Das grünhaarige Mädchen lächelte und sagte ihm, wo das Badezimmer und die Dusche zu finden waren. Sie versuchte wohl, in seiner Gegenwart, etwas fröhlich zu wirken, doch man bemerkte ihren deutlichen Unmut über das plötzliche Verschwinden ihres Patienten. Ihr Lächeln hielt nicht lange an und musste einem enttäuscht oder leicht wütend wirkenden Gesichtsausdruck Platz machen, als die junge Ärztin sich zum Behandlungstisch wandte, um sich die Blutflecke darauf anzusehen. Während ihrer Inspektion meinte sie weiter zu Jon, dass sie nur die Gehilfin sei und der alte Mann der einzige Arzt im Dorf wäre. Sie schien nicht wirklich erfreut über die Tatsache und Jon verstand nicht, warum sie es dann nicht ändern wollte, gab es doch jeden Tag wieder so viele Möglichkeiten. „Nur das Wichtigste einpacken, die Haustür aufmachen und mit der richtigen Einstellung hinaus ins Abenteuer, das ist der richtige Weg. Wenn man einem unüberwindbaren Hindernis gegenübersteht, dann muss man eben jemanden findet, der einem hilft, diese Mauer zu überwinden und über sich selbst hinauszuwachsen… hm… ich verstehe nicht, wieso es so viele Menschen gibt, die das nicht begreifen. Es wäre im Grunde doch so einfach. Nun, es ist nicht mein Leben und deswegen auch nicht meine Entscheidung, aber ein kleiner Denkanstoss kann bei niemandem schaden… mal schauen, ob sich bei ihr auch so etwas finden lässt. Sie behauptet zwar von sich, sie sei bloss eine mittelmässige Ärztin, doch diese Worte klangen verdächtig nach einer puren Resignation, nach einem verkrallen in der Gegenwart, als würde sie nicht einsehen können, dass auch sie das Recht darauf hat, über ihre Grenzen hinaus zu wachsen und die Ziele, welche sie schon lange verfolgt, wahr werden zu lassen. Falls diese Worte Bescheidenheit waren, ist ihr nicht zu helfen, ich kann mit solchen Etiketten rein gar nichts anfangen, wenn es um ein solch schwieriges Thema geht. Bescheidenheit… pff… ein Mittel der Wahl, ein Ausschmücken der Tatsachen, verleugnen der Fakten und täuschen des Gegenübers. Oberflächliches Getue, als wäre es nicht schlimmer als das Lügen oder verdecken der Gegebenheiten, ein Verbrechen an sich… schade, dass junge Leute Solches immer eingetrichtert bekommen. Ein Jammer… „
Der junge Kopfgeldjäger stand immer noch auf der Türschwelle und sah auf das dreissig Zentimeter kleinere Mädchen hinab, das gerade den Operationstisch vor dem getrockneten Blut säuberte. Sie wischte vorsichtig die roten Krümelchen auf und wandte sich während des Arbeitens an eine dritte Person im Raum, die Jonathan zuvor gar nicht bemerkt hatte. Sein Kopf ruckte herum und die Pupillen weiteten sich besorgniserregend weit, als er das Geschöpf erblickte, das dort seelenruhig auf einem Operationstischchen sass und sich die Nase zu putzen schien. „Verdammt!“, fuhr es ihm durch den Kopf, das Bild eines Frettchens brannte sich zum wiederholten Male in den letzten 24 Stunden in sein Gehirn. Wie war das pelzige Tierchen dort so schnell hingekommen? War es etwa an ihm vorbei durch die Türe gehuscht? „So nahe?“ Grauenerregende Vorstellung, ein solches Wesen in seiner nächsten Nähe gehabt zu haben. Der Kopfgeldjäger schüttelte sich vor Ekel und bewunderte einmal mehr den Mut des grünhaarigen Mädchens, das es fertig brachte, diesem Geschöpf Befehle zu erteilen. „Ich sollte mich wirklich um ihre Freundschaft bemühen, immerhin ist sie die Einzige, die mich vor einer Attacke dieses Dinges beschützen kann.“, dachte er. Mit gequält wirkendem Lächeln wandte er sich wieder der jungen Dame zu und lauschte weiter ihrer Worte. „Das Frettchen mit dem Fuss wegschieben?!“ Geht’s noch? Jonathan sah herab auf seine nackten Zehen und musste sich wiederholt zwingen, keinen Schritt weg von dem braunen Ding zu machen. „Mit einem dichten Lederschuh vielleicht, aber doch nicht barfuss!“
Er wurde von seinen düsteren Gedanken abgelenkt, als das Mädchen ihren Namen nannte. „Anija?“ Schöner Name eigentlich… da war doch mal diese blonde Wirtin mit diesem Namen gewesen… doch vielleicht sollte er die beiden nicht zu eng miteinander verbinden. „Würde das Ganze nur unnötig kompliziert machen. Schliesslich konnte ich nicht wirklich was dafür, dass der gesamte Schankraum der „anderen“ Anija verwüstet wurde, für das Meiste davon könnte man diesen rüpelhaften einäugigen Piraten verantwortlich machen.“ Dieser hatte ein Auge in einer Schlacht verloren und das Andere hatte Jon mit einem unglücklich ausgeführten Schwenker seines Bierkruges blau geschlagen, so dass der arme Mann fast gar nichts mehr sah und einfach auf alles einhieb, das im entferntesten die Farbe Rot an sich trug. Und der junge Volta hatte danach Hausverbot erhalten. Ganz toll.
„Was zum Teufel tut dieses Ding da?“
„Ferret“, wie das Frettchen von seiner Herrin schon öfters genannt worden war, schwänzelte auf Jonathan zu und begann, an ihm herumzuschnüffeln. Dessen Hautfarbe wurde proportional zu der verbleibenden Entfernung des Wesens immer weisser. Sich alle Mühe gebend, noch einen Rest Würde zu bewahren, stand der Kopfgeldjäger stocksteif auf der Stelle und versuchte sein bestes, das braune Geschöpf da auf dem Fussboden zu ignorieren. Ein Ding der Unmöglichkeit. Immer näher kam das furchtbare Raubtier und Jon glaubte unter seinem niedlichen Schnäutzchen schon messerscharfe Reisszähne hervor blitzen zu sehen. Falls Anija noch irgendetwas zu ihm gesagt hatte, ging es im dröhnen der Alarmglocken im Kopf des Rothaarigen unter, dessen Blick starr auf ihr Haustierchen gerichtet war.
Eine todbringende Tatze hob sich und raste auf sein Bein zu. Gerade der Moment, in dem die junge Doktorin das Zimmer verlassen hatte. Kaum waren ihre Schritte verklungen, machte der Waffenmeister einen Satz über den Operationstisch und presste sich dahinter an die Wand. Keuchend beobachtete er das Frettchen weiter, welches immer noch auf der Anderen Seite des rettenden Behandlungtisches hockte und sich ein Pfötchen ableckte. Es sah ihn mit schiefgelegtem Kopf an und fuhr mit der Zunge weiter über sein Fell.
„Hinterhältiges kleines Biest.“, dachte Jonathan und liess es nicht aus den Augen. Mehrere Minuten stand der Mensch dem Tier gegenüber und die Beiden sahen sich an. Das Tier mit der Grösse einer Schuhschachtel gelassen wirkend auf dem Boden, sich das Fell putzend und der Mensch, kreidebleich an die Wand gegenüber dem Frettchen gepresst, darauf wartend, das dieses endlich die Tür freigab. Nach ein paar Minuten schien es Anijas Haustier zu viel zu werden und es tapste langsam zur Tür hinaus, wobei es sich grösste Mühe gab, dies nicht schnell zu tun. Der schwitzende Kopfgeldjäger löste sich von der Wand, wartete noch einige Augenblicke und linste dann vorsichtig zum Eingang des Operationssaals hinaus. „Es beobachtet mich. Es beobachtet mich und lacht sich dabei zu Tode. Dieses feige Stück.“
Eine Grimasse wegen seiner Schwäche schneidend machte sich Jon auf die Suche nach der, von der Ärztin beschriebenen Dusche. Dies tat er auf Zehenspitzen, um das Raubtier nicht schon wieder anzulocken. Er hatte wirklich besseres zu tun, als sich mit einem Frettchen zu prügeln. Nach einigem Umsehen war die Tür zum Badezimmer schliesslich gefunden und demensprechend schnell auf und zugeklappt, um keine Bestien rein zulassen. Hätte ihm noch gefehlt, wenn das Ding ihn unter der Dusche erwischen würde. Sich endlich in Sicherheit wähnend, sah sich der junge Volta im Raum um. Dieser war vollständig getäfelt und besass sowohl eine Dusche wie auch ein Klo. Wie auch in den anderen Räumen dieses Hauses, schien hier jemand Sauberkeit sehr zu mögen, denn nirgends war Schmutz oder Staub zu sehen. Nur die nasse Luft und der beschlagene Spiegel verrieten, dass die junge Ärztin hier vor kurzem auch eine Dusche genommen haben musste. Vorsichtig, um auf dem stellenweise glitschigen Boden nicht auszurutschen, ging der Kopfgeldjäger näher an die Brause heran und sah sie sich an. Das Ding war aus Metall gegossen worden, und wurde sehr wahrscheinlich von einem einfachen Pumpmechanismus in Gang gesetzt. „Wobei mich interessieren würde, wie hier so weit oben auf dem Hügel, das Wasser seinen Druck nicht verliert.“, murmelte der Waffenmeister. „Muss ein recht findiger Erbauer gewesen sein.“
Sich weiter seine Gedanken über diverses Zahnradgetriebe und Druckberechnungen machend, zog er die beiden einzigen Kleidungsstücke aus, die er am Körper trug: die Hose und darunter Shorts. Beides landete auf dem zugeklappten Klodeckel, damit es nicht nass wurde und der Besitzer davon stieg über den kleinen Vorsprung unten an der Dusche, der das Wasser am Auslaufen hinderte, hinweg. Einmal drin, zog er reflexartig, ohne genau hinzusehen, den erstbesten Hebel, in der Hoffnung, es möge der für warmes Wasser sein. Falsch gehofft.
Ein Schwall eiskaltes Nass ergoss sich über den jungen Volta, der sofort fluchend den anderen, zur Verfügung stehenden Hebel griff. Nach einem kurzen Moment des Ausharrens unter eisig kaltem Wasser, wärmte sich dieses allmählich auf, und der frierende Kopfgeldjäger murmelte einige Verwünschungen an sich selber, weil er es am Morgen nicht einmal mehr fertig brachte, die Richtige Wassertemperatur zu wählen.
Seufzend stand der Rothaarige unter der Brause und liess das, nun angenehm warme, Wasser über sich hinweg prasseln. In solchen Momenten meldete sein Körper immer sämtliche Verletzungen erneut, die er alle erlitten hatte, schmerzhafte Stiche pieksten ihn an jeder noch so kleinen Wunde, obwohl sie schon lange verheilt waren. Den Kopf in den Nacken gelegt liess Jonathan es stumm über sich ergehen und konzentrierte sich auf die Ereignisse in den vergangenen Tagen. Davon war sicher gestriger am interessantesten gewesen. „Tigermensch… Tigermensch… was hat dieser Typ erlebt? Seine Vergangenheit muss eine einzige Katastrophe gewesen sein, dass er es nicht mal mehr fertig bringt, einem Arzt zu vertrauen. Je länger ich über den Typen nachdenke, desto mehr will ich ihn noch einmal Treffen. Er schuldet mir eh noch einen Gefallen.“
So denkend duschte der Kopfgeldjäger noch fertig, eher er wieder aus der dampfenden Kabine stieg und nach einer Abtrocknungsmöglichkeit Ausschau hielt. Nach ein wenig Suche wurde eine Beige mit sauberen Tüchern in einem der Schränke ausfindig gemacht und gleich zwei davon benutzt. „Da reicht eines doch bloss für die Haare, so klein ist das… „
Nachdem er vollständig trocken war, ging er wieder auf den Flur hinaus und von da aus in sein Zimmer, diesmal ohne gross auf etwaige mit Reisszähnen bewaffnete Fellbüschel Ausschau zu halten. Im Raum angekommen, liess er die Beige mit den Kleidern erst einmal links liegen und zog sich frische Sachen an, wohl einige der Wenigen, die er noch hatte. „Ich muss unbedingt mit dem alten Doktor sprechen, vielleicht hat der Zoan Nutzer mit ihm geredet, bevor er verschwunden ist. Anija wusste ja noch nichts davon.“
Grübelnd klinkte der Waffenmeister Nefertabis und Gamlechiel an die Halter und ging zur Türe hinaus. Er hoffte wirklich, dass der Alte etwas über den Tigermenschen zu sagen wusste, denn wenn dieser schon lange weg war, würde er sich nie von dessen tatsächlichen Kräften überzeugen können. „Ausserdem… ich vergass während des Abends gestern beinahe, wieso ich überhaupt auf diese Insel kam. Der Grund, warum ich dieses Eiland ansteuerte war doch jener, dass ich mir Mitstreiter suchen wollte. Ein toller Gedanke, wenn ich diesen Mann auf meiner Seite würde wähnen können… wenn auch reichlich unrealistisch. Er kam mit nicht wie der Typ vor, der sich gerne mit anderen verbündet, wenn auch nur, dass diese ihm helfen können. Ich glaube, der wär lieber gestorben, als zugeben zu müssen, dass ich ihm das Leben gerettet hab.“
Knarrend setzten seine Stiefel auf dem hölzernen Fussboden auf und hielten an, als aus einer Tür Stimmen zu ihm hinaus drangen. Mussten wohl der Alte und seine Schülerin sein, die da diskutierten. Jon wiedersetzte sich dem Drang, in den Raum zu gehen und hörte weiter zu, was die Beiden sich zu erzählen wussten.
„Der Patient ist abgehauen, war aber noch einmal hier? Der Arzt hat das Behandlungsgeld abgelehnt, mit der Begründung, dass ein Patient, der ihm davonläuft, ein solches nicht bezahlen müsse… na das nenne ich doch mal Berufsstolz. Auch wenn seine Schülerin diese Meinung eher nicht mit ihm teilt.“ Der Kopfgeldjäger schmunzelte und horchte weiter, einfach immer noch neben der Tür auf dem Flur stehend. Ein weiterer Satz bettelte geradezu um Aufmerksamkeit: Anija… ich glaube es wird langsam Zeit, dass du diese kleine Insel hier verlässt und dich auf Reisen begibst. Oh,na sieh mal einer an…
"Der alte Arzt will, dass seine Schülerin die Welt bereist… dass sie Abenteuer erleben kann. Wer kann da etwas dagegen haben? Das Leben auf rauer See ist toll, wenn auch nur im übertragenen Sinne…“ Jonathan wurde bei der Erinnerung an hohe Wellen allein schon wegen dem Gedanken übel. Ein Kopfgeldjäger, der Angst vor Stürmen auf dem Meer hatte… eigentlich eine jämmerliche Vorstellung, aber da konnte man nichts machen, immerhin musste das ja niemand erfahren. Ein Punkt mehr für seine Fähigkeit, bei solchen Dingen einfach einzuschlafen und seinem Körper Ruhe aufzuzwingen.
Gerade stand der Alte auf und machte Anstalten, zur Türe hinaus zu gehen. Die letzten Worte an seine Schülerin kamen eher einer Aufforderung, denn einer Bitte gleich. „Muss für sie im Moment hart sein… doch sie kann je lernen. Es gibt so viel, was ich auch noch nicht weiss. Da könnte sie ja eigentlich mit mir kommen. Wir könnten zusammen Erfahrungen sammeln.“
Die Idee war dem Rothaarigen eigentlich eher spontan gekommen. Wäre es klug, sie anzuwerben? Sie war jünger als er, auf die hohe See vielleicht nicht gut genug vorbereitet…
Als der Arzt an ihm vorbeitrat, kehrte Stille im Raum ein. Sie überlegte sich, wie ihre Zukunft wohl Aussehen mochte. „Ach, das hab ich auch mal durchgemacht, nicht weiter schlimm.“, dachte sich der Rothaarige.
Er wartete einige Augenblicke, ehe er in den Raum trat. Dort saß Anija mit einem verwirrten Gesichtsausdruck am Tisch und schien erst gar nicht zu bemerken, dass jemand den Raum betreten hatte.
„Hey“, machte Jonathan auf sich Aufmerksam. „Ich hab euer Gespräch mit angehört. Was ich jetzt sagen möchte, wird dir vielleicht nicht gefallen, du kannst mich auch aus dem Haus werfen, wenn du willst, doch es muss gesagt sein.“ Er atmete tief ein, sowas tat er nicht zum ersten Mal, blöderweise klappte es nur selten. „Egal für welchen Weg du dich schlussendlich entschiedest… ich möchte dir sagen, dass die Weite des Meeres, von der dein Lehrer gesprochen hat, nicht das ist, was sich die meisten vielleicht beim ersten Gedanken ausmahlen. Ich kenne die See, ich hab sie ein Jahr lang bereist. Mag für viele nicht bedeutend sein, diese kurze Zeitdauer, doch mich hat sie vieles gelehrt und ich habe keine Zweifel, dass sie das auch bei dir tun wird. Dein Alter Meister möchte bloß das Beste für dich, das weißt du wahrscheinlich schon längst. Was dir neu sein dürfte: Ich bin Kopfgeldjäger… für manche ein ehrvoller Beruf, für Andere, wie Piraten, der reinste Albtraum. Hör zu, ich… ähm war bisher alleine unterwegs und… es wäre toll, wenn ich bei meiner Abreise von dieser Insel jemanden in meiner Begleitung hätte. Versteh das nicht falsch, du bist eine Ärztin und meinen Einschätzungen nach gerade mal Erwachsen geworden und ich möchte dir das nicht zutrauen, dich gleich in das größte Abenteuer deines Lebens zu stürzen, aber die Bitte lässt sich nicht vermeiden. Denn ich suche schon lange nach fähigen Menschen. Menschen wie dir, wenn sich mein erster Eindruck nicht täuscht und das tut er selten, glaub mir… nun also… ich werd mich auf den Weg machen.“
Er grinste sie an.
„Ich will diesen Narbenmenschen von gestern Abend noch erwischen, er schien mit ein interessantes Wesen zu haben. Ich sag es nochmal: Es war eine Bitte und deine Entscheidung. Mach es gut, falls wir uns nicht widersehen und… öh, danke für das Zimmer und die Dusche.“
Der Rothaarige drehte sich um und verließ, ohne noch einmal zurückzuschauen den Raum. „Wieder jemandem die Chance gegeben. Noch einmal.“
Die Kleider waren ziemlich schnell wieder eingepackt, denn wes es stimmte, was der Alte zuvor gesagt hatte, würde der Tigermensch recht bald die Insel verlassen. Er musste ihn noch erwischen.
Ein wenig gehetzt verließ der junge Volta das Haus, nicht ohne zuvor noch auf Anija zu warten und machte sich auf den Weg in die Stadt hinunter. Kurz bevor er die ersten Häuser erreicht hatte, bemerkte er einen schwarzen punkt in der Landschaft, links von ihm, der sich auf die Küste zuzubewegen schien. Na, da schein ein verlorener Patient seine eigenen Wege gehen zu wollen. Eindeutig erkannte man seine schwarzen Haare und normalerweise sah man auch keinen Streuner, der querfeldein ging, auch noch mit einer Weinflasche in der Hand. Die Schritte des Kopfgeldjägers änderten sofort ihre Richtung, drehten sich von den ersten Häusern der Stadt weg und folgten dem Tigermenschen. Da dieser es nicht sonderlich eilig zu haben schien, holte der junge Volta recht schnell auf und war schon bald auf einer Höhe mit ihm. Aus der Nähe liess sich erkennen, dass der Typ tatsächlich eine gute Flasche Wein bei sich zu haben schien und immer wieder einen Schluck daraus nahm. „Hmm, sogar er hat etwas lieb gewonnen“, musste der junge Volta schmunzelnd feststellen. Geradeaus führte der Weg seiner Schritte weiter auf den von Narben gekennzeichneten Mann zu. Ihm war nicht ganz wohl bei der Sache, denn in der Gegenwart dieses Mannes kam man sich ständig so vor, als würde man gleich von einer harten Faust mitten in das Gesicht geschlagen werden. Der Typ war wahrlich nicht gerade einer, mit dem Man(n) verhandeln konnte.
Kurz Luft holend macht Jon einen weiteren Schritt vor und ging plötzlich neben dem Schwarzhaarigen. „Nun“, sagte er.
„Verletzungen sind geheilt, wie ich sehe, freut mich. Wenn du am Abend gestern nicht völlig weg warst, ist dir sicher aufgefallen, dass ich dich in das Haus des Arztes gebracht habe. Ich könnte darauf weiter rumreiten.“ Er zuckte die Achseln und sein übliches Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Du wolltest doch hoffentlich nicht einfach hier weg gehen. Du weißt, die Leute hier sind dir dankbar… nun auf jeden Fall, wollte ich dich fragen, wohin du deinen Weg zu gehen gedenkst? Ich sehe mir dein Gesicht an und sehe Unmut, Rache, Mordlust? Natürlich, ich kenne dich nicht… das will ich aber ändern.“
Nun musste er eben die Initiative ergreifen.
„Ich bin Jonathan da Volta, seines Zeichens Kopfgeldjäger, freut mich, dich kennen zu lernen. Ich bin sicher, ich muss nicht betonen, wie sehr mich interessieren würde, was Gestern in diesem Wald passiert ist.“