Mika kribbelte die salzige Luft der See in der Nase, als diese ihm um den Kopf wehte. Hoch oben über dem noch immer etwas ramponierten Deck des Boldman thronte er sicher im Krähennest und blickte gen Horizont, in froher Erwartung dessen, was nun auf sie zukommen mochte. Die See war ruhig, lediglich ein paar kleinere Wellen plätscherten gemütlich gegen die Planken oder der Bug teilte sie. Alles in Butter, dachte sich der Zimmermann und war guter Hoffnung, dass sie es unbeschadet zur nächsten Insel schaffen würden, wo sie einerseits Way-Bro und die Girls wiederbekommen würden und andererseits Boldman die notwendigen Reparaturen zukommen lassen konnten. Irgendwie schien diese Grandline, vor der so viele Leute so viel Angst hatten, gar nicht so furchtbar, wie alle immer behaupteten. Vielleicht waren die Geschichten über sie auch nur über die Jahre hinweg immer weiter übertrieben worden, denn bis jetzt war nicht besonders viel los. Es könnte durchaus schlimmer sein.
Langsam wiegte Mika, der den Mast nach dem Ablegen am Kap der Zwillinge hochgerast war wie eine Kanonenkugel, weil er etwas Spektakuläres erwartete und es nicht verpassen wollte, hin und her. Ihm war etwas langweilig. Unzufriedenheit machte sich breit. Bisher konnte man das, was auf der Grandline passiert war, kaum ein Abenteuer nennen... bis auf den Riesen, den sie gesehen hatten, der war mordsmäßig cool. Noch immer bereute es der Afro-Träger, dass sie nicht noch mehr von dem Riesenschanps gekauft hatten, der war superlecker und machte zugleich noch stärker, es konnte doch keine bessere Kombination geben. Vergil hatte ihm zwar versucht klarzumachen, dass Hagemon sie nur hatte übers Ohr hauen wollen, doch warum sollte ein Riese wie er das nötig haben? Ein tiefer Gähner entwich dem Baumakrobaten, während seine innere Stimme praktisch schrie: Dammit, lass irgendwas passieren! Eventuell waren sie ja schon bald da, das würde das Wetter erklären, welches in der Nähe der Inseln ja ruhiger sein sollte. Auch wenn das irgendwie kaum denkbar war, da sie ja vor Kurzem erst losgesegelt waren. Just in diesem Moment, als hätte er seine Gedanken gelesen, ertönte die Stimme Boris von weiter unten. „Afro! Siehst du die Insel schon?!“ Offenbar war sein Kapitän genauso ungeduldig wie er selbst, doch das gefiel Mika an dem Hünen. In seiner Crew wurde es nur selten langweilig. So wie jetzt zum Beispiel. „Ne Bro, aber es sollte jeden Moment kommen!“ antwortete Mika, zum einen Teil aus Überzeugung, zum anderen aus Optimismus. Die Grandline sah auf den Weltkarten immer so klein aus, da konnten doch auch die Inseln nicht besonders weit voneinander entfernt sein, denn immerhin sollte es hier hunderte von ihnen geben. Nun spähte der Zimmermann auch einmal wieder nach vorne anstatt Löcher in der Seeluft zu erschaffen, doch was er nun vor sich hatte, gefiel ihm gar nicht. Obwohl, eigentlich gefiel es ihm recht gut, endlich mal wieder etwas Spannung. Andererseits war eine Monsterwelle nun wirklich nicht das, womit man auf einer Verfolgung konfrontiert werden möchte, wenn der Schiff noch dazu in einem suboptimalen Zustand ist. Aber andererseits war das die größte Welle, die er je gesehen hatte. Zuhause war er gerne mal auf den kleineren Wellen vor der Küste unterwegs und irgendwie reizte diese Naturgewalt ihn. „Boah, auf dem Teil will ich surfen!“ war das Resultat all dieser Gedankengänge, woraus man direkt ablesen konnte, ob bei dem Hamsterpiraten nun die Angst vor der Gefahr oder die Abenteuerlust überwog.
Auch seine Nakama wurden durch diesen Aufruf auf den drohenden Untergang aufmerksam und sie alle starrten zunächst unbeweglich nach vorne, um dieses Spektakel unterbewusst zunächst kurz auf sich wirken zu lassen, denn immerhin war die See bis eben noch nahezu still gewesen. Tatsächlich wollte der Tagträumer wirklich auf der Wasserwand surfen, doch was ihm fehlte war ein passendes Surfbrett. Sicher könnte man das auf der Säge ein wenig machen, doch für eine echte Welle taugte die nicht wirklich. Planken lagen momentan nicht besonders viele rum und es war wahrscheinlich besser, die noch nicht zu verschwenden, denn man könnte sie immer brauchen, wenn der Schiff auf welche Weise auch immer noch weiter beschädigt würde. Aber mit Boris on Bord würde das sowieso nicht lange dauern und auch Waylander machte extrem viel kaputt, dieser Barbar. Hm... überlegte Mika.... Nein, Boris würde wohl auch nicht als Surfbrett taugen, in letzter Zeit sank der immer wie ein Stein. Dann würde das Surfen wohl warten müssen.
Apropos warten... das konnten die Hamster nun nicht mehr. Nun war einer der wenigen Momenten, in denen Vergil seine kluge Seite offenbarte. Er wusste genau, dass man der Welle nicht entkommen oder ihr ausweichen konnte. Auch auf eine Überfahrt brauchte man nicht zu hoffen. Es gab nur einen Weg und der führte mitten durch die Welle. Das lag aber auch daran, dass die Welle direkt über dem Hamsterschiff hereinbrechen würde, und es wahrscheinlich unter sich begraben würde. Vergil hatte das durch seine Überlegungen herausgefunden. Boris und Mika hatten gar nicht lange nachgedacht und wollten die Welle direkt mit dem Kopf voraus - wenn auch leider noch immer der Hamsterkopf am Bug fehlte, der aus dieser Metapher eine wahre Aussage machen würde - nehmen.
Und nur wenige Sekunden später brachen die Wassermassen über der kleinen Piratenbande herein und trafen einen jeden von ihnen, außer denen, die sich unter Deck befanden, wie ein BORIS Krach! Zumindest verglich Mika, der schon oft genug die Faust seines Kapitäns zu spüren bekommen hatte, die Kraft damit, auch wenn ihm seine Vorstellung da sicher einen kleinen Streich spielte. Als der Hamsterpirat im Ausguck nur wenige Augenblick später wieder zu sich kam, lag er auf dem Rücken und wenn das Holz nicht gehalten hätte, hätte ihn die Welle hinfortgespült wie ein unschuldiges kleines Mädchen. Der Zimmermann spuckte das versehentlich geschluckte Salzwasser aus, den widerlichen Geschmack noch immer auf der Zunge. Warum nur konnte das Meer nicht aus Bier sein? Normales Wasser wäre auch okay, aber nein, es musste ja unbedingt Salzwasser sein. Wer auch immer daran Schuld war, der war ganz sicher ein Arschloch. Mit ächzendem Rücken, der bei dem harten Aufprall gegen das Holz des Krähennestes etwas davon getragen hatte, und klitschnassen Klamotten erhob sich der Afro-Träger und blickte hinab auf das Deck, welches glücklicherweise keine größeren Schäden davon getragen hatte bis auf die Tatsache, dass das bereits vorhandene Loch ein wenig größer geworden war. Doch die Ausbesserung am Rumpf schien zu halten. Erleichtert atmete der Tagträumer aus, diese Welle war schon echt böse gewesen. Und dabei war kein Sturm oder so etwas zu sehen, gerade war wieder einmal kaum ein Lüftchen zu spüren, doch der Himmel hatte sich zugezogen, vielleicht würde es gleich anfangen zu regnen. Nicht, dass das schlimm wäre, nass waren sie ja nun eh alle miteinander. Apropos nass... Mit einem eleganten Hüpfer verließ der Baumakrobat den Ausguck und rutschte am Mast herunter. Nun musste er möglichst schnell die Mädels finden und hoffen, dass sie einerseits auch etwas abbekommen hatten und nicht unter Deck gewesen waren und andererseits sich noch nicht umgezogen hatten.
Gerade wollte er lossprinten und sie suchen, da erwischte ihn, just in dem Moment, wo beide Füße den sicheren Boden verlassen hatten, eine ungeheuer starke Windböe, die den Afro-Träger mit sich riss und ihn tatsächlich einige Meter über die Planken segeln ließ. Huiiiii... Es war so ein wunderbares Gefühl, so leicht wie ein Vogel, wie ein kleiner Spatz durch die Luft zu fliegen ohne dauernd den Boden zu brauchen, doch auch dieses Gefühl sollte nicht ewig währen, da eine altbekannte Kraft namens Schwerkraft den Fliegenden zurück auf den Boden der Tatsachen holen. Insbesondere der Tatsache, dass Menschen nun einmal nicht fliegen können. Als wolle ihm das Schicksal noch etwas besonderes mitteilen, hatte die Windböe Mika auch genau bis über das Loch im Deck getragen, sodass dieser beim Abflauen mit einem leisen Plumbs gefolgt von einem lauten Bums im Schiffsrumpf landete.
Doch diese eine Böe war nur so etwas wie ein Vorgeschmack auf das, was nun kam. Praktisch direkt von vorn kamen Orkanböen auf, die Wind mit so großen Geschwindigkeiten auf den Schiff der Hamsterpiraten zutrieb, dass Mika nicht mehr der einzige sein sollte, der abheben sollte. Auch Insekten oder kleine Vögel im Tiefflug könnten bei diesen Windgeschwindigkeiten zu gefährlichen Geschossen mutieren. Mika indes rappelte sich wieder auf und machte sich langsam wieder auf den Weg zurück an Deck.