Agwe
Kopfgeldjäger Boss
Kaum dass der Mojo Bunch vom Baratié aus abgelegt war gab es nichts als Probleme. Erst musste Agwe Eddie erklären dass seine Behandlungsmethoden seriös waren, oder jedenfalls seriöser als die der sogenannten Ärzte, und dann brach auch noch ein Aufstand der Hühner los. Der Voodoopriester verstand nicht so ganz warum diese gefiederten Teufel gerade jetzt damit anfingen sich gegen ihn und seine Leute aufzulehnen, bis jetzt waren sie doch immer glänzend miteinander ausgekommen. Leider schienen die Hühner darüber anderer Ansicht zu sein und so verließ der Priester seine Kajüte nur noch zum Essen. Er hatte es irgendwie geschafft eine Übereinkunft mit Karmesinroter Drache zu treffen die kriegerische Begegnungen vermied, aber es war ein künstlich erkaufter Frieden und das schien jeder an Bord zu wissen. So war es an Bord des "El Pollo Diablo" ungewöhnlich still nur nur wer unbedingt hinaus musste tat dies, beispielsweise Gimbli wenn er etwas reparieren wollte oder Riley der regelmäßig den Kurs überprüfen musste. Für Agwe bedeutete das, dass seine Lektionen für Momo drastisch reduziert wurden und er mehr Zeit hatte das Tarot zu legen, etwas was er jetzt fast jede halbe Stunde tat um sicher zu gehen dass dieser Frieden Bestand haben würde. Doch schließlich war das Befragen der Karten auch nur eine Option die dem Voodoopriester offenstand und nachdem er zum vierzehnten Mal an diesem Tag erfahren hatte dass alles ruhig bleiben würde entschied er sich, das Ouijabord zu befragen. Großvaters Ouijabord. Ehrfürchtig holte er das gute Stück hervor, hustete und nieste durch eine Staubwolke die dabei aufgewirbelt wurde. Dieses uralte Stück Treibholz in das Michelle Laveau höchstpersönlich Buchstaben und wichtige Veves geritzt hatte war ein wahrer Schatz den er selbst Momo noch nicht gezeigt hatte. Zu viel mächtige Magie floss durch diese Antiquität als dass er sie einfach jedem so zeigen konnte, doch ihre Ratschläge waren absolut zuverlässig. Die Zeremonie zum Anrufen der Geister über das Ouijabord war fest vorgegeben und sehr kompliziert, doch zu seinem Glück hatte Agwe alles was er benötigte in seiner Kajüte. Und wenn dem nicht so gewesen wäre, in Begleitung dieses mächtigen Artefakts musste er selbst die Hühner nicht fürchten. Im Notfall konnte er es ihnen immer noch über den gefiederten Schädel ziehen, denn auch wenn es nicht so aussah war Großvaters Ouijabord ziemlich stabil.
"Papa Legba! Spirit of da gate! Ich rufe dich! Zeige mir die Geister die mir am nächsten sind!" Die Vorbereitungen für die heilige Zeremonie hatten länger gedauert als gedacht, vor allem da Agwe sich beim Anzünden der Räucherstäbchen zweimal selbst angezündet hatte, der Geruch nach brennendem Stoff mischte sich unter den der exotischen Duftkräuter. Auf dem Ouijabord lag ein Glas, aus dem Agwe gerade in einem Zug den heiligen Rum getrunken hatte um die Geister milde zu stimmen für die Fragen die er ihnen stellen würde. Langsam legte er einen Finger darauf und spürte wie er warm wurde, ein untrügliches Zeichen dass ein Geist, möglicherweise sogar ein Loa, von ihm Besitz ergriff. "Geist! Sprich! Kannst du mich hören?" Eine Weile zitterte das Glas nur unruhig wie ein nervöses Kind das nicht wusste in welche Richtung es weglaufen sollte, doch dann zischte es von Agwes Finger, der nun nicht mehr sein eigener war, geführt los und berührte in schneller Folge zwei Buchstaben. J und A. Ja. Sehr gut. "So denn, Geist, verrate mir deinen Namen, man, auf dass ich weiß wer du bist und dir Respekt zollen kann!" Diesmal brauchte das Glas deutlich länger, auch wenn es diesmal sofort los flitzte. Teils weil das Wort welches es nun bildete länger war, aber auch weil die Buchstaben zum Teil sehr weit auseinander lagen. "J. A. Z. Z. A. M. A. R. Jazzamar." Natürlich kannte Agwe den Namen dieses Geistes und auf seinem Gesicht breitete sich ein zufriedenes Lächeln aus. Jazzamar war die Loa der Künste, allem voran der Musik, und ein freundlicher Geist, wenn auch manchmal etwas eigensinnig. Aber das waren alle Loa auf ihre Weise, doch es war kein Fall bekannt in dem Jazzamar jemals böse geworden wäre. Der Voodoopriester begann sich zu entspannen. "Jazzamar, man, dein Diener verlangt demütigst nach einer Antwort, so du sie geben magst. Werden die Hühner, die gefiederten Teufel dieses Schiffes und seine wahren Herren, uns leben lassen?" Das Glas zitterte wieder unentschlossen und Agwe wartete geduldig ab. Das Herz des Voodoopriesters klopfte stark und er spürte wie sich ein dünner Schweißfilm auf seiner Stirn bildete. Von draußen ertönte ein ominöses Scharren und Gackern als ob ein Huhn an seinem Sarg kratzte. "Man?" Dann passierte etwas. Das Glas flitzte wieder los und pausierte zwischendurch, was ein Leerzeichen andeutete. Diesmal formte es also nicht nur einzelne Worte sondern einen ganzen Satz. "H.A.L.T.S....M.A.U.L. Halt's Maul?" Agwe zog eine Augenbraue hoch, nahm den Finger aber nicht vom Glas. "Was soll das heißen, maaaaaa?" Und damit versank er in der Dunkelheit.
Als Agwe wieder zu sich kam sah er dass Haydee, Edward und Momo über ihn gebeugt standen. "Ugh...", war das erste was er hervorbrachte, ihm war immer noch schwindelig und sein Mund schmeckte nach Asche. Was das bedeutete war ihm klar auch wenn es ihm bisher noch nicht passiert war. Jazzamar war nicht in der Stimmung gewesen zu antworten und war daher verschwunden, nicht ohne dem dreisten Fragesteller einen Denkzettel zu verpassen. Das war nicht ungewöhnlich, viele Loa taten das und einige ließen den Fragesteller nicht einmal am Leben. Doch irgendetwas war anders. Etwas stimmte nicht. Spielte da jemand Gitarre? Der Voodoopriester sah zu Edward, doch der hatte sein Instrument nicht dabei. Ob etwa Riley oder Gimbli...? Weiter kam Agwe in seinen Überlegungen nicht, denn mit einem Mal wurde die Gitarre lauter und seltsamerweise setzte nun auch eine Harfe ein. Was zum Reiher war hier los?
"Oh Kapitän, mein Kapitän, es ist so gut dich wach zu sehn'!
Für fast zwei Stunden lagst du da, doch jetzt ist alles wunderbar!
Oh Kapitän, mein Kapitän, doch kann ich eines nicht verstehn'!
Was ist dieses Brett dort neben dir, das wusste niemand von uns hier!"
Moment. Hatte Eddie schon immer so mit ihm gesprochen? Der Voodoopriester überlegte. Nein, soweit er sich erinnern konnte hatte der bebrillte Bastler ihn noch niemals "Kapitän" genannt. Oder mit einer zwar sehr rauchigen aber zweifellos schönen Stimme zu ihm gesungen. Hatten sie das geprobt als er bewusstlos gewesen war? "Nichts für ungut, Eddie-Boy, aber what the heck, man?" Den verständnislosen Blicken seiner Crew konnte der Voodoopriester entnehmen dass sie nicht ganz verstanden was er hatte. Möglicherweise gab es ja einen logischen Grund für die Musik und das Gesinge. Hatte vielleicht irgendjemand Geburtstag? Noch bevor Agwe diesen Gedankengang weiter vertiefen konnte ertönte mit einem Mal ein Geräusch als hätte jemand eine elektronisch verstärkte Gitarre fallen gelassen, gefolgt von einem schnellen Trommelwirbel.
"We are okay!
With everything in our hands!
Are you okay too?
We're the Mojo Bunch!"
Jetzt war es Momo die gesungen hatte, begleitet von schrillen Gitarren und Trommelwirbeln. Wobei "singen" nicht ganz der richtige Ausdruck war, sie hatte eher geschrien. Die Situation wurde von Sekunde zu Sekunde merkwürdiger, vor allem da Haydee jetzt in einem Bass zu singen begann der klang als sänge ein Wal in einem Brunnenschacht. Dazu spielte ein Streicherchor eine getragene Melodie im Hintergrund:
"Lasst den Kapitän erst mal stehn!" Dann verklang die Musik.
"Ey, Nü-kahs, Land in Sicht!" Das war Rileys Stimme, ganz ohne musikalische Begleitung, offenbar beteiligte er sich an diesem Streich nicht. "Ich halt' straight darauf zu, aight bros?" "Aight, man!", rief Agwe zurück, laut genug dass Riley es hören konnte obwohl er seinen Kopf nicht wie üblich aus der Kajüte steckte. Wenn er jetzt, immer noch halb ko und zudem stark verwirrt, nach draußen zu den Hühnern ging würde das die Sache nur noch verschlimmern. Schlimmstenfalls hatten Eddie, Momo und Haydee sie für ihren kleinen Streich auch noch gewonnen und im Chor gackerndes Federvieh konnte Agwe im Moment wirklich nicht gebrauchen. "Okay, people, verzieht' euch, ich hau' mich ne Runde aufs Ohr. Und lasst gefälligst diese Singerei, man, da kriegt man ja Kopfschmerzen!" Momo und Eddie sahen Agwe mit fragender Miene an, nur Haydee nickte ergeben. "...nicht singen...", nuschelte sie und hielt sich dabei zu Agwes Freude an seinen Befehl. Warum konnten nicht alle an Bord ein wenig mehr sein wie sie?
Nachdem er etwa zwei Stunden geruht hatte traute Agwe sich seit langem einmal wieder nach draußen und kniff die Augen zusammen. Es war Mittag, die Sonne stand hoch am Himmel und zu seiner grenzenlosen Erleichterung schliefen die Hühner momentan. Zwar ging er vorsichtshalber immer noch auf Zehenspitzen, aber zumindest traute er sich nun wieder über das Deck zu gehen und ans Steuerrad zu treten um das Land zu inspizieren welches sein neuer Navigator entdeckt hatte. "Check dis out, nü-kah! Damn melon 'land. We be there in an hour", informierte ihn Riley, während Agwe sich eine Zigarette anzündete. Die seltsame Gesangseinlage hatte er für den Moment vergessen, dafür war der Anblick der sich ihm bot einfach zu spektakulär. Aus der eher unscheinbaren mit einigem Grün und weißen Städten bewachsenen Insel ragte eine riesige Discokugel empor, darunter prangte in mehreren hundert Meter hohen Buchstaben der Schriftzug "FUNK!". Agwe kannte diese Insel, er hatte ein paar Mal über sie gelesen und jetzt wo er so darüber nachdachte war er sich nicht ganz sicher ob er sie wirklich besuchen wollte. Mirrorball Island. Die Insel des ewigen Tanzes. Doch leider wusste er insgeheim nur zu gut dass sie hier anlegen mussten, auch wenn sie Trinkwasser und Vorräte genug hatten um sie bei Bedarf zu umschiffen. Aber die Hühner brauchten anscheinend Auslauf um sich abzureagieren und den konnte ihnen das Schiff nicht bieten, sodass der Mojo Bunch gezwungen war, anzulegen. Egal ob es ihrem Kapitän jetzt passte oder nicht. "Aight. You stay game, nü-kah, I be restin' out there, man. Take care and be silent." Damit schlich Agwe sich auf Zehenspitzen wieder herunter, tierisch darauf bedacht die Hühner nicht durch ein unbedachtes Geräusch zu reizen. Dummerweise trat er dabei auf einen Putzlappen und wäre um ein Haar auf eines der schlafenden Tiere gefallen, was er nur dadurch verhinden konnte dass er sich im Fall zur Seite drehte und mit dem Gesicht zuerst in einem Eimer Putzwasser landete den jemand dort stehen gelassen hatte. "Gluck. Glucker. Glaarrgl", lautete Agwes Kommentar dazu. Was gab es zu so einer Situation auch mehr zu sagen?
Das Anlegen am Hafen klappte dieses Mal ohne große Probleme, auch dank Riley der noch irgendetwas davon schwafelte dass rückwärts einzuparken mit Spiegeln viel leichter wäre. Nachdem Agwe ihm erklärt hatte dass so etwas ziemlicher Unsinn wäre ging er an Land und wurde sofort von einem geschniegelten Kerl in einem Anzug begrüßt der so grell war dass sogar Agwe ihn nur noch "geschmacklos" nennen konnte. Das blonde Haar war sauber frisiert und sein Lächeln war so breit dass man Angst haben musste vom Strahlen seiner perlweißen Zähne geblendet zu werden. "Guten Tag! Sind Sie wegen dem Kostümfest hier? Gutes Kostüm, wirklich, ja. Der verrückte Hexendoktor, ein Klassiker, die Leute werden Sie lieben!" "Wow, wow, wow, wow, man, take it easy. Kostümfest?" "Ja", nickte der Besitzer der perlweißen Zähne mit einem noch viel strahlenderen Lächeln. "Ich dachte Sie wären deswegen hier mit Ihrer.. nunja, was soll's. In einer Woche jedenfalls haben wir hier ein rauschendes Fest der Kostüme. Jeder hier wird sich verkleiden. Wenn Sie noch Kostüme brauchen, ich kann Ihnen einige hervorragende Schneidereien empfehlen, aber natürlich ist es immer lustiger wenn man sie selbst macht. Kann das einer von Ihnen?" Agwe blickte sich um, sah in Richtung seiner Crew die gerade damit beschäftigt war von Bord zu gehen. Das gestaltete sich als nicht ganz einfach, da jeder von ihnen zu vermeiden versuchte auf ein Huhn zu treten was nur Haydee mit ihrer spielerischen Eleganz wirklich gelang. Alle anderen stolperten alle naselang über ihre eigenen Füße oder fielen sogar von Bord direkt auf das Kopfsteinpflaster des Hafens. "I dunno, man. Can we?"
"Papa Legba! Spirit of da gate! Ich rufe dich! Zeige mir die Geister die mir am nächsten sind!" Die Vorbereitungen für die heilige Zeremonie hatten länger gedauert als gedacht, vor allem da Agwe sich beim Anzünden der Räucherstäbchen zweimal selbst angezündet hatte, der Geruch nach brennendem Stoff mischte sich unter den der exotischen Duftkräuter. Auf dem Ouijabord lag ein Glas, aus dem Agwe gerade in einem Zug den heiligen Rum getrunken hatte um die Geister milde zu stimmen für die Fragen die er ihnen stellen würde. Langsam legte er einen Finger darauf und spürte wie er warm wurde, ein untrügliches Zeichen dass ein Geist, möglicherweise sogar ein Loa, von ihm Besitz ergriff. "Geist! Sprich! Kannst du mich hören?" Eine Weile zitterte das Glas nur unruhig wie ein nervöses Kind das nicht wusste in welche Richtung es weglaufen sollte, doch dann zischte es von Agwes Finger, der nun nicht mehr sein eigener war, geführt los und berührte in schneller Folge zwei Buchstaben. J und A. Ja. Sehr gut. "So denn, Geist, verrate mir deinen Namen, man, auf dass ich weiß wer du bist und dir Respekt zollen kann!" Diesmal brauchte das Glas deutlich länger, auch wenn es diesmal sofort los flitzte. Teils weil das Wort welches es nun bildete länger war, aber auch weil die Buchstaben zum Teil sehr weit auseinander lagen. "J. A. Z. Z. A. M. A. R. Jazzamar." Natürlich kannte Agwe den Namen dieses Geistes und auf seinem Gesicht breitete sich ein zufriedenes Lächeln aus. Jazzamar war die Loa der Künste, allem voran der Musik, und ein freundlicher Geist, wenn auch manchmal etwas eigensinnig. Aber das waren alle Loa auf ihre Weise, doch es war kein Fall bekannt in dem Jazzamar jemals böse geworden wäre. Der Voodoopriester begann sich zu entspannen. "Jazzamar, man, dein Diener verlangt demütigst nach einer Antwort, so du sie geben magst. Werden die Hühner, die gefiederten Teufel dieses Schiffes und seine wahren Herren, uns leben lassen?" Das Glas zitterte wieder unentschlossen und Agwe wartete geduldig ab. Das Herz des Voodoopriesters klopfte stark und er spürte wie sich ein dünner Schweißfilm auf seiner Stirn bildete. Von draußen ertönte ein ominöses Scharren und Gackern als ob ein Huhn an seinem Sarg kratzte. "Man?" Dann passierte etwas. Das Glas flitzte wieder los und pausierte zwischendurch, was ein Leerzeichen andeutete. Diesmal formte es also nicht nur einzelne Worte sondern einen ganzen Satz. "H.A.L.T.S....M.A.U.L. Halt's Maul?" Agwe zog eine Augenbraue hoch, nahm den Finger aber nicht vom Glas. "Was soll das heißen, maaaaaa?" Und damit versank er in der Dunkelheit.
Als Agwe wieder zu sich kam sah er dass Haydee, Edward und Momo über ihn gebeugt standen. "Ugh...", war das erste was er hervorbrachte, ihm war immer noch schwindelig und sein Mund schmeckte nach Asche. Was das bedeutete war ihm klar auch wenn es ihm bisher noch nicht passiert war. Jazzamar war nicht in der Stimmung gewesen zu antworten und war daher verschwunden, nicht ohne dem dreisten Fragesteller einen Denkzettel zu verpassen. Das war nicht ungewöhnlich, viele Loa taten das und einige ließen den Fragesteller nicht einmal am Leben. Doch irgendetwas war anders. Etwas stimmte nicht. Spielte da jemand Gitarre? Der Voodoopriester sah zu Edward, doch der hatte sein Instrument nicht dabei. Ob etwa Riley oder Gimbli...? Weiter kam Agwe in seinen Überlegungen nicht, denn mit einem Mal wurde die Gitarre lauter und seltsamerweise setzte nun auch eine Harfe ein. Was zum Reiher war hier los?
"Oh Kapitän, mein Kapitän, es ist so gut dich wach zu sehn'!
Für fast zwei Stunden lagst du da, doch jetzt ist alles wunderbar!
Oh Kapitän, mein Kapitän, doch kann ich eines nicht verstehn'!
Was ist dieses Brett dort neben dir, das wusste niemand von uns hier!"
Moment. Hatte Eddie schon immer so mit ihm gesprochen? Der Voodoopriester überlegte. Nein, soweit er sich erinnern konnte hatte der bebrillte Bastler ihn noch niemals "Kapitän" genannt. Oder mit einer zwar sehr rauchigen aber zweifellos schönen Stimme zu ihm gesungen. Hatten sie das geprobt als er bewusstlos gewesen war? "Nichts für ungut, Eddie-Boy, aber what the heck, man?" Den verständnislosen Blicken seiner Crew konnte der Voodoopriester entnehmen dass sie nicht ganz verstanden was er hatte. Möglicherweise gab es ja einen logischen Grund für die Musik und das Gesinge. Hatte vielleicht irgendjemand Geburtstag? Noch bevor Agwe diesen Gedankengang weiter vertiefen konnte ertönte mit einem Mal ein Geräusch als hätte jemand eine elektronisch verstärkte Gitarre fallen gelassen, gefolgt von einem schnellen Trommelwirbel.
"We are okay!
With everything in our hands!
Are you okay too?
We're the Mojo Bunch!"
Jetzt war es Momo die gesungen hatte, begleitet von schrillen Gitarren und Trommelwirbeln. Wobei "singen" nicht ganz der richtige Ausdruck war, sie hatte eher geschrien. Die Situation wurde von Sekunde zu Sekunde merkwürdiger, vor allem da Haydee jetzt in einem Bass zu singen begann der klang als sänge ein Wal in einem Brunnenschacht. Dazu spielte ein Streicherchor eine getragene Melodie im Hintergrund:
"Lasst den Kapitän erst mal stehn!" Dann verklang die Musik.
"Ey, Nü-kahs, Land in Sicht!" Das war Rileys Stimme, ganz ohne musikalische Begleitung, offenbar beteiligte er sich an diesem Streich nicht. "Ich halt' straight darauf zu, aight bros?" "Aight, man!", rief Agwe zurück, laut genug dass Riley es hören konnte obwohl er seinen Kopf nicht wie üblich aus der Kajüte steckte. Wenn er jetzt, immer noch halb ko und zudem stark verwirrt, nach draußen zu den Hühnern ging würde das die Sache nur noch verschlimmern. Schlimmstenfalls hatten Eddie, Momo und Haydee sie für ihren kleinen Streich auch noch gewonnen und im Chor gackerndes Federvieh konnte Agwe im Moment wirklich nicht gebrauchen. "Okay, people, verzieht' euch, ich hau' mich ne Runde aufs Ohr. Und lasst gefälligst diese Singerei, man, da kriegt man ja Kopfschmerzen!" Momo und Eddie sahen Agwe mit fragender Miene an, nur Haydee nickte ergeben. "...nicht singen...", nuschelte sie und hielt sich dabei zu Agwes Freude an seinen Befehl. Warum konnten nicht alle an Bord ein wenig mehr sein wie sie?
Nachdem er etwa zwei Stunden geruht hatte traute Agwe sich seit langem einmal wieder nach draußen und kniff die Augen zusammen. Es war Mittag, die Sonne stand hoch am Himmel und zu seiner grenzenlosen Erleichterung schliefen die Hühner momentan. Zwar ging er vorsichtshalber immer noch auf Zehenspitzen, aber zumindest traute er sich nun wieder über das Deck zu gehen und ans Steuerrad zu treten um das Land zu inspizieren welches sein neuer Navigator entdeckt hatte. "Check dis out, nü-kah! Damn melon 'land. We be there in an hour", informierte ihn Riley, während Agwe sich eine Zigarette anzündete. Die seltsame Gesangseinlage hatte er für den Moment vergessen, dafür war der Anblick der sich ihm bot einfach zu spektakulär. Aus der eher unscheinbaren mit einigem Grün und weißen Städten bewachsenen Insel ragte eine riesige Discokugel empor, darunter prangte in mehreren hundert Meter hohen Buchstaben der Schriftzug "FUNK!". Agwe kannte diese Insel, er hatte ein paar Mal über sie gelesen und jetzt wo er so darüber nachdachte war er sich nicht ganz sicher ob er sie wirklich besuchen wollte. Mirrorball Island. Die Insel des ewigen Tanzes. Doch leider wusste er insgeheim nur zu gut dass sie hier anlegen mussten, auch wenn sie Trinkwasser und Vorräte genug hatten um sie bei Bedarf zu umschiffen. Aber die Hühner brauchten anscheinend Auslauf um sich abzureagieren und den konnte ihnen das Schiff nicht bieten, sodass der Mojo Bunch gezwungen war, anzulegen. Egal ob es ihrem Kapitän jetzt passte oder nicht. "Aight. You stay game, nü-kah, I be restin' out there, man. Take care and be silent." Damit schlich Agwe sich auf Zehenspitzen wieder herunter, tierisch darauf bedacht die Hühner nicht durch ein unbedachtes Geräusch zu reizen. Dummerweise trat er dabei auf einen Putzlappen und wäre um ein Haar auf eines der schlafenden Tiere gefallen, was er nur dadurch verhinden konnte dass er sich im Fall zur Seite drehte und mit dem Gesicht zuerst in einem Eimer Putzwasser landete den jemand dort stehen gelassen hatte. "Gluck. Glucker. Glaarrgl", lautete Agwes Kommentar dazu. Was gab es zu so einer Situation auch mehr zu sagen?
Das Anlegen am Hafen klappte dieses Mal ohne große Probleme, auch dank Riley der noch irgendetwas davon schwafelte dass rückwärts einzuparken mit Spiegeln viel leichter wäre. Nachdem Agwe ihm erklärt hatte dass so etwas ziemlicher Unsinn wäre ging er an Land und wurde sofort von einem geschniegelten Kerl in einem Anzug begrüßt der so grell war dass sogar Agwe ihn nur noch "geschmacklos" nennen konnte. Das blonde Haar war sauber frisiert und sein Lächeln war so breit dass man Angst haben musste vom Strahlen seiner perlweißen Zähne geblendet zu werden. "Guten Tag! Sind Sie wegen dem Kostümfest hier? Gutes Kostüm, wirklich, ja. Der verrückte Hexendoktor, ein Klassiker, die Leute werden Sie lieben!" "Wow, wow, wow, wow, man, take it easy. Kostümfest?" "Ja", nickte der Besitzer der perlweißen Zähne mit einem noch viel strahlenderen Lächeln. "Ich dachte Sie wären deswegen hier mit Ihrer.. nunja, was soll's. In einer Woche jedenfalls haben wir hier ein rauschendes Fest der Kostüme. Jeder hier wird sich verkleiden. Wenn Sie noch Kostüme brauchen, ich kann Ihnen einige hervorragende Schneidereien empfehlen, aber natürlich ist es immer lustiger wenn man sie selbst macht. Kann das einer von Ihnen?" Agwe blickte sich um, sah in Richtung seiner Crew die gerade damit beschäftigt war von Bord zu gehen. Das gestaltete sich als nicht ganz einfach, da jeder von ihnen zu vermeiden versuchte auf ein Huhn zu treten was nur Haydee mit ihrer spielerischen Eleganz wirklich gelang. Alle anderen stolperten alle naselang über ihre eigenen Füße oder fielen sogar von Bord direkt auf das Kopfsteinpflaster des Hafens. "I dunno, man. Can we?"
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