winkte jemand dem Voodoopriester freundlich zu. ”Good to be back, man. Die Gegend hier hat sich wirklich kaum verändert”, kommentierte der Voodoopriester lächelnd, während er durch eine Rotte aufgeschreckt gackernder Hühner marschierte. Eines der Tiere schien ihm diesen kleinen Angriff übel zu nehmen und begann nach seinem Hosenbein zu picken, doch Agwe schien das überhaupt nicht wahr zu nehmen. Womöglich war er an derartige Angriffe auf seine Persönlichkeit längst gewöhnt. Oder aber er hatte in diesem Viertel schon bedeutend schlimmeres gesehen, was durchaus wahrscheinlich erschien, wenn man sich die Gestalten ansah, die hier herumliefen.
”Here we are, man.” Die Hütte, vor der Agwe stehen geblieben war, sah nach überhaupt nichts besonderem aus, außer vielleicht dass sie noch ein klein wenig heruntergekommener war als der Rest der Unterstadt. In den tragenden Balken der Eingangstür hatte jemand ein Veve geschnitzt, welches sowohl Momo wie auch Haydee als das Veve von Papa Legba erkennen mochten, dem Hüter der Schlüssel und Tore. Aus der mit einem einfachen Stoffvorhang verdeckten Tür drang ein Geruch wie von brennenden Haaren und Zigarrenqualm, irgendjemand schien darin laut zu beten. Ohne auch nur im geringsten zu zögern riss Agwe den Vorhang beiseite und bedeutete Haydee und Momo, ihm zu folgen. ”Grandpa, man! How ya doin’?”
Der Mann, der im Zentrum dieser Hütte saß, war der mit Abstand älteste, den die beiden Frauen in ihrem bisherigen Leben gesehen haben mochten. Sein Gesicht wirkte so verschrumpelt wie ein getrockneter Lederball, sowohl Kopf- als auch Barthaare waren schneeweiß und er hatte die Figur eines einstmals kräftigen Mannes, der mit den Jahren jedoch eher in die Breite gegangen war. Die Haut dieses alten Mannes hatte die tiefschwarze Farbe von Kaffeepulver und seine Kleidung, bestehend aus Fellen, Knochen und Ritualfetischen, sah unglaublich abgetragen aus. AM ältesten und seltsamsten jedoch wirkten seine Augen, von denen eines strahlend hell war, das andere jedoch weiß, als wäre es erblindet. Beide allerdings strahlten ein ungeheures Alter aus, so als erinnere sich ihr Besitzer womöglich ganz verschwommen an die Entstehung der Insel selbst. ”Agwe, man! Enkelsohn! Glad to see ya again! Komm’ rein, man, komm’ rein und bring’ diese beiden bezaubernden Damen gleich mit.” Michelle Laveau lachte munter und löschte das rituelle Feuer in der Mitte des Raumes aus, wobei er eine kurze Fingergeste machte, die den Loa dieses Feuers besänftigen sollte. Dann erhob er sich zu seiner vollen Größe, die nicht ganz der seines Enkels entsprach, und breitete die Arme aus. ”Momo? Haydee? Darf ich vorstellen? Michelle Laveau, man. Mein Großvater und der heiligste Mann im Voodoo.”
Wo auch immer Eddie sein mochte, er bekam von der Szene auf dem Meer ebenso wenig mit wie Agwe, Momo und Haydee, die gerade einen Plausch mit dem heiligsten Mann auf der Insel hielten. Kurz nach dem El Pollo Diablo lief ein zweites Schiff in den Hafen ein, ein Schiff von ausgesuchter Hässlichkeit. Die Galionsfigur zeigte einen von Pestbeulen und –narben übersäten Mann, der qualvoll aufzuschreien schien und obwohl es eindeutig dazu gedacht war, Eindruck zu schinden, so schien dieses Schiff mit seinem schiefen Mast, den ungeraden Proportionen und den zerrissenen Segeln kaum in der Lage, sich vom Fleck zu bewegen. Die über den Segeln wehende Totenkopfflagge indes wies es eindeutig als Piratenschiff aus und die Leute, die gerade von Bord kamen, als Piraten. ”Black Lung, wie?”, krächzte eine hohe, unangenehme Stimme. Ihr Besitzer, ein junger Mann mit einer flachsblonden Haartolle, kam mit selbstbewusst federndem Gang von Bord gestiefelt, jeder Schritt seiner hochhackigen Schuhe ließ ein lautes Knallen ertönen. ”Also gut, Leute, das ist es also! Lagerhaus Nummer dreizehn, merken! Jetzt verteilen wir uns erst einmal ein wenig und jeder hat seinen Spaß. Und pass‘ mir ja einer auf Korra auf!“ Von hinten kam ein tiefes, kehliges Schnauben, das klang als habe jemand ein weildes Tier von der Leine gelassen. ”Und heute Abend hauen wir so richtig auf den Putz. Davon werden sie sogar in diesem verdammten Blue Report schreiben. Und wenn wir dann mit dieser beknackten Insel fertig sind, dann geht’s endlich los auf die Grandline! Tachichichichichichi!“