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Kapitel 3 - In der Unterwelt (Akt 1)

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Käpt'n Flint

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Erster Akt: Das Tor

Der nächste Morgen brach gerade an und die Sonnenstrahlen fielen in die Kajüte des Kapitäns, tauchten diese in ein mattes Licht, machten den umherschwebenden Staub sichtbar, nur um festzustellen, dass sie leer war. Der Käpt'n war nämlich schon längst auf den Beinen. Das Wetter war inzwischen merklich wärmer geworden und Flint hatte sich die ganze Nacht in seiner Koje nur von einer Seite auf die andere gewälzt und dabei kein Auge zubekommen. Er war mehrere Male aufgestanden, hatte nach einer Beschäftigung gesucht, im Regal etwas zum Lesen gefunden, schnell die Lust daran verloren, es wieder zurückgestellt. Er war mehrere Male wieder zu Bett gegangen, hatte nach etwas mehr Bequemlichkeit gesucht, unter dem Bett ein paar Kissen gefunden, keinen Unterschied festgestellt, sie quer durch den Raum geschleudert. Er war mehrere Male verzweifelt, bloß diesmal leider ohne schlauer aus der Situation geworden zu sein. "Jetzt lohnt es sich auch nicht mehr einzuschlafen", hatte er irgendwann gedacht, als es draußen langsam heller geworden war. Schließlich war er aufgestanden, hatte sich seinen Mantel um die Schultern geworfen und war an die frische Luft gegangen.
Nun stand Flint am Bug des Schiffes über der Galionsfigur und blickte in den Sonnenaufgang, welcher sich in den runden Gläsern seiner Brille spiegelte und die wenigen Wolken am Himmel rosa und orange färbte. Eine Brise wehte ihm um die Nase und durch die Haare. Es tat gut, einfach nur dazustehen. Kein Laut, außer dem gemächlichen Rauschen der Wellen, drang an sein Ohr. Die Crew schien noch nicht wach zu sein. Nicht einmal Vögel waren in der Nähe. Flint seufzte.
Lange Zeit stand er da und dachte nach. Er dachte über die Ereignisse der letzten Wochen nach und über die Ereignisse, die ihm gewiss noch bevorstanden. Der Eifer packte ihn bei dem bloßen Gedanken an die Grandline. Flint konnte es kaum erwarten. Er konnte alles kaum erwarten. Er brannte darauf, mehr über seinen Onkel in Erfahrung zu bringen. Grandmole wirkte so viel versprechend. Bald würden sie da sein. Noch heute würden sie da sein - auf der verlassenen Insel. Der junge Käpt'n wandte seinen Blick von den leuchtenden Wellen ab, sprang hinüber zu den Wanten und kletterte schwungvoll hinauf zum Ausguck. Oben wurde der Wind stärker und es war sehr hoch - an die fünfzig Ellen, schätzte Flint. Er musste zugeben, dass er noch nie zuvor hier war. "Um so besser", dachte er sich. "Da lernt man doch gleich noch sein Schiff kennen." Er stieg in den Ausguck und lehnte sich dort lässig mit dem Rücken an den Mast. Von hier aus war der Sonnenaufgang beinahe noch schöner. Doch vielleicht war es auch das Gefühl, die ganze Welt unter sich zu wissen. So oder so: Flint dachte gar nicht daran, wieder hinabzusteigen. Er seufzte. "Ein Glück, dass ich nicht schlafen konnte!"
 
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Eric

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Es war eine unruhige Nacht für Eric. Wahrscheinlich besonders für ihn, denn er kannte ja bisher nur den festen Boden unter den Füßen. Doch seit er auf diesem Schiff ist, ist nichts mehr so wie er es kannte. Mit einem Ruck öffnete Eric die Augen und griff erschrocken mit der rechten Hand gen Wand und mit der linken an den Lattenrost seines Bettes. Für einen kurzen Augenblick dachte er, es wäre alles nur ein Traum gewesen. Doch der Geruch von Holz und dem Meer, auch das Holz welches er fühlte, als er die Hand dort anlegte, bewiesen ihm, dass es nicht so ist. “Hmmm, schon wieder sone verdammte Welle…“ Mal wieder konnte er sich gerade so mehr oder weniger im Bett halten und ist nur knapp den Boden entkommen. Eric atmete tief durch und versuchte etwas Gutes zu finden, denn seine Übelkeit und seine Kopfschmerzen trugen nicht gerade zu seinem Wohlbefinden bei. So langsam wusste er nicht mehr ob die Nerven ihm auf dem Magen, oder der Magen sich auf seinen Nerven niederschlug. Mit einem Ruck ließ er sich nach links aus dem rollen und stand im nächsten Augenblick neben dem Bett und streckte sich etwas verschlafen. Immer wieder schaukelte das Schiff, mal leicht mal, mal stark. Und immer wieder tat er sich schwer bei dem Wellengang nicht gleich wieder um zu fallen. Schon oft hatte er von diesem Phänomen gehört, doch meistens trat dieses bei betrunkenen auf und er hatte bei weitem nichts getrunken. Doch eine gute Studie, dass musste er sich eingestehen. Mit sehr wackeligen Beinen taumelte er erst aus dem Lazarett, dann über den Gang zur Treppe und schließlich nach draußen. Als er die Tür nach draußen öffnete schwall regelrecht die frische Brise des Meeres ihm entgegen und er konnte mal kurz abschalten. Für einen kleinen Augenblick vergas er sein nächtliches Abenteuer. Leider war dieser Augenblick viel zu kurz für seinen Geschmack, denn die nächste Welle riss ihn wieder auf Schiff zurück. Er hatte gar keine Zeit sich um zu sehen, sein einziges Bedürfnis bestand nur noch darin schnell zur Reling zu gehen. So übel hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. Keine zwei Sekunden dauerte es bis er sich an der Reling festkrallen konnte. “Wie halten die dieses ganze geschaukle nur aus…“
 
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Käpt'n Flint

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Während Flint so in seinem Ausguck den Sonnenaufgang verfolgte, den ziehenden Wolken nachsah und dabei planlos vor sich hin träumte, vernahm er, wie unten an Deck die Tür zur Kajüte mit einem dumpfen, hölzernen Knall aufgeschlagen wurde und jemand hinaustrat. Es war auch langsam an der Zeit, dass die Crew munter wurde, dachte Flint. Er beugte sich über den Rand des Korbes, hielt sich dabei mit einer Hand am Mast fest, um nicht gleich über Board zu gehen, und sah hinunter auf den Neuankömmling, von dem man gerade nur den Hinterkopf sehen konnte. Den roten Haarschopf allerdings erkannte er schon von Weitem. Der Käpt'n grinste. Eric klammerte sich an der Reling fest und sah auf den Boden, als wäre ihm übel.
"Ich sollte Eric einweihen, was den Grund unseres Besuches auf Grandmole angeht", ging es Flint durch den Kopf, "Er ist noch kein Matrose, aber trotzdem der einzige, auf den man sich hier verlassen kann - ein ätzender Gedanke... Immerhin hängt der Rest der Crew noch immer unter'm Meeresspiegel in seiner Hängematte und knackt... Vielleicht sollte ich mal andere Seiten aufziehen." Er grinste beim Gedanken an seine komatösen Söldner unter Deck. Dann wandte er sich wieder dem Hier und Jetzt zu - Eric.
"Ahoi, Eric!" rief Flint ihm von oben zu. "Du bist doch nicht etwa seekrank, oder?" Die Frage war mehr zum Spott als zur Besorgnis gemeint. Der junge Arzt sah mit blassem Gesicht zu ihm empor und kniff gegen das Licht die Augen zusammen. "Vielleicht solltest du mal hier hochkommen... Obwohl... So wie du aussiehst, ist das wohl keine gute Idee... Warte. Ich komme runter", meinte der Käpt'n und machte sich wieder an den Abstieg. Er schlug seinen langen Mantel beiseite, damit er nicht versehentlich auf ihn trat, und kletterte behände die Seile hinunter. Schließlich stieg er von den Wanten auf die Reling, sprang und landete mit einem Satz neben seinem Kameraden, der den Blick schon wieder abgewandt hatte und vor sich hin stierte. Flint nahm seine Brille ab, lies sie an einer Schnur um seinen Hals hängen und ging sich mit den Fingern durch die vom Wind zerzausten Haare, um die Strähnen aus dem Gesicht zu bekommen. "Na komm schon", forderte er Eric auf und klopfte ihm herzlich auf die Schulter. "Hilf mir, die Segel zu setzen. Ein bisschen Bewegung wird dir sicherlich gut tun. Du gewöhnst dich schon noch an die Seefahrt." Der junge Pirat ging, der Motivation wegen, mit gutem Beispiel voran und löste den Knoten eines der Taue, worauf sich die eine Seite des Segels entfaltete. Dann sah er, wie er hoffte, ermutigend zu Eric hinüber. "Wenn wir Glück haben, kommen wir gegen Mittag an. Dann kannst du deine Barfüße auch schon wieder auf festen Boden setzen."
Eric nickte kaum merklich und versuchte sich an einem Lächeln, was ihm nicht so recht gelingen wollte. Dann riss er plötzlich die Augen auf. Er war kreidebleich. Flint sah ihn fragend an und im selben Augenblick hing Eric auch schon über der Reling und übergab sich, den Geräuschen nach, aus Leibeskräften. Der Käpt'n seufzte, lies das Tau los und verschwand unter Deck, um einige Minuten später mit einem Eimer Wasser in der Hand wieder aufzutauchen. Er stapfte zur Reling hinüber, stellte das Gefäß mit einem dumpfen Knall auf dem Boden ab und lehnte sich lässig mit dem Rücken gegen das Holz. Er lies Eric die Zeit, die er brauchte, und guckte wieder hinauf in die Wolken. "Ein kranker Arzt hat mir gerade noch gefehlt", witzelte Flint, als der erste Anfall vorüber zu sein schien, und hob den Eimer hoch. "Hier... Es ist sauber. Du kannst es also auch beruhigt trinken... Danach gehst du besser in eine der Hängematten. Da bekommst du vom Wellengang nicht so viel mit... Und den Eimer kannst du auch leer noch gut gebrauchen! Hahaha!"
 
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Käpt'n Flint

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Flint hatte sich den Arm des kranken Arztes über die Schulter gelegt und stützte ihn beim Gehen. In der anderen Hand trug er den Wassereimer. Mit dem Fuß stieß er die Tür zum Innenraum auf und schleppte sich in Richtung Treppe. Das war wohl die größte Hürde. Denn die Kojen lagen auf dem Unterdeck, was bedeutete, dass sie noch zwei Etagen vor sich hatten. Flint achtete darauf, dass Eric nicht jeden Moment wieder losspuckte. Denn so, wie er aussah, war das sehr gut möglich. "Denk einfach an was anderes", versuchte der Käpt'n ihn - oder vielmehr seinen Magen - zu beruhigen, damit er am Ende nicht noch selbst getroffen wurde. Er konnte sich Schöneres vorstellen.
Als sie das Esszimmer passiert und die letzten Stufen der großen Wendeltreppe hinter sich gelassen hatten schlurfte Flint so schnell wie eben möglich zum Schlafraum. Das Lazarett, in das er den jungen Doktor bereits einquatiert hatte, bot ihnen nur zwei Matratzenbetten, die der Käpt'n einem Seekranken bei dem Wellengang nicht zumuten konnte. Ein paar Schritte weiter öffnete er die nächste Tür. Mit einem lauten Quietschen schwang sie nach innen auf, was die wenigsten der Schlafenden zu stören schien, die sich bloß von einer Seite auf die andere drehten und weiter schnarchten. Flint hievte Eric in eine der Hängematten und stellte den Eimer darunter ab. "So. Das wäre erledigt. Vielleicht findest du ja noch etwas Schlaf", meinte er und drehte sich zum Rest der Crew um. Geoffrey lag in einer unnatürlichen Körperhaltung links und rechts aus seiner Hängematte heraus und murmelte unverständliche Wörter vor sich hin. Flint seufzte, hob den Fuß und trat seinen ersten Maat grob aus dem Bett. Unsanft und mit einem dumpfen Knall landete dieser auf den Brettern und war wundersamerweise mit einem Mal hellwach. Es war nicht das erste Mal, dass Flint seine Mannschaft aus ihrem Schlummer riss, und er war sich ziemlich sicher, dass es nicht das letzte war. Geoffrey rieb sich den kahlen Hinterkopf, blickte sich fluchend um und erkannte schließlich die Stiefel seines Kapitäns und weiter oben eine Miene, die ihn fragte, wofür er überhaupt bezahlt wurde. Er kannte diese Masche ja bereits, rappelte sich auf und begann Flints Mission fortzuführen. "Okay, das reicht jetzt! Genug gefaulenzt! Hoch mit euch! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!" trieb er seine Männer an. "Bin ich denn hier der einzige, der seinen Job erledigt?!" Der Käpt'n grinste, drehte sich um und ging wieder an Deck. Seine Arbeit hier war getan.
Eine Weile später fanden sich nach und nach die Söldner an Deck ein. Flint stand bereits hinter dem Steuerrad. Alle Segel wurden gehisst und die Route endlich mit voller Fahrt eingehalten. Spätestens gegen Mittag sollten sie die Insel erreicht haben. "Und dort", dachte Flint, "gilt es zu aller erst einmal, einen Meuterer loszuwerden." Geoffrey selbst hatte darauf bestanden. Es wäre eine Katastrophe für das Geschäft und er hätte mit dem Mann erst seit Kurzem zusammen gearbeitet - nicht lange genug um zu wissen wie er tickte, hatte er gesagt. Flint war es egal. Diese Männer waren ihm egal. Er würde froh sein, wenn er sie endlich los war und seine eigenen Leute hatte. Doch im Augenblick konnte er sich nicht einmal mehr auf Eric verlassen. Seine vorläufige Euphorie war längst verschwunden. Er konnte nur hoffen, auf der verborgenen Insel etwas über seinen alten Freund zu erfahren. Es wäre immerhin ein Anfang.

Verbindung zu -> Grandmole
 
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