Mika hatte vollkommen den Überblick über die Situation mit den vielen Tieren, den normalen Menschen, den Opfer-Menschen, den Menschen der Stadtwache, den anderen Verfolgern und nun den beiden anderen Holzfällern verloren. Er war doch ein Pirat und Piraten verstanden sich nun einmal in der Regel nicht mit den Menschen von der Stadtwache, weil die sofort irgendwie zu glauben schienen, dass man ihre Kinder oder so was fressen wollte, bloß weil man Pirat war. Dabei waren Piraten auch sehr wohl in der Lage, Kindesentführungen und sicher auch Kindesverspeisungen, wie er doch gerade erst mit der Hilfe von diesem anderen Typen und dem Penner-Kapitän Beubo geschafft, der warum auch immer 9 Millionen Kopfgeld hatte. Irgendwie war er auch sofort davon ausgegangen, dass die Holzfäller auf seiner Seite gewesen waren, ungeachtet der Tatsache, dass er sie ja gar nicht kannte und das anders herum ja auch nicht der Fall war. Also kam es für ihn vollkommen überraschend und absolut unverständlich, dass der Hüne auf einmal ihn an den Schultern packte und herumriss und ihm irgendwas ins Gesicht brüllte, er solle nicht wie ein Eber rumrempeln… was sollte man denn sonst tun, wenn man auf der Flucht war? Jede einzelne Person, an der man vorbei wollte, lieb und höflich um Verzeihung bitten, dass sie einen doch bitte vorbeilassen möge? Die hatten sie doch nicht mehr alle oder sie waren nicht wirklich auf der Flucht.
Irgendwie schockierte ihn diese plötzliche Wandlung in der Gesinnung der anderen beiden bärtigen Männer so sehr, dass es dem Afro-Träger die Sprache verschlug, wenn auch nur für einen Moment. Doch dieses Moment war wohl alles, was gebraucht wurde, um generell das ganze Geschehen zu wenden. Denn mit einem Mal waren die beiden Männer mit der Stadtwachenfrau im Gespräch und diese schien die auch zu akzeptieren, weil die scheinbar irgendwelche Zivilisten vor Piraten gerettet haben sollten? Na super… und wo waren dann das kleine Mädchen oder der andere Typ da, wenn er sie mal als Zeugen brauchte? Genau, natürlich in Sicherheit und nicht mit den anderen verfolgt. Es war doch zum Haare ausreißen! Was – mal so ganz nebenbei bemerkt – bei Mika alles andere als einfach war. Nun standen seine beiden Kollegen hier und freundeten sich mit der Stadtwache an, die ihn suchte, weil er angeblich dabei gewesen war, ein Kind zu entführen, das er eigentlich vor Entführern hatte beschützen wollen, und weil er Pirat sei, was er ja zugegebenermaßen auch war. Doch auf das eine wie auf das andere war er stolz. Er war stolz darauf, dass er versuchte, kleine Mädchen vor der Entführung zu retten und er war stolz darauf, unter der Flagge der Hamster-Piraten die sieben Weltmeere… oder waren es doch weniger oder mehr… naja, war ja auch egal, denn immerhin mussten das nur die Navigatoren wissen. Er musste nur dafür sorgen, dass das Schiff allen Gefahren, die ihnen auf diesem Weg begegnen würden, standhalten konnte. Genau das alles, also dass er auch ein Retter war und dass ein kein schändlicher Pirat, sondern ein großartiger Hamster-Pirat unter Bumm-Bumm Boris war, wollte er den anderen gerade mit vor Stolz geschwollener Brust offenbaren, da entschied sich die Welt, sich auf einmal um 90° drehen zu wollen… das und dass sie ihm gegen den Knöchel treten wollte. Nur dass es zum Glück nicht die Welt war, sondern nur diese vermaledeite Fischmenschenfrau von den Stadtwachen. Mika hatte den Tritt nicht kommen sehen und wurde voll von den Socken geholt, doch während er die die eigentliche Attacke nicht hatte vorhersehen können, war er doch sehr wohl in der Lage, die Auswirkungen verhindern. Denn noch bevor er mit dem Gesicht auf dem Boden aufschlug, gelang es dem Baumakrobaten ohne passende Bäume hier die Arme herumzureißen und seine flachen Hände auf den Boden zu bringen. Die Arme gingen in die Beuge und schnellten dann wieder zurück, einfach so, als würde der Zimmermann eine sehr, sehr schnell ausgeführte Liegestütze vollbringen, die ihn auch wieder auf beide Beine brachte.
Holy shit, man, ey! fluchte der Zimmermann, der sofort beschwichtigend die Hände hob, jedoch nicht über seinen Kopf, sondern nur nach vorne, um ein wenig Distanz zwischen sich und das Wesen zu bringen, das sich gerade als Gegner entpuppt hatte. Ich hab nur versucht abzuhauen, weil ihr mir wegen was an den Kragen wollt, das ich gar nicht gemacht hab, ey! Davon war er auf jeden Fall fest überzeugt. Doch er würde hier ganz sicher nicht klein beigeben, denn mit diesen Gesetzesheinis hatte man noch nie simpel reden können… was vielleicht daran lag, dass er es gewesen war, der zu reden versucht hatte, aber schon seit frühester Kindheit war er noch nie besonders gut darin gewesen, sich aus irgendeinem Mist, den er oder auch nur zum Teil fabriziert hatte. Nein, für ihn hatte es schon immer einen anderen Weg gegeben… einen… animalischeren Weg… Doch wie es scheint, lasst ihr mir ja keine Wahl… Nehmt das!
Und mit einem einzelnen, blitzschnellen Ruck war das Bettlaken von seinem Hals gelöst wurde nach vorn gerissen, bevor es mit einer weiteren flinken Handbewegung in Rotation versetzt wurde, sodass es nun für Odi und Wavami aussehen würde, als ob sich vor ihnen ein rotierender Schutzschild mit kleinen Äffchen drauf aufgebaut hätte, die sogar fast den Anschein machten, als würden sie sich bewegen, so schnell wurden sie gedreht. Wie ein Daumenkino. Affen-Ablenkung!!! Eine unheimlich anspruchsvolle Technik, deren Anwendung so viele verschiedene Faktoren benötigte, dass sie kaum unter anderen Umständen eingesetzt werden könnte. Denn kaum, dass ein paar Augenblicke vergangen waren, fiel das Bettlaken zu Boden und zuvor noch dahinter befindliche Mann war verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt… nur dass über ihnen das laute Gekreische und Geschnatter und Gepiepe von zahlreichen Vögeln und Affen erklang und ein Blick in diese Richtung verriet, dass der Baumakrobat wohl einfach mit aller Kraft nach oben gesprungen war und sich akrobatisch über die Leinen und Leitern, die eigentlich für den Tierverkehr gedacht waren, von dannen machte. Mit einer Geschicklichkeit und Klettererfahrung, die seinesgleichen suchte. Der tierischste Weg war schließlich immer noch einfach der Rückzug, wenn einem die Umstände nicht passten. Man sieht sich! brüllte er den Holzfällern und der Fischfrau noch hinterher, bevor er seine schwarze, kugelförmige Frisur über einem der Dächer verschwand. Das war zwar ganz und gar nicht so gelaufen, wie er sich das hier vorgestellt hatte, doch wenigstens hatte er einen sauberen Abgang hinlegen können. Denn so gern er sich auch mit dem anderen Holzfäller gekloppt hätte… oder mit der Fischfrau… doch wenn die ihn wirklich gezwungen hätten, alles zu geben, wären einfach zu viele Unbeteiligte um sie herum gewesen. Denn das Ass, das er noch im Ärmel hatte, war wahrlich kein kleines. Doch jetzt müsste er erst einmal Boris suchen und hoffen, dass der irgendwie Licht in die Sache bringen würde, was hier denn bloß auf der bescheuerten Insel los war, dass hier alles verrückt spielte. Zum Glück waren hier die Dächer sogar fast zu einer Art Hochgeschwindigkeitsstraße für einen geschickten Läufer und Kletterer wie ihn ausgebaut. Da würde das sicher ratzfatz gehen… bis auf eine Sache… er hatte absolut keine Ahnung, hinter welcher eingetretenen Tür er hier Boris finden würde! DAMMIT!