Die `Rostige Flinte`, ein Etablissement, das seinem Namen mehr als nur gerecht wurde. Windschief, baufällig und alles andere als sauber war diese Spelunke wie ein eitriger Pickel auf der sonst so sauberen Haut der Stadt Sunny. Zögerlich folgte der Küchenjunge seinen Kameraden in die Dunkelheit des Schuppens, die alte Tür quietschte beim Aufschwingen und gab den Weg frei in eine Welt, die für Timothy bis vor kurzem noch als unerreichbar galt, die Welt der Piraten.
Dreck, Staub und Gesocks überall, das war das erste, was dem Prince ins Auge stach. Angewiedert versuchte er sich in der Mitte der schmalen Wege zwischen den schmierigen Tischen, an denen ebenso schmierige Gestalten saßen. Eol hingegen schien dieses Ambiente gewöhnt zu sein, selbstsicher und zielstrebig schritt er durch den Raum, geradewegs auf einen Tisch mit noch mehr vermummten Menschen zu. Timothy meinte den Mann im Umhang von früher unter ihnen zu erkennen, allerdings konnte er durch den wabernden Zigarettendunst, der die Luft erfüllte, kaum etwas erkennen, also entschied er sich dazu, an einem Tisch platz zu nehmen, der möglichst nahe an Eols stand. Langsam ließ er sich auf den saubersten Stuhl an der Runde sinken und gab dem Barkeeper ein Zeichen, das er bestellen wollte. Noch bevor dieser zu ihm herübergewatschelt kommen konnte, umringten eine Gruppe von fünf Männern den Tisch, an dem Timothy saß und blickten feixend auf den armen Jungen hinab. Der ekelhafteste von ihnen, ein behaarter Mischling aus Mensch und Bär mit ganzen drei, vom Tabak gelben Zähnen ergriff als erster das Wort und grunzte Tim an: „Hey Kleiner, Lust auf `ne Runde Poker?“ Gurgelnd zog er etwas Schleim aus seiner Nase hoch und spuckte ihn zusammen mit etwas Kautabak flatschend auf den Boden. J. biss sich fest auf die Unterlippe, um nicht angeekelt das Lokal fluchtartig zu verlassen. Was hatte er sich bloß dabei gedacht ein Pirat zu werden? Wäre er zur Marine gegangen, so wie sein Großvater es ihm befohlen hatte, wäre er nun ein strahlender Käptn wie in seinem Traum und würde solchen Pöbel einfach festnehmen. Stattdessen musste er nun mit den wohl unsaubersten Menschen in ganz Sunny Karten spielen, nur um etwas über den Verbleib der schönen Prinzessin herauszufinden. „Natürlich meine Herren.“, sprach er langsam und deutlich, jedes Wort wohl überlegt. „Sehr gerne sogar.“ Mit einer einladenden Handbewegung bedeutete er den Männern sich zu setzen. Dann wandte er das Wort an den eben eingetroffenen Barkeeper. „Eine Runde Ihres besten Whisky, guter Mann, für mich und meine Freunde.“ Die Anwesenden johlten und grölten zustimmen, einer von ihnen erdreistete sich sogar mit seiner fettigen Pranke Timothy fest auf die Schulter zu klopfen. `Na toll, das war mein bestes Hemd, das ich nun wegwerfen kann.´,dachte der angehende Koch wütend, während er sich die schmerzende Schulter rieb. Zügig teilte der Mannbär die Karten aus und verlangte nach dem Mindesteinsatz. Etwas zögerlich setzte Timothy den gewünschten Betrag und betrachtete dann seine Karten. Ein Pärchen Ass, besser konnte es nicht kommen. Allerdings ließ er sich nichts von seinem Glück anmerken, war er doch ein Kabuki, ein Schauspieler. Ein Schluck brennenden Whisky und es konnte weitergehen. Die ersten drei Karten wurden aufgedeckt, eine Pik 9 und zwei Buben, Herz und Karo. Perfekt, zwei Paare, wer wollte das schlagen? Reihum wurde gesetzt, niemand erhöte oder sprach. Die nächste Karte. Ein König, Pik. Einer der Männer fing an zu grinsen und setze den doppelten Betrag, fast sein ganzes Geld. Jetzt wurde es spannend, anscheinend hatte er etwas gutes auf der Hand. Nachdenklich nahm Timothy noch einen Schluck aus seinem Glas, bevor er nachzog. Der Rest der Männer setzte ohne zu überlegen und grinsten dämlich. Die letzte Karte wurde umgedreht. Ein Ass, Erleichterung machte sich in Timothy breit. Er hatte ein Full House, sehr schwer zu überbieten. Jetzt hieß es den Preis langsam hochzutreiben. Langsam setzte Tim einige Berry und schaute dann herausfordernd sein Gegenüber an. Dieser tat es ihm nach und jeder andere am Tisch auch, was nun eins bedeutete: Hosen runter. In Zeitlupe deckte Timothy erst ein Ass, dann das andere auf und grinste dann breit. „Full House.“, sagte er und blickte seine Mitspieler an. Diese stöhnten und bdeutetem ihm, dass im der Pot gehörte. Immer noch lächelnd sackte J. die Marie ein und begann dann zu mischen, die Männer nahmen währenddessen tiefe Schlucke aus ihren Gläsern. „Man erzählt sich, dass die Prinzessin entführt wurde.“, begann er langsam und harmlos an zu sprechen, während er ausführlich die Karten durcheinander warf. Der Anführer der Gruppe lachte grölend, während er sich Alkohol nachgoss. „Nicht nur ein guter Spieler, auch noch ein Waschweib ist der Kleine. Aber du hast Recht, die Prinzessin wurde entführt.“ Er nahm noch einen tiefen Schluck aus seinem Glas uns stellte dann fest, dass die Flasche mit Whisky leer war. Fragend sah er Timohy an. „Noch eine Flasche.“, ertönte es durch den Raum, als dieser erneut bestellte. „Allerdings kann ich dir nichts erzählen Kleiner. Geheimhaltung und so`n Zeugs, du weißt.“ Er nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche, die eben gerade gebracht worden war. „Wie heißt du eigentlich?“, fragte er dann, sichtlich angetrunken. „Timothy J. Prince.“, antwortete der Küchenjunge bereitwillig und grinste, bis er seinen Fehler erkannte. Der Name Prince war vielen Menschen hier ein Begriff und anscheinend bei diesen Kameraden kein beliebter. „Du bist der Sohn dieses verdammten Marinekapitäns, wegen dem ich jahrelang im Knast saß? Schnappt ihn euch!“, brüllte der bärige Sprecher und spuckte Speichel über den gesamten Tisch. Sofort erhoben sich alle Spieler und stürzten sich auf Tim. Dieser war aufgesprungen, hatte sich die Einkäufe gegriffen und floh vor den Angreifern. Eol sollte er in diesem Moment wohl lieber nicht ansprechen und von Dwain fehlte jede Spur, blieb also nur noch der Weg ab durch die Mitte. Mit einem Affenzahn spurtete er aus der `Rostigen Flinte´ und die vom Regen nasse Straße hinunter. Er musste aufpassen, dass er auf dem feuchten Kopfsteinpflaster nicht ausrutschte. Hinter ihm klatschte es. Einer seiner Verfolger hatte sich der Länge nach hingelegt, gut für J allerdings waren die anderen immer noch auf seinen Versen. `Verdammt, so kann ich nicht meine Teufelskraft nutzen.´,dachte er während er die menschenleeren Straßen entlanghetzte. Irgendwo musste er doch untertauchen könne. Da, eine Seitengasse, nahe dem Marktplatz. Schnell bog er in diese ein und blickte sich um. Eine Sackgasse, perfekt für ihn. Hastig trat er an die Wand, dem Gasseneingang gegenüber, und tippte gegen diese. Dann schmiegte sich er an die Wand und öffnete eine Tür, durch die er hindurchflutschte. Die Tür klappte zu und um ihn herum wurde es stockfinster. Kein Licht drang an sein Auge, kein Ton an sein Ohr. Er war ganz allein irgendwo in Sunny, wo er noch nie zuvor gewesen war, verloren und hilflos. Sein Piratenleben begann ja toll.