Lace wirkte ein bisschen...überspannt, als sie hinter dem Jaguar auf die Füße kam, was daran liegen konnte, dass ihr Körper immer noch Zuckungen in alle möglichen Richtungen ausführte. Ihr linkes Augenlid flatterte ununterbrochen und ihr Kopf ruckte immer wieder Richtung Schulter. Hauchdünne Blitze sprangen auf kurze Strecken über ihrem Körper hin und her.
Es schien der Piratin schwer zu fallen ihre Beine in Bewegung zu setzen, als sie auf Bartleby zuging waren ihre Bewegungen ungelenk und zackig. Dafür spuckten ihre Augen Feuer.
„B-Bartelby F-Fonz....“
Der Fischmann drehte sich um. Zuerst strahlte er noch voller Stolz darüber, dass er seine Kapitänin gerettet hatte, als er dann jedoch erkannte in welchem Zustand sie sich befand veränderte sich sein Gesichtsausdruck von bestürzt zu schuldbewusst. Lace sah wirklich verboten aus. Die Haare standen in alle Richtungen ab, als hätte jemand einen Luftballon daran gerieben, das Make – Up... naja, lassen wir das Make-Up, aber das Schlimmste war der Kimono.
Die feine Seide war vom matschigen Urwaldboden besudelt, hier und dort zeigten sich Grasflecken, ein langer Riss zierte den linken Ärmel und als wäre das noch nicht genug zeigten sich überall kleine Brandmale, an denen die elektrische Spannung von dem Tier zu Lace übergesprungen war.
Wahrscheinlich war es nicht ganz fair, aber Shitazawa gab Fonz in diesem Augenblick die Hauptschuld an der ganzen Misere.
„H-ast du e-eine A-Ahnung, wie w-wertvoll d-dieser...“
Das Sprechen fiel der jungen Frau schwer, aber wie häufig verlieh ihr ihre Wut ungeahnte Willenskraft. Bartleby stand dort wie ein großer, blauer Hund und harrte der Dinge, die da kommen mochten.
„I-Ich schwöre b-bei allem, w-was mir heilig i-ist....“
Schwerfällig baute sich die Hackenhändige vor ihrem Crewmitglied auf, holte mit ihrem gesunden Arm aus und wollte B. wohl mit voller Kraft einen Faustschlag verpassen, leider wandelte die Elektrizität in ihrem Körper den Befehl um und Lace schaffte es sich selbst einen wirklich brutalen Kinnhaken zu verpassen, mit dem sie sich postwendend in eine Ohnmacht schlug. Sie ging zu Boden wie ein nasser Sack.
Der Wind peitschte unnachgiebig über die Felsen von Graveyard Island und wie immer nieselte es ein wenig. Der Nebel hüllte alles mit seinem feinen Dunst ein und machte die Kleidung klamm, doch Lace spürte die Kälte nicht. Sie hatten ihn gefunden...endlich. Malcolm Spencer, diesen räudigen, ehrlosen Verräter. Und diesmal würde er ihr nicht durch die Finger schlüpfen. Hier oben auf den Klippen gab es keine Möglichkeit zur Flucht.
„Ich hätte nicht gedacht dich nochmal wieder zusehen, Raiha.“
Spencer stand mit einem spottendem Lächeln im Gesicht am Rand der Klippen und sah der Schwarzhaarigen entgegen.
„Solltest du nicht bei deiner Hinrichtung sein?“
Lace kam zwischen den Bäumen hervor und ging mit langsamen Schritten auf ihn zu. Ihr Gang wirkte mühsam, erstarrt und steif, hatte wenig mit der sonst so hochmütigen Haltung zu tun, die die Schwertkämpferin sonst auszeichnete. Shitazawa schien überhaupt nicht sie selbst zu sein.
Ihr Haar war eine Katastrophe, ein schwarzes Vogelnest, durchzogen von wild durcheinander stehenden Holzkämmen, Nadeln und anderem sonst so sorgfältig hinein gestecktem Schmuck. Ihr Kimono war dreckig und die kostbare Seide halb von einem sackähnlichen Mantel aus grau-verwaschener Wolle verdeckt. Ihr Make-Up, wohl vor Tagen aufgelegt - weggewischt oder verschmiert. Tränenspuren zogen sich in schwarzen Schlieren von den Augen bis hinab zum Kinn. Lace hatte in ihrem ganzen Leben noch nie so furchtbar ausgesehen...und ihr Spiegelbild war ihr noch nie so egal gewesen.
„Ich bin bei einer Hinrichutng.“
In ihrer unmöglichen Aufmachung blieb sie ein paar Meter vor Malcolm stehen und schüttelte den Umhang von ihren Schultern.
„Danach...“
Ein leises, schleifendes Geräusch erklang, als sie mit dem Daumen ihrer linken Hand das Schwert in seiner Scheide lockerte.
„...werde ich zu einer Beerdigung gehen.“
Die Stimme der jungen Frau war geeignet einem einen Schauer über den Rücken wandern zu lassen. Sie war kaum mehr als ein heiseres Flüstern, doch begleitet von einem unterdrückten Grollen, das irgendwo tief aus dem Brustkorb zu kommen schien und etwas ganz und gar unmenschliches an sich hatte. Schlimmer aber war der Blick ihrer Augen, mit denen Lace den Mann vor sich anstarrte. Schwarze Diamanten, kalt, leblos und vollkommen leer.
„Wo du gerade nochmal mit dem Leben davon gekommen bist solltest du....“
Spencer kam nicht dazu seinen Satz zu beenden. Er hatte gerade noch Zeit sein Schwert zu ziehen ehe Lace einen explosionsartigen Angriff startete. Die kurze Distanz zwischen den beiden war in einem Moment überwunden und Stahl prallte gegen Stahl. Die Klingen kratzten aneinander vorbei, trennten und trafen sich erneut.
„Dumme Göre!“
Malcolm nutzte seinen schwereren Körper und stieß Lace mit Hilfe seines Schwertes von sich weg.
„Glaubst du ich lasse mich von einer Hure aus Casino-Town töten? Ehe das passiert lernen Schweine fliegen!“
Seine Gegnerin antwortete nicht und attackierte ihn erneut, nachdem sie ihr Gleichgewicht wieder gefunden hatte. Wie eine Furie schlug, hackte und stach sie auf den Mann vor sich ein und vernachlässigte dabei vollkommen die eigene Deckung. Spencer sah die Lücken, bekam aber keine Zeit sie zu nutzen, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt seine eigene Verteidigung aufrecht zu halten. Unaufhaltsam wurde er weiter und weiter an den Abgrund getrieben. Man konnte nur erahnen wie weit es von dort aus in die Tiefe ging, der Nebel verschluckte alles, aber die Brandung wirkte beunruhigend leise.
Erneut schabten Säbel und Kantana einander vorbei, Funken stoben und Laces Gesicht kam Spencers so nah, dass sich ihre Nasen beinahe berührten.
„Du hast diese Welt schon viel zu lange mit deiner Anwesenheit belästigt, du Bastard. Ein Umstand, den ich heute zu korrigieren gedenke!“
Malcolm schnaubte abfällig, aber man spürte seine Unsicherheit. Der blanke Hass, der ihm entgegen schlug und die Wut, die damit einher ging ließen ihn zu dem Schluss kommen, dass er in Schwierigkeiten war. Aber das hier war nur eine Nutte! Ein billiges Flittchen aus der Vergnügungshölle des North Blue. So eine Schlampe konnte ihm doch nicht gefährlich werden.
Die Spitze von Laces Katana zeigte ihm, dass er sich irrte. Sie zog ihm die Klinge quer über die Brust und nur ein gewagter Sprung nach hinten, der den Piraten fast in die Tiefe stürzen ließ, rettete ihn vor einer wirklich üblen Verletzung. Um nicht abzurutschen ließ er sich instinktiv auf die Knie fallen. Lace stand turmhoch über ihm, maß ihn mit einem Blick, dem sie auch einem besonders ekelhaften Insekt geschenkt hätte.
„Und du kommst noch viel zu billig davon“, knurrte sie. „Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich dir bei lebendigem Leib die Haut von den Knochen ziehen. Jetzt muss es reichen, dich in die Hölle zu schicken. Für Verräter gibt es dort ein besonderes Plätzchen.“
Sie hob das Schwert hoch über ihren Kopf und wollte gerade zustoßen, als Spencer eine blitzschnelle Bewegung machte und ihr eine Ladung Kiesel und kleiner Steine ins Gesicht schmiss. Lace wandte instinktiv den Kopf und hob ihren rechten Arm um sich zu schützen, die paar Sekunden reichten ihrem Gegner. Malcolm packte seinen Säbel und ließ ihn niedersausen – direkt auf den Schwertarm seiner Kontrahentin. Shitazawas Schrei gellte aufs Meer hinaus und die beiden Feinde wechselten die Position. Nun lag die Exgeisha am Boden und während sie sich den blutigen Stumpf an die Brust drückte kam Spencer wieder auf die Füße.
„Weißt du, Reiha...“, erklärte er gönnerhaft. „So gefällst du mir viel besser. Man erkennt, dass du Erfahrung darin hast vor Männern zu liegen. Du hättest dabei bleiben sollen anstatt Piratin zu werden und dich diesen Schlappschwänzen anzuschließen. Wahrscheinlich hat es dir auch keiner von denen je richtig besorgt.“
Lace hob trotzig den Kopf und sah ihn hasserfüllt an. Spencer nahm den Säbel um ihr den Rest zu geben und plötzlich umspielte ein kleines, gemeines Lächeln ihre Lippen.
„Ich bedaure es wirklich nicht auf dein Grab pissen zu können.“
Dann trat sie zu. Blitzschnell und brutal traf sie ihn in den Magen und was der Schwertstreich zuvor nicht schaffe erledigte nun der Absatz ihres Schuhs. Malcolm verlor das Gleichgewicht, rutschte ab und fiel. Rückwärts stürzte er in die Tiefe und wurde vom Nebel verschluckt.
„Spencer....“
„Lace! Lace, wach auf!“
„Spen....“
Noch halb benommen knallte sie Sheng ihre Faust ins Gesicht. Der Unglückliche hatte sich über sie gebeugt und ihre Schultern geschüttelt, jetzt fiel er nach hinten, hielt sich die Nase.
„Oh Gott, sie hat es schon wieder getan! Meine Nase! Meine wunderschöne Nase!“
Lace schlug die Augen auf und brauchte einen Moment, ehe sie das grüne Blätterdach über sich erkannte und verstand, dass sie sich nicht mehr im eisigen North Blue sondern in der Schwüle von Rolions Dschungel befand. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, wie so oft, wenn sie diese Erinnerung im Traum erneut durchlebte. Und wie schon damals fragte sie sich, ob Malcolm Spencers Körper tatsächlich an Graveyards felsiger Küste zerschmettert worden war. Ein nagender Gedanke. Hätte sie doch nur die Leiche gesehen um sicher zu sein. Es war fast unmöglich, aber wie meist, wenn eine Sache wichtig und nicht völlig geklärt war erschien auch das unwahrscheinlichste Szenario vernünftig.
Nein. Spencer war tot. Punkt und aus. Sie würde die Zweifel daran einfach nicht mehr zu lassen.
Mühsam richtete sich Shitazawa auf, sah Sheng an, der wie immer aus einer Mücke einen Elefanten machte und den sterbenden Schwan spielte. Über ihren Köpfen grollte Donner und es schien, als wollte der Regenwald seinem Namen Ehre machen wollen.
Nüchtern rappelte sie sich auf, zog auch Theodor auf die Füße und erklärte ihm genervt, er sollte sich nicht so anstellen. LaCroix und B. schienen erleichtert, vor allem Fonz als er erkannte, dass Shitazawa scheinbar ihre Rachepläne gegen ihn einfach vergessen hatte.
„Wird Zeit, dass wir hier weg kommen...“, murmelte sie abwesend, fummelte ein wenig an ihrem Kimono herum und sah sich um, ursprünglich um die Orientierung wieder zu finden, dann aber entdeckte sie den toten Körper der Raubkatze und trotz ihrer völlig ruinierten Erscheinung schaffte sie es ohne Probleme in den Tussi-Modus zu switchen und sich zu benehmen, als wäre sie gerade in einer totschicken Boutique.
„Oh – mein – Gott! Schaut euch diesen Pelz an!“
Die Männer um sie herum wirkten leicht irritiert, als sie sich über die Katze beugte und ehrfürchtig über ihr Fell strich. Wie zum Teufel kam sie jetzt auf diesen Gedanken? Hier, mitten im niergendwo?
„Daraus könnte man eine tolle Stola machen...oder Handschuhe! Wir müssen das unbedingt mitnehmen.“
Sheng sah aus, als müsste er sich gleich übergeben, während er ihr dabei zu sah, wie sie den Kadaver streichelte.
„Du weißt, aber schon, dass das Ding tot ist, oder? Hast du eine Ahnung wie viele KEIME da dran sind? Und Flöhe und Zecken und was weiß der Henker noch alles!“
LaCroix stieß B. unauffällig in die Seite.
„Könnte unsere Lacy sich heute einmal zu oft ihr Köpfchen gestoßen haben?“
Bartlebys langsamer Verstand schien zu dem selben Ergebnis zu kommen, als Lace ihr Schwert zog.
„Oh Gott! Sie häutet es, sie zieht ihm das Fell ab!“
Sheng drehte total ab, kreischte und wedelte wie ein aufgebrachter Puter mit den Armen, während er Shitazawa dabei zusah, wie sie, erstaunlich geschickt, mit dem viel zu langem Schwert dem Tier seinen Pelz stahl. Da es lag war es ziemlich mühsam, aber Lace ließ sich nicht beirren, schien sich beinahe hypnotisiert auf ihre Arbeit zu konzentrieren.
Als nur allzu deutlich die Anatomie des Kopfes unter dem Fell zu Tage trat übergab sich Sheng ins Gebüsch und LaCroix dachte offensichtlich angestrengt darüber nach, ob bei seiner Kapitänin vielleicht gerade eine Psychotherapie angesagt war.
Die ganze Aktion dauerte sicherlich über eine Stunde, bis die Piratin ihren Schatz endlich triumphierend in die Höhe hielt.
„Jetzt müssen wir nur noch einen ordentlichen Gerber finden!“
Im selben Moment gellte ein hohes Kreischen durch den Wald, der Lace, William und Bartleby zusammen zucken ließ. Der Urheber war Theodor. Keine zwei Meter vor ihm stand die riesenhafte Gestalt von Eberwald Esche, dem das pure Entsetzen ins Gesicht stand. Er starrte auf den gehäuteten Jaguar als liege dort sein eigenes Kind. Um ehrlich zu sein war Shitazawa das reichlich gleichgültig, sie konnte Esche nicht besonders leiden und was interessierte sie dieses Vieh? Die Tatsache, dass sich hinter Esche die Gestalten von gut einem halben Dutzend Parkranger abzeichneten beunruhigte sie viel eher.
„Oh je....das gibt Ärger.“
Esche trat ein paar Schritte vor und Sheng flüchtete sich hinter Fonz. Lace hielt noch immer ihr blutiges Schwert in der Hand und auch LaCroix tastete nach seinen Waffen.
„Ihr verdammten Wilderer....“
Der Ranger klang fassungslos und konnte die Augen nicht von dem Kadaver lösen.
„Ist euch eigentlich klar, dass dieses einzige Tier mehr wert ist, als jedes eurer mickrigen Leben zusammen?“
Lace zog gekonnt eine Augenbraue hoch und sagte wie oft genau das Falsche – nämlich das was sie dachte.
„Das halte ich für ein Gerücht.“
Esche sah auf und sein Gesichtsausdruck hatte etwas irres.
„Im Namen von Rolions Umweltorganisation....“, keuchte er. „...verurteile ich euch zum Tode! Das Urteil wird hier und jetzt vollstreckt!“
Damit zog er eine Machete aus seinem Gürtel, die seinen eigenen Körpermaßen entsprach.
„Darf er das überhaupt?! Das darf er doch gar nicht!!“
Sheng blamierte sie mal wieder alle bis auf die Knochen und LaCroix fasste zusammen, was alle dachten.
„Du kannst ihn ja mal davon überzeugen.“
Es schien der Piratin schwer zu fallen ihre Beine in Bewegung zu setzen, als sie auf Bartleby zuging waren ihre Bewegungen ungelenk und zackig. Dafür spuckten ihre Augen Feuer.
„B-Bartelby F-Fonz....“
Der Fischmann drehte sich um. Zuerst strahlte er noch voller Stolz darüber, dass er seine Kapitänin gerettet hatte, als er dann jedoch erkannte in welchem Zustand sie sich befand veränderte sich sein Gesichtsausdruck von bestürzt zu schuldbewusst. Lace sah wirklich verboten aus. Die Haare standen in alle Richtungen ab, als hätte jemand einen Luftballon daran gerieben, das Make – Up... naja, lassen wir das Make-Up, aber das Schlimmste war der Kimono.
Die feine Seide war vom matschigen Urwaldboden besudelt, hier und dort zeigten sich Grasflecken, ein langer Riss zierte den linken Ärmel und als wäre das noch nicht genug zeigten sich überall kleine Brandmale, an denen die elektrische Spannung von dem Tier zu Lace übergesprungen war.
Wahrscheinlich war es nicht ganz fair, aber Shitazawa gab Fonz in diesem Augenblick die Hauptschuld an der ganzen Misere.
„H-ast du e-eine A-Ahnung, wie w-wertvoll d-dieser...“
Das Sprechen fiel der jungen Frau schwer, aber wie häufig verlieh ihr ihre Wut ungeahnte Willenskraft. Bartleby stand dort wie ein großer, blauer Hund und harrte der Dinge, die da kommen mochten.
„I-Ich schwöre b-bei allem, w-was mir heilig i-ist....“
Schwerfällig baute sich die Hackenhändige vor ihrem Crewmitglied auf, holte mit ihrem gesunden Arm aus und wollte B. wohl mit voller Kraft einen Faustschlag verpassen, leider wandelte die Elektrizität in ihrem Körper den Befehl um und Lace schaffte es sich selbst einen wirklich brutalen Kinnhaken zu verpassen, mit dem sie sich postwendend in eine Ohnmacht schlug. Sie ging zu Boden wie ein nasser Sack.
Der Wind peitschte unnachgiebig über die Felsen von Graveyard Island und wie immer nieselte es ein wenig. Der Nebel hüllte alles mit seinem feinen Dunst ein und machte die Kleidung klamm, doch Lace spürte die Kälte nicht. Sie hatten ihn gefunden...endlich. Malcolm Spencer, diesen räudigen, ehrlosen Verräter. Und diesmal würde er ihr nicht durch die Finger schlüpfen. Hier oben auf den Klippen gab es keine Möglichkeit zur Flucht.
„Ich hätte nicht gedacht dich nochmal wieder zusehen, Raiha.“
Spencer stand mit einem spottendem Lächeln im Gesicht am Rand der Klippen und sah der Schwarzhaarigen entgegen.
„Solltest du nicht bei deiner Hinrichtung sein?“
Lace kam zwischen den Bäumen hervor und ging mit langsamen Schritten auf ihn zu. Ihr Gang wirkte mühsam, erstarrt und steif, hatte wenig mit der sonst so hochmütigen Haltung zu tun, die die Schwertkämpferin sonst auszeichnete. Shitazawa schien überhaupt nicht sie selbst zu sein.
Ihr Haar war eine Katastrophe, ein schwarzes Vogelnest, durchzogen von wild durcheinander stehenden Holzkämmen, Nadeln und anderem sonst so sorgfältig hinein gestecktem Schmuck. Ihr Kimono war dreckig und die kostbare Seide halb von einem sackähnlichen Mantel aus grau-verwaschener Wolle verdeckt. Ihr Make-Up, wohl vor Tagen aufgelegt - weggewischt oder verschmiert. Tränenspuren zogen sich in schwarzen Schlieren von den Augen bis hinab zum Kinn. Lace hatte in ihrem ganzen Leben noch nie so furchtbar ausgesehen...und ihr Spiegelbild war ihr noch nie so egal gewesen.
„Ich bin bei einer Hinrichutng.“
In ihrer unmöglichen Aufmachung blieb sie ein paar Meter vor Malcolm stehen und schüttelte den Umhang von ihren Schultern.
„Danach...“
Ein leises, schleifendes Geräusch erklang, als sie mit dem Daumen ihrer linken Hand das Schwert in seiner Scheide lockerte.
„...werde ich zu einer Beerdigung gehen.“
Die Stimme der jungen Frau war geeignet einem einen Schauer über den Rücken wandern zu lassen. Sie war kaum mehr als ein heiseres Flüstern, doch begleitet von einem unterdrückten Grollen, das irgendwo tief aus dem Brustkorb zu kommen schien und etwas ganz und gar unmenschliches an sich hatte. Schlimmer aber war der Blick ihrer Augen, mit denen Lace den Mann vor sich anstarrte. Schwarze Diamanten, kalt, leblos und vollkommen leer.
„Wo du gerade nochmal mit dem Leben davon gekommen bist solltest du....“
Spencer kam nicht dazu seinen Satz zu beenden. Er hatte gerade noch Zeit sein Schwert zu ziehen ehe Lace einen explosionsartigen Angriff startete. Die kurze Distanz zwischen den beiden war in einem Moment überwunden und Stahl prallte gegen Stahl. Die Klingen kratzten aneinander vorbei, trennten und trafen sich erneut.
„Dumme Göre!“
Malcolm nutzte seinen schwereren Körper und stieß Lace mit Hilfe seines Schwertes von sich weg.
„Glaubst du ich lasse mich von einer Hure aus Casino-Town töten? Ehe das passiert lernen Schweine fliegen!“
Seine Gegnerin antwortete nicht und attackierte ihn erneut, nachdem sie ihr Gleichgewicht wieder gefunden hatte. Wie eine Furie schlug, hackte und stach sie auf den Mann vor sich ein und vernachlässigte dabei vollkommen die eigene Deckung. Spencer sah die Lücken, bekam aber keine Zeit sie zu nutzen, denn er war viel zu sehr damit beschäftigt seine eigene Verteidigung aufrecht zu halten. Unaufhaltsam wurde er weiter und weiter an den Abgrund getrieben. Man konnte nur erahnen wie weit es von dort aus in die Tiefe ging, der Nebel verschluckte alles, aber die Brandung wirkte beunruhigend leise.
Erneut schabten Säbel und Kantana einander vorbei, Funken stoben und Laces Gesicht kam Spencers so nah, dass sich ihre Nasen beinahe berührten.
„Du hast diese Welt schon viel zu lange mit deiner Anwesenheit belästigt, du Bastard. Ein Umstand, den ich heute zu korrigieren gedenke!“
Malcolm schnaubte abfällig, aber man spürte seine Unsicherheit. Der blanke Hass, der ihm entgegen schlug und die Wut, die damit einher ging ließen ihn zu dem Schluss kommen, dass er in Schwierigkeiten war. Aber das hier war nur eine Nutte! Ein billiges Flittchen aus der Vergnügungshölle des North Blue. So eine Schlampe konnte ihm doch nicht gefährlich werden.
Die Spitze von Laces Katana zeigte ihm, dass er sich irrte. Sie zog ihm die Klinge quer über die Brust und nur ein gewagter Sprung nach hinten, der den Piraten fast in die Tiefe stürzen ließ, rettete ihn vor einer wirklich üblen Verletzung. Um nicht abzurutschen ließ er sich instinktiv auf die Knie fallen. Lace stand turmhoch über ihm, maß ihn mit einem Blick, dem sie auch einem besonders ekelhaften Insekt geschenkt hätte.
„Und du kommst noch viel zu billig davon“, knurrte sie. „Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich dir bei lebendigem Leib die Haut von den Knochen ziehen. Jetzt muss es reichen, dich in die Hölle zu schicken. Für Verräter gibt es dort ein besonderes Plätzchen.“
Sie hob das Schwert hoch über ihren Kopf und wollte gerade zustoßen, als Spencer eine blitzschnelle Bewegung machte und ihr eine Ladung Kiesel und kleiner Steine ins Gesicht schmiss. Lace wandte instinktiv den Kopf und hob ihren rechten Arm um sich zu schützen, die paar Sekunden reichten ihrem Gegner. Malcolm packte seinen Säbel und ließ ihn niedersausen – direkt auf den Schwertarm seiner Kontrahentin. Shitazawas Schrei gellte aufs Meer hinaus und die beiden Feinde wechselten die Position. Nun lag die Exgeisha am Boden und während sie sich den blutigen Stumpf an die Brust drückte kam Spencer wieder auf die Füße.
„Weißt du, Reiha...“, erklärte er gönnerhaft. „So gefällst du mir viel besser. Man erkennt, dass du Erfahrung darin hast vor Männern zu liegen. Du hättest dabei bleiben sollen anstatt Piratin zu werden und dich diesen Schlappschwänzen anzuschließen. Wahrscheinlich hat es dir auch keiner von denen je richtig besorgt.“
Lace hob trotzig den Kopf und sah ihn hasserfüllt an. Spencer nahm den Säbel um ihr den Rest zu geben und plötzlich umspielte ein kleines, gemeines Lächeln ihre Lippen.
„Ich bedaure es wirklich nicht auf dein Grab pissen zu können.“
Dann trat sie zu. Blitzschnell und brutal traf sie ihn in den Magen und was der Schwertstreich zuvor nicht schaffe erledigte nun der Absatz ihres Schuhs. Malcolm verlor das Gleichgewicht, rutschte ab und fiel. Rückwärts stürzte er in die Tiefe und wurde vom Nebel verschluckt.
„Spencer....“
„Lace! Lace, wach auf!“
„Spen....“
Noch halb benommen knallte sie Sheng ihre Faust ins Gesicht. Der Unglückliche hatte sich über sie gebeugt und ihre Schultern geschüttelt, jetzt fiel er nach hinten, hielt sich die Nase.
„Oh Gott, sie hat es schon wieder getan! Meine Nase! Meine wunderschöne Nase!“
Lace schlug die Augen auf und brauchte einen Moment, ehe sie das grüne Blätterdach über sich erkannte und verstand, dass sie sich nicht mehr im eisigen North Blue sondern in der Schwüle von Rolions Dschungel befand. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, wie so oft, wenn sie diese Erinnerung im Traum erneut durchlebte. Und wie schon damals fragte sie sich, ob Malcolm Spencers Körper tatsächlich an Graveyards felsiger Küste zerschmettert worden war. Ein nagender Gedanke. Hätte sie doch nur die Leiche gesehen um sicher zu sein. Es war fast unmöglich, aber wie meist, wenn eine Sache wichtig und nicht völlig geklärt war erschien auch das unwahrscheinlichste Szenario vernünftig.
Nein. Spencer war tot. Punkt und aus. Sie würde die Zweifel daran einfach nicht mehr zu lassen.
Mühsam richtete sich Shitazawa auf, sah Sheng an, der wie immer aus einer Mücke einen Elefanten machte und den sterbenden Schwan spielte. Über ihren Köpfen grollte Donner und es schien, als wollte der Regenwald seinem Namen Ehre machen wollen.
Nüchtern rappelte sie sich auf, zog auch Theodor auf die Füße und erklärte ihm genervt, er sollte sich nicht so anstellen. LaCroix und B. schienen erleichtert, vor allem Fonz als er erkannte, dass Shitazawa scheinbar ihre Rachepläne gegen ihn einfach vergessen hatte.
„Wird Zeit, dass wir hier weg kommen...“, murmelte sie abwesend, fummelte ein wenig an ihrem Kimono herum und sah sich um, ursprünglich um die Orientierung wieder zu finden, dann aber entdeckte sie den toten Körper der Raubkatze und trotz ihrer völlig ruinierten Erscheinung schaffte sie es ohne Probleme in den Tussi-Modus zu switchen und sich zu benehmen, als wäre sie gerade in einer totschicken Boutique.
„Oh – mein – Gott! Schaut euch diesen Pelz an!“
Die Männer um sie herum wirkten leicht irritiert, als sie sich über die Katze beugte und ehrfürchtig über ihr Fell strich. Wie zum Teufel kam sie jetzt auf diesen Gedanken? Hier, mitten im niergendwo?
„Daraus könnte man eine tolle Stola machen...oder Handschuhe! Wir müssen das unbedingt mitnehmen.“
Sheng sah aus, als müsste er sich gleich übergeben, während er ihr dabei zu sah, wie sie den Kadaver streichelte.
„Du weißt, aber schon, dass das Ding tot ist, oder? Hast du eine Ahnung wie viele KEIME da dran sind? Und Flöhe und Zecken und was weiß der Henker noch alles!“
LaCroix stieß B. unauffällig in die Seite.
„Könnte unsere Lacy sich heute einmal zu oft ihr Köpfchen gestoßen haben?“
Bartlebys langsamer Verstand schien zu dem selben Ergebnis zu kommen, als Lace ihr Schwert zog.
„Oh Gott! Sie häutet es, sie zieht ihm das Fell ab!“
Sheng drehte total ab, kreischte und wedelte wie ein aufgebrachter Puter mit den Armen, während er Shitazawa dabei zusah, wie sie, erstaunlich geschickt, mit dem viel zu langem Schwert dem Tier seinen Pelz stahl. Da es lag war es ziemlich mühsam, aber Lace ließ sich nicht beirren, schien sich beinahe hypnotisiert auf ihre Arbeit zu konzentrieren.
Als nur allzu deutlich die Anatomie des Kopfes unter dem Fell zu Tage trat übergab sich Sheng ins Gebüsch und LaCroix dachte offensichtlich angestrengt darüber nach, ob bei seiner Kapitänin vielleicht gerade eine Psychotherapie angesagt war.
Die ganze Aktion dauerte sicherlich über eine Stunde, bis die Piratin ihren Schatz endlich triumphierend in die Höhe hielt.
„Jetzt müssen wir nur noch einen ordentlichen Gerber finden!“
Im selben Moment gellte ein hohes Kreischen durch den Wald, der Lace, William und Bartleby zusammen zucken ließ. Der Urheber war Theodor. Keine zwei Meter vor ihm stand die riesenhafte Gestalt von Eberwald Esche, dem das pure Entsetzen ins Gesicht stand. Er starrte auf den gehäuteten Jaguar als liege dort sein eigenes Kind. Um ehrlich zu sein war Shitazawa das reichlich gleichgültig, sie konnte Esche nicht besonders leiden und was interessierte sie dieses Vieh? Die Tatsache, dass sich hinter Esche die Gestalten von gut einem halben Dutzend Parkranger abzeichneten beunruhigte sie viel eher.
„Oh je....das gibt Ärger.“
Esche trat ein paar Schritte vor und Sheng flüchtete sich hinter Fonz. Lace hielt noch immer ihr blutiges Schwert in der Hand und auch LaCroix tastete nach seinen Waffen.
„Ihr verdammten Wilderer....“
Der Ranger klang fassungslos und konnte die Augen nicht von dem Kadaver lösen.
„Ist euch eigentlich klar, dass dieses einzige Tier mehr wert ist, als jedes eurer mickrigen Leben zusammen?“
Lace zog gekonnt eine Augenbraue hoch und sagte wie oft genau das Falsche – nämlich das was sie dachte.
„Das halte ich für ein Gerücht.“
Esche sah auf und sein Gesichtsausdruck hatte etwas irres.
„Im Namen von Rolions Umweltorganisation....“, keuchte er. „...verurteile ich euch zum Tode! Das Urteil wird hier und jetzt vollstreckt!“
Damit zog er eine Machete aus seinem Gürtel, die seinen eigenen Körpermaßen entsprach.
„Darf er das überhaupt?! Das darf er doch gar nicht!!“
Sheng blamierte sie mal wieder alle bis auf die Knochen und LaCroix fasste zusammen, was alle dachten.
„Du kannst ihn ja mal davon überzeugen.“
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